Jahresschrift 1955 des Salzburger Museum Carolino Augusteum Pichler, Georg Abdon: Salzburg’s Landes-Geschichte
Resultat des von Seiner Majestät, unserem allergnädigsten Kaiser und Landesvater Franz des Ersten ec. ec. (…) gegebenen großen Erbhuldigungs-Freischießens, 1816
Salzburger Zeitung, 1816
Schallhammer, Anton Ritter von: Geschichte des k.k. Hauptschießstands zu Salzburg und des Schützenwesens im Herzogthum Salzburg vom Mittelalter bis auf unsere Tage
Süß, Maria Vinzenz: Die Bürgermeister in Salzburg von 1433 bis 1840
Der 1. Mai 1816 war sein sonniger Frühlingstag. An diesem Tag wurde das Land Salzburg im Rahmen eines Festakts durch das bayerische Königsreich an das Kaiserreich Österreich übergeben. Diesem Tag waren viele Jahre an Kriegen, Plünderungen und wechselnden Herrschern über das Land Salzburg vorausgegangen.
Im Juni 1816 besuchte der neue Herrscher, Kaiser Franz I./II. von Österreich (1768-1835), für rund eine Woche, das neu erworbene Salzburger Land. Neben Ausflügen und Festen wurde ab 13. Juni 1816 auch ein „Huldigungs-Freischießen“ auf dem Schießplatz der Stadt Salzburg abgehalten. Die Bestplatzierten erhielten Geldpreise, Gedenkmünzen, aber auch Fahnen gab es zu gewinnen. Die Geldpreise wurden in kleinen Seidenbeuteln übergeben.
Einer dieser Seidenbeutel gelangte im Jahr 1907 ins damalige Städtische Museum Carolino Augusteum, dem heutigen Salzburg Museum.
Der Schießplatz lag damals vor dem Mirabelltor – einem Stadttor, das am Beginn der heutigen Rainerstraße gelegen war. Die Schießstätte wurde im Oktober 1858 im Zuge des Bahnhofsbaus aufgelassen und das Mirabelltor musste wenige Jahre später (1862) der Stadterweiterung weichen.
Schon Tage vor dem Wettschießen wurde im Salzburger Intelligenzblatt (vom 3. Juni 1816) über das Wettschießen wie folgt informiert:
„Am Tag der Huldigung, also am 12. Juni d. J., beginnt in Gemäßheit der allergnädigsten Willensmeinung dahier zu Salzburg ein Freischießen, bei welchem das allerhöchste Aerarium alle auf das Schießen selbst Bezug habende Auslagen übernehmen wird, und wobei Se. k. k. Majestät für die sogenannten Besten einen Betrag von 3000 fl. festgesetzt haben. Hierüber wird zwar von der hiesigen Schützengilde ein eigenes umständliches Einladungsschreiben ausgehen; jedoch wird hiermit allgemein bekannt gemacht, daß nach der allerhöchsten Gesinnung Sr. k. k. Majestät an diesem Freischießen nur die Insaßen der durch den Staatsvertrag vom 14. April d. J. wieder zu Oesterreich zurück gekehrten Distrikte, folglich aus dem Herzogthum Salzburg mit dem Ziller- und Brixenthal, aus dem Innviertel, aus dem Gerichte Vils Theil zu nehmen haben. Die Land- und Herrschafts-Gerichte haben deßhalb den sich meldenden Schützen unentgeltlich Certifikate über ihre Heimath auszustellen.“
Es war nachmittags um drei Uhr als Kaiser Franz I./II. am 13. Juni 1816 von seiner Unterkunft im Schloss Mirabell durch ein Spalier der Bürgergarde zum Schießstand fuhr und das feierliche Schützenfest eröffnete. Der Kaiser selbst gab vier Schüsse auf die Hauptscheibe und einen Schuss auf die Schleckerscheibe ab. Das Schützenfest sollte bis zum 22. Juni abends um 7 Uhr andauern – doch da war Kaiser Franz bereits wieder abgereist.
Bei diesem Schießwettbewerb wurden von Kaiser Franz 3.000 Gulden Conventionsmünzen (=fl. C.Mz.) ausgelobt. Der Zusatz „Conventionsmünzen“ sollte die neue Währung kennzeichnen, die 1811 – nach dem österreichischen Staatsbankrott – eingeführt worden war. Zusätzlich zu diesem Preisgeld wurden vom Kaiser für die sechs Erstgereihten in jedem der Schießwettbewerbe weitere goldene Gedenkmedaillen gestiftet. Diese Medaillen waren extra für diesen Anlass vom k. k. Hauptmünzamt in Wien geprägt worden und hatten den Wert von 20, 10, 6 und 3 Dukaten. Pro Nennwert wurden drei Münzen, in Summe somit 12 Stück angefertigt. Die Bezeichnung „Dukaten“ bedeutet, dass es sich bei diesen Medaillen um Goldmünzen handelte.
Auf einer Seite der Medaille waren ein seitliches Brustbild von Kaiser Franz von Österreich mit Lorbeerkranz sowie die Umschrift „Franz, Kaiser von Oesterreich“ abgebildet. Auf der anderen Seite war eine Schießscheibe, dahinter zwei gekreuzte Gewehre und darüber ein schwebender k. k. Adler geprägt, um diese herum stand die Schrift „Kaiserlich Freyschiessen zu Salzburg. den XIII. Iuni MDCCCXVI“ zu lesen.
Bis zum Ende des 2. Weltkriegs besaß das Salzburg Museum jeweils eine der 20 und 10 Dukatenstücke die an die Schützen als Andenken verteilt wurden. Die beiden Münzen wurden in den Stollen des Salzbergwerks am Dürrnberg verwahrt. Nach Kriegsende wurden sie allerdings gestohlen und sind seither nicht wieder aufgetaucht. Seither besitzt das Salzburg Museum von dieser Medaille nur einen Abguss (=Galvano).
Der Wettbewerb wurde in zwei Wertungen durchgeführt:
„Auf dem Haupte“ (=auf der Bestscheibe) Beim Schießen auf die Hauptscheibe hatte jeder Schütze üblicherweise vier Schüsse zu absolvieren. Jeder Schuss war für eine bestimmte Summe zu kaufen – oft konnte noch ein zusätzlicher Schuss, sofern die Scheibe verfehlt wurde, nachgekauft („Leggeld“) werden. Die Einnahmen aus diesen Schüssen wurden des Öftern für karitative Zwecke gewidmet.
Gezählt wurden dann alle erzielten Punkte. Beim kaiserlichen Freischießen 1816 wurden vier Schüsse pro Schützen zugelassen. Pro Schützen wurde ein Startgeld von 8 Gulden eingehoben – hinzu kam noch eine Standgebühr von 6 Kreuzer. 8 Gulden und 6 Kreuzer waren damals eine beträchtliche Geldsumme. Im Juni 1816 kostete eine bayrische Maß Sommerbier in der Stadt Salzburg 6 Kreuzer und 1 Pfennig und um 8 Gulden hätte man gar fast 27 Kilo Rindfleisch kaufen können! So verwundert es nicht, dass nur 144 Mal von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde um weitere 2 Gulden einen Schuss nachzukaufen.
Aufgrund der kaiserlichen Geldspende und den Startgebühren konnte unter den Schützen auf die Hauptscheibe, die enorme Summe von 9.024 Gulden verteilt werden.
Endergebnis:
1. Franz Krieger, Bauer des Gut Schmidegg in (Pfarr)Werfen (Preisgeld: 300 fl. + 20 Dukaten)
2. Joseph Thanner, Turnermeister aus Hallein (Preisgeld: 250 fl. + 20 Dukaten)
3. Andreas Franz Gorian, Handelsmann aus Salzburg (Preisgeld: 200 fl. + 10 Dukaten)
„Auf dem Schlecker“ (=Schlecker- oder Glücks-Scheibe; später: Invention) Bei diesem Wettbewerb zählt ein Schuss nur dann als Treffer, wenn er genau ins Zentrum der Scheibe trifft. Meist wurde die Anzahl der erlaubten Schüsse auch hier begrenzt. Ein Schuss in der Schleckerwertung rief jedoch meist nur einen Bruchteil der Kosten hervor, die ein Schuss in der Wertung „Auf dem Haupte“ verursachte. So war es auch dieses Mal: 20 Kreuzer kostete ein Schuss, was die bei diesem Wettbewerb angetretenen Schützen veranlasste 5.870 Schüsse während des neuntägigen Wettkampfs abzugeben. Trotz dieser enormen Anzahl an Schüssen konnte „nur“ ein Preisgeld von 2.856 Gulden unter den glücklichen Gewinnern verteilt werden.
Endergebnis:
1. Anton Hintner, Kaufmannssohn aus Hallein (Preisgeld: 120 fl. + 20 Dukaten)
2. Bartholomäus Griesenauer, k. k. Polizei-Offiziant Salzburg (Preisgeld: 90 fl. + 6 Dukaten)
3. Andrä Roßwinkler aus Neukirchen an der Enknach/Braunau (Preisgeld: 85 fl. + 6 Dukaten)
Großer Trubel und viele Preise Unter den 868 anwesenden Schützen wurden viele Preise verteilt: Insgesamt zahlten die Schützen selbst 7.310 Gulden 42 Kreuzer C.Mz. in die Wettbewerbsbörse alleine für die Hauptscheibe ein. Mit der vom Kaiser gestifteten Summe von 2.000 Gulden wurden, nach Abzug der Spesen, 9.024 Gulden unter den 1.759 Gewinnern der Kategorie „Auf dem Haupte“ verteilt.
Nachdem das Freischießen am 22. Juni 1816 zu Ende gegangen war, wurden die Ergebnisse ausgewertet. Am 24. Juni wurde die Siegerehrung mit Pauken und Trompeten sowie Böllerschüssen begangen. Nach dem Festakt zog die versammelte Menge zur Wohnung von Hofkommissär Bernhard Gottlieb Freiherr von Hingenau, und ließ den Kaiser hochleben.
Doch damit waren die Feierlichkeiten noch nicht zu Ende: Am 14. Juli traf man sich erneut und dieses Mal wurden die von Kaiser Franz gestifteten Gedenkmünzen an die Gewinner verteilt.
Der Sieger, Franz Krieger, ein Bauer zu Schmidegg (Gemeinde Werfen) erhielt 300 Gulden sowie eine prachtvolle Fahne und eine Zinnmedaille in die sein Name eingraviert wurde.
Für die Kategorie „Auf dem Schlecker“ hatte der Kaiser 1.000 Gulden spendiert. Darüber hinaus wurden in beiden Kategorien auch Fahnen an die Sieger verteilt, die ebenfalls Kaiser Franz gespendet hatte. In der Kategorie „Auf dem Schlecker“ wurden 2.785 Preise verteilt. Der 17. Platz erhielt den hier abgebildeten Seidenbeutel. Gewinner dieses Beutels war ein gewisser Balthaser Berger aus Vorderreinbach in St. Johann im Pongau. 18 Gulden waren damals in seinem Beutel als Gewinn!
Der vollständigkeitshalber sei erwähnt, dass nicht nur in der Stadt Salzburg, sondern auch z. B. in Zell am See aus Anlass der Übertragung des Landes Salzburgs an Österreich ein Schießwettbewerb abgehalten wurde. Freilich nahmen an keinem dieser Bewerbe so viele Schützen wie an jenem in der Stadt Salzburg teil.
Wahrhafte Darstellung der mißlichen Lage der Stadt Salzburg und ihrer Bewohner in einer Einlage an ihren Stadtmagistrat
Jahresschrift 1955 des Salzburger Museum Carolino Augusteum Pichler, Georg Abdon: Salzburg’s Landes-Geschichte
Resultat des von Seiner Majestät, unserem allergnädigsten Kaiser und Landesvater Franz des Ersten ec. ec. (…) gegebenen großen Erbhuldigungs-Freischießens, 1816
Salzburger Zeitung, 1816
Schallhammer, Anton Ritter von: Geschichte des k.k. Hauptschießstands zu Salzburg und des Schützenwesens im Herzogthum Salzburg vom Mittelalter bis auf unsere Tage
Süß, Maria Vinzenz: Die Bürgermeister in Salzburg von 1433 bis 1840
I. Wahrhafte Darstellung der mißlichen Lage der Stadt Salzburg und ihrer Bewohner in einer Einlage an ihren Stadtmagistrat II. Einlaage des salzburgischen Municipialrathes an Seiner Majestaet dem Kaiser Franz. Als Begleitschrift zur vorigen Beylage Nr. I.
1816 wurde Salzburg Teil des Erzherzogtums Österreich ob der Enns und damit Teil der habsburgischen Monarchie. Aller patriotischen Propaganda zum Trotz war die materielle und soziale Lage der Bevölkerung trist. Das Jahr ohne Sommer, Missernten und Hunger prägten den Alltag. Beschwerdeschriften der Bevölkerung und des Munizipialrates der Stadt Salzburg schildern die verzweifelte Lage.
Als Salzburger Bürger und der Munizipialrat der Stadt Salzburg im November 1816 einen eindringlichen Hilfsappell an Kaiser Franz I. richteten, war Salzburg gerade einmal ein halbes Jahr Teil der österreichischen Monarchie.
Die Bewohner/innen der Stadt Salzburg hatten in den letzten eineinhalb Dezennien drei Mal eine militärische Besetzung durch die Franzosen erfahren und fünf Mal einen Regierungswechsel erlebt. Der letzte regierende Erzbischof hatte 1800 fluchtartig das Land verlassen, nicht ohne vorher die Kassen geplündert zu haben. Die Säkularisierung und die Rangerhöhung zu einem Kurfürstentum 1803 blieben leere Titel. Mit der ersten Angliederung an Österreich, 1805, büßte Salzburg seine Eigenstaatlichkeit ein. In der kurzen französischen Periode 1809/10 wurde das Land bis zum Letzten ausgepresst. Unter bayerischer Herrschaft verlor Salzburg vollends seine Selbständigkeit und ging in der übergeordneten Verwaltungseinheit des Salzachkreises auf. Die Stadt Salzburg wurde aber immerhin dessen Hauptstadt und Ort der Hofhaltung von Kronprinz Ludwig. Die Bayerische Konstitution von 1808, ein erstes verfassungsrechtliches Regelwerk, das modernen Prinzipien der Staatsgestaltung folgte, galt nun auch in Salzburg. Damit wurde aber auch die, auf ständischer Grundlage basierende, Landschaft als Repräsentationsorgan Salzburgs aufgehoben.
Die endgültige Eingliederung Salzburgs in Österreich am 1. Mai 1816 besiegelte den Abstieg Salzburgs in die Provinzialität. Salzburg sah sich als Teil des Erzherzogtums Ob der Enns und die Stadt lediglich als Sitz eines Kreisamtes wieder.
Plünderung, Einquartierung, die Zahlung von Kontributionen und die Requirierung von Vieh, Viktualien und Bedarfsgütern für die Armeen hatten Stadt und Land ruiniert und der Verlust der Residenzfunktion brachte herbe Einbußen für das Erwerbsleben.
Die Bürgerschaft wähnte sich daher berechtigt, „ihre gerechte Beschwerde … vor den Thron unseres erhabenen Monarchen zu bringen“. In den „harten Kriegsperioden“ hätte sie die „ungeheuersten Opfer“ gebracht, aber der persönliche Aufenthalt des Kaisers in der Stadt im Sommer hätte die „Hoffnung zur seeligsten Zuversicht“ gesteigert, eine Hoffnung, die täuschte. Neue direkte und indirekte Steuern belasteten das ohnehin devastierte Gewerbe, dafür waren Guthaben beim Staat nicht einbringbar. Der Großhandel sei erloschen, klagten die Bürger, „alle Kaufmannsläden leer“ und die „Handwerksstätten verödet. Über „hundert Familien gut besoldeter Beamten“ seien abgezogen, „kein Hof – keine Regierung – keine Universität“, „nicht der geringste Ersatz“. Die allgemeine „Verödung“ ließe „auf den Plätzen das Gras wachsen“.
Der Ausbruch des Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa ein Jahr zuvor, der größte Vulkanausbruch in der Geschichte der Menschheit, hatte verheerende und folgenschwere Auswirkungen. Die durchschnittlichen Temperaturen sanken weltweit um drei Grad Celsius. Ein nasser Winter, ein schneereicher Frühling, ein feuchter und kalter Sommer, ein winterlicher Herbst und ein verfrühter Wintereinbruch vernichteten Ernten oder dezimierten die Erträge. Im Gefolge des „Jahres ohne Sommer“ kam der Hunger.
In dieser Situation wirkte sich eine Bestimmung des Münchner Vertrages für die Salzburger/innen fatal aus: die Abtretung des Rupertiwinkels, der bisherigen Kornkammer Salzburgs, an das Königreich Bayern. Die Folge war ein exorbitanter Preisanstieg, vor allem bei Getreide und Brot. Der Preis, den man für einen Laib Brot (vier Pfund, das sind etwas mehr als zwei Kilo) zahlen musste, verteuerte sich im Lauf das Jahres 1816 um mehr als das Doppelte, von 17 auf 35 Kreuzer. 1810 hatte derselbe Laib noch acht Kreuzer gekostet, zu Jahresende 1817 musste man dafür bereits 45 bezahlen.
Der Bettel nahm zu und erreichte bisher unbekannte Ausmaße. Die Stadt registrierte 1.200 „Hausarme“, beinahe zehn Prozent der Bevölkerung. Am härtesten treffe es jene „Klasse“, klagte der Munizialrat , die „von zufälligem Verdienst“ lebe, „als so viele hundert Maurer, Zimmerleute und Taglöhner“. Hätte sich diese Klasse schon bisher nur „kärglich“ ernähren können, „so bietet ihr die lange Feyerzeit des Winters alles Schrekliche menschlichen Elends“. Die Menschen hätten nur die Wahl „zwischen Hunger oder Verbrechen“, während Spekulanten, „arbeitsscheu und lüstern nach leichtem Gewinn“, „als Vorkäufer für Aerarial-Lieferanten“ das Land leer kaufen würden.
Devot und unterwürfig, aber doch bestimmt, forderte der Munizipialrat im Namen der Bürger die Etablierung einer eigenen Regierung für das Herzogtum Salzburg, dem das Innviertel angegliedert werden sollte. Er forderte die Wiedereinführung der Stände und die Wiedererrichtung der Universität. Eine „Steuerpause“ sollte das Gewerbe entlasten und staatliche Getreideimporte den Wucher einbremsen. Und der Munizialrat fragte hoffnungsvoll: „Sollte das schöne Land, die schöne Alpenstadt, die herrlichen Residenzen nicht Einen der Erlauchten Prinzen des Erzhauses zum Sitze einladen?!“
Die Wiener Regierung beanstandete jedoch die „unziemende Schreibart“ der Petition, deren „Tendenz offenbar wohl nur dahin abzielt, die gegenwärtigen Regierungsverhältnisse durch ungünstige Vergleichungen in den Schatten zu stellen.“
Jahresschrift 1955 des Salzburger Museum Carolino Augusteum Pichler, Georg Abdon: Salzburg’s Landes-Geschichte
Resultat des von Seiner Majestät, unserem allergnädigsten Kaiser und Landesvater Franz des Ersten ec. ec. (…) gegebenen großen Erbhuldigungs-Freischießens, 1816
Salzburger Zeitung, 1816
Schallhammer, Anton Ritter von: Geschichte des k.k. Hauptschießstands zu Salzburg und des Schützenwesens im Herzogthum Salzburg vom Mittelalter bis auf unsere Tage
Süß, Maria Vinzenz: Die Bürgermeister in Salzburg von 1433 bis 1840
Der königlich-bayrische Münzgraveur Johann Thomas Stettner aus Nürnberg entwarf eine Erinnerungsmedaille (auch „Hungertaler“) an die Notjahre 1816/17. Hintergrund dieser Notjahre war eine besonders dramatische Missernte im „Jahr ohne Sommer“ 1816.
Zwischen 10. und 15. April 1815 brach der Vulkan Tambora in Indonesien aus. Der Ausbruch gilt als einer der größten Vulkanausbrüche seit mehreren tausend Jahren. Durch die Explosion verlor der Berg nicht rund 1.200 Meter an Höhe, sondern alles Leben in der Umgebung des Vulkans wurde vernichtet. Der Ausbruch schleuderte tausende Tonnen von Schwefeldioxid (SO2) in die Atmosphäre. Dort bildeten sich Aerosole. In den nächsten Monaten wurden die Aerosolteilchen rund um den Erdball verteilt. Sie erzeugten einen Schleier, der die Sonneneinstrahlung verringerte. Für rund zwei Jahre blieb dieser Schleier in der Atmosphäre erhalten und führte zu einer Abkühlung der Erdoberfläche.
Auch das Land Salzburg war von den Auswirkungen des Vulkanausbruchs betroffen. Doch schon einigen zuvor Jahren (1812/14) war in Salzburg ein Gletscherwachstum zu beobachten. In dieser schon grundsätzlich kühlen Klimaperiode reduzierte der Vulkanausbruch des Tambora die Temperaturen nochmals. Das „Jahr ohne Sommer“ 1816 war die Folge: Nordamerika und viele Teile Europas waren davon betroffen.
Während es in manchen Regionen zu kalt war, war es in anderen wiederum zu trocken. Die Ernten waren schon in den Jahren davor – entweder aufgrund der Napoleonischen Kriege oder aufgrund der kühleren Klimaperiode – schlecht ausgefallen. Die daraus resultierende Lebensmittelknappheit, aber auch Lebensmittelspekulationen ließen die Getreidepreise in vielen Teilen Europas dramatisch ansteigen – so auch im Land Salzburg. In der Stadt Salzburg stiegen die Getreidepreise von 1815 bis 1817 um das Dreifache an. Aber auch die Preise für Butter und andere Lebensmittel stiegen um rund 50 Prozent!
Auf der Vorderseite (Avers) der Medaille findet sich die Umschrift: „Verzaget nicht – Gott lebet noch“. In der Mitte wird in Form einer Gleichung dargestellt: „1 Maß Bier: 8 ½ KR(euzer)“. Darüber ist eine Waage zusehen, die aus den Wolken hängt. Auf der linken Waagschale liegt ein Gewicht, darunter steht „1 lb(Pfund) 3 L(oth)“ (=612,5 Gramm). Auf der rechten Waagschale liegt ein Laib Brot und darunter steht „12 KR(euzer)“. Auf der Standlinie liegen eine Korngarbe und ein Anker als Symbol der Hoffnung. Darunter stehen die Jahreszahlen „1816 u. 1817“ sowie „L“.
Auf der Rückseite (Revers) der Medaille sieht man eine Frau auf einem Stein sitzen. Sie hält ein Kind im Arm. Vor ihr steht ein weiteres Kind und hält die Hand bittend zur Mutter. Die Umschrift auf der Medaille lautet: „O gieb mir Brod mich hungert“. Links am Fuß des Steins die Signatur: „Stettner“. Unter der Darstellung steht: „IETTON“ (=Jeton).
Diese Medaille traf sicher den Nerv der Zeit – nicht nur in Bayern –, sondern auch in Salzburg. Denn das gehandelte Getreidevolumen auf der Salzburger Schranne war so niedrig wie nie. Die Getreidepreise waren immer einem Auf und ab unterworfen. Diese Preisschwankungen hingen von den Ernteerträgen, aber auch von der politischen Situation – also ob Krieg oder Frieden herrscht – ab. Getreidetransporte über größere Distanzen waren zwar auch schon damals üblich, doch diese erhöhten – wenn kein Wasserweg zur Verfügung stand – ebenfalls die Preise dramatisch.
Während am Handelsplatz Stadt Salzburg im Zeitraum 1798 bis 1803 im jährlichen Durchschnitt 17.660 Scheffel Getreide umgesetzt wurden, stieg dieser Wert im Jahresschnitt 1804-1810 auf 19.580 Scheffel an. In den friedlichen Jahren 1811 bis 1814 stieg der Jahresumsatz dann auf 23.484 Scheffel an, ehe er 1815 auf 17.433 und 1816 auf nur mehr 16.326 Scheffel einbrach. Der Wert lag damit unter dem Durchschnitt der Jahre 1798 bis 1803! Ob die Ursache für diesen niedrigen Umschlag die hohen Preise oder das mangelnde Angebot waren lässt sich heute nur schwer sagen. Denn auch wenn die Getreidepreise erst Ende Juli 1817 ihren Höhepunkt erreichten und dann dramatisch einbrachen, stieg der Umsatz in diesem Jahr bereits wieder auf 22.042 Scheffel an. Mit einem Wert von 824.570 Gulden, war das Jahr 1817 auch das Jahr mit dem höchsten Umsatz am Salzburger Getreidemarkt in jener Zeit.
In dieser Situation hungerten viele Menschen oder ersetzten das teure Getreide in den Speisen durch die billigeren, wenn auch ungeliebte, Kartoffeln. Manche streckten das Mehl gar mit gemahlener Baumrinde!
Jahresschrift 1955 des Salzburger Museum Carolino Augusteum Pichler, Georg Abdon: Salzburg’s Landes-Geschichte
Resultat des von Seiner Majestät, unserem allergnädigsten Kaiser und Landesvater Franz des Ersten ec. ec. (…) gegebenen großen Erbhuldigungs-Freischießens, 1816
Salzburger Zeitung, 1816
Schallhammer, Anton Ritter von: Geschichte des k.k. Hauptschießstands zu Salzburg und des Schützenwesens im Herzogthum Salzburg vom Mittelalter bis auf unsere Tage
Süß, Maria Vinzenz: Die Bürgermeister in Salzburg von 1433 bis 1840
Salzburg im Biedermeiermeier, das war Salzburg im Dornröschenschlaf. Seit der endgültigen Zugehörigkeit zu Österreich war Salzburg zur Provinzstadt abgestiegen. Der Maler Johann Michael Sattler (1786-1847) malte – neben seinem bekannten Panorama der Stadt – eine Reihe von Bildern, die diese Epoche darstellen. So auch seine Ansicht der Dreifaltigkeitskirche und das Bildnis von Frau Bscheidl.
Zehn Jahre nach dem verheerenden Brand, der gerade in diesem Teil der rechtsseitigen Stadt wütete, sieht es auf Johann Michael Sattlers Bild der Dreifaltigkeitsgasse in Salzburg wieder so aus, als wäre nie etwas geschehen. Nur noch die provisorischen Zeltdächer der beiden Dreifaltigkeitskirchtürme erinnern an die Katastrophe vom 30. April 1818.
Nicht verwunden waren freilich die Folgen der Degradierung Salzburgs zur Provinzstadt, die mit der Zugehörigkeit zu Österreich (seit 1816) besiegelt wurde – auch das kann man aus dieser getreulichen Schilderung Salzburger Straßenlebens herauslesen. Der sonntäglich aufgeräumte Zustand, in den es eine säuberlich-pedantische Malweise versetzt, unterstreicht den Eindruck, dass hier alles zum Stillstand gekommen ist. Das Treiben auf einer der wichtigsten Einfallstraßen gerät zur kleinstädtischen Idylle, die sich angesichts der großmächtigen Architekturkulisse umso dürftiger ausnimmt. Aber gerade das dornröschenhafte Dahindämmern, der Kontrast zwischen einst und jetzt, zwischen Palastfassaden und verschlafener Staffage, macht den romantischen Kitzel aus, der eine neue Spezies von Besuchern in steigender Zahl nach Salzburg lockte.
Johann Michael Sattler (1786-1847) malte für den Touristen von morgen und hatte damit erstaunlich spürsinnig erkannt, wo Salzburgs Zukunftschancen lagen. Als Ergänzung zu seinem riesigen Rundgemälde von Salzburg, das ab 1829 in ganz Europa Furore machen sollte, präsentierte dieser erste Werbetrommler für Salzburgs Schönheit noch eine ganze Reihe kleinerer Bilder von solchen Motiven, die durch den Blickpunkt des Panoramas von der Festung aus verdeckt oder vernachlässigt wurden oder überhaupt außerhalb dessen Reichweite lagen.
Die Festung Hohensalzburg, die als Standort diente, wurde als Anhang zum Panorama ebenso angeboten wie der Residenzplatz und die Pferdeschwemme, außerdem Ansichten aus der weiteren Umgebung, wie Werfen, Gmunden und Berchtesgaden. Als siebte Station dieser sogenannten „optischen Zimmereise“ war die „Ansicht der Dreyfaltigkeitskirche zu Salzburg“ zu sehen.
Die „Kosmoramen“ genannten Bilder, anfangs zwölf an der Zahl, waren mehr oder weniger gleichzeitig mit dem Panorama entstanden, ihre Anzahl vergrößerte sich noch während der aufsehenerregenden Tournee der Sattler-Familie auf 32.
Damals erprobte sich auch der kaum sechszehnjährige Sohn Hubert erstmals im väterlichen Sujet. Er schuf eine stark verkleinerte, aber bis ins letzte exakte Kopie des Bildes der Dreifaltigkeitsgasse in Gouache-Technik (heute im Besitz der Residenzgalerie) und empfahl sich mit diesem Gesellenstück für das Fach des Reisemalers. Als Hubert Sattler (1817-1904) seinen mit Sehenswürdigkeiten aus allen Teilen der Welt angereicherten Bilderschatz der Stadt Salzburg 1870 zum Geschenk machte, war die Zahl der Kosmoramen auf 127 angewachsen.
Das Bild der Priesterhaus- oder Dreifaltigkeitsgasse gelangte hingegen auf anderen Wegen an das Salzburg Museum, nämlich 1885 als Vermächtnis des Kunstfreundes Kardinal Friedrich Fürst Schwarzenberg (1809-1885). Er hatte es sich zur Erinnerung an seine von 1836 bis 1850 währende Salzburger Regentschaft als Erzbischof mit nach Prag genommen.
In Sattlers Vedute verbindet sich klassizistische Konvention, wie sie seiner Schulung an der Wiener Akademie entsprach, mit einer neuen geschärften Sehweise, die vor allem am Detail haftet. Das rationale Kalkül lässt das perspektivische Gefälle etwas überzogen erscheinen, sodass der räumliche Illusionismus noch an den eines Guckkastens erinnert. Dem Lodron- oder Mitterbacherbogen (abgerissen 1891/92) unter dem der Betrachter steht, kommt dabei die Funktion eines Bühnentors zu. Warme Farbgebung und eine fast „konstruktivistische“ Qualität der Bildaufteilung schaffen den Ausgleich zur schematisch wirkenden Raumkonzeption. An die Praxis des Guckkastens gemahnt ebenso die Ankündigung des Schaustellers Sattler, dass „auch bey trüben Tagen die Bilder noch immer von der Sonne erleuchtet zu seyn scheinen“. Diesen illuministischen Effekt hat der Künstler durch die ausgesparte Dunkelzone der Bogenrahmung, die verschattete Palastfront und den über die gesamte Straßenbreite geworfenen Schlagschatten vorbereitet: nur ein relativ kleiner Bildausschnitt erscheint voll, aber umso effektvoller belichtet.
Die Sichtachsen fluchten, vor allem von der Monotonie der Fensterachsen und der Randsteine angetrieben, im „Nadelöhr“ des Sauterbogens. Dieses Gebäude hat im Gegensatz zum 1892 dem Verkehr geopferten Mitterbacherbogen sein Aussehen bis heute unverändert bewahrt. Neben dem Dachreiter der 1862 abgerissenen gotischen Andreaskirche geben die Silhouetten von Domkuppel und Festung einen zarten verschwebenden „Point de vue“ (dt. Blickpunkt) ab. Die barocke Geschlossenheit und strenge architektonische Einheit des Ensembles ist noch voll gewahrt. Auf den schon zu fürstlichen Zeiten weitgehend brachliegenden Riesenkomplex des Lodron´schen Primogeniturpalastes, der heute nur mehr als Attrappe steht (seit einem Umbau 1974 sind nur mehr die Außenmauern historisch), folgt das städtische Versatzhaus (Leihhaus), das bis 1907 die Sicht auf die Dreifaltigkeitskirche vom Marktplatz her verstellte. Als Georg Pezolt (1810-1878) circa zehn Jahre nach Sattler fast den identischen Blickwinkel für ein Blatt seiner lithographischen Ansichtsserie wählte, trugen die Türme der Dreifaltigkeitskirche bereits die gewohnten flachen Kuppelhauben. Im daran anschließenden Graf Uiberacker´schen Haus (heute: Spänglerbank, Markatplatz 6) auf Nummer 516 hatte die Malerfamilie Sattler selbst ihre Wohnung. Zum Lodron´schen Besitz gehörte auch das an der Ecke zur Bergstraße gelegene Hofwirtshaus, das als „Gasthof zum Regenbogen“ und später „Hotel zum römischen Kaiser“ (heute: Hypobank, Dreifaltigkeitsgasse 16) noch bis in unser Jahrhundert hinein zu den führenden Häusern der Stadt zählte. Daran schlossen sich damals noch ausgedehnte Gärten bis zum Loreto-Kloster an.
Für Lokal- und Zeitkolorit sorgt eine ländlich durchwachsene Statisterie, die beim auswärtigen Publikum als exotische Note besonders gefragt gewesen sein dürfte. Volkstypen wie der Salzburger Bauer, das Milchmädchen (im Mittelgrund mit dem Karren) und die Marktweiber, die ihre Naturalien auf den Stufen des Palais´ ausgebreitet haben, durften auf keinen Fall fehlen. Als etwa zur selben Zeit ein heimischer Maler – Johann Wurzer (1760-1838) – sein Bild von zwei Salzburger Marktfrauen malte, hat er seine „Modelle“ nicht unweit von hier angetroffen. Typisch biedermeierlich daran ist nicht nur die Vorliebe für das niedere Volk, sondern auch ein Übereifer am getreulichen Festhalten jeder Einzelheit, der bewusst von der bisher vorherrschenden barocken Großzügigkeit abrückt. In dieser gewissermaßen kindlichen Entdeckungsfreude keineswegs großer Meister ihres Faches entdecken wir heute die Reize wahrhaft naiver Kunstwerke.
Die nach neuester Mode mit Goldhauben geschmückten Bürgerinnen, der Bürgergardist und die dem Priesterhaus zu- und entströmenden Alumnen gehören ebenso zum damaligen Straßenbild wie das rechts vorne am Treppensatz kauernde Bettelweib. Wenn sich Sattler junior in seiner Wiederholung des Bildes eine einzige Freiheit erlaubt hat, so war es die, die Vettel (=ungepflegte alte Frau) durch eine blühende junge Mutter auszutauschen. Ganz vorne ziehen zwei „Betschwestern“ die Aufmerksamkeit auf sich. Vater Sattler unterstrich die Authentizität seines Bildes, wenn er in ihm zwei bejahrte Einwohnerinnen konterfeite, von denen wir die linke sogar namentlich kennen. Die obere Partie ist identisch mit dem Portrait einer gewissen Frau Bscheidl (eventuell aus der gleichnamigen Fleischhackerfamilie, wohnhaft in der Linzergasse), das Sattler 1826 gemalt hat und das sich heute ebenfalls im Salzburg Museum befindet.
Man darf nicht vergessen, dass der Architekturmaler Sattler, als er sich 1819 in Salzburg niederließ, zunächst als Altarbildmaler (für die 1818 ausgebrannte Sebastianskirche) und Porträtist reüssierte. Letztere Domäne war ihm nach dem Tod von Franz Xaver Hornöck (1751-1822) und dem Weggang von Barbara Krafft (1821) zugefallen. Immerhin saß ihm sogar Kaiser Franz I. bei seinem neuntägigen Aufenthalt 1821 in der Residenz als Porträt Modell, eine Gelegenheit, bei der die Idee zum Salzburg-Panorama geboren worden sein soll.
Als Porträtist gehört Sattler zu jener Generation, die auch die letzten spätbarocken Verbindlichkeiten mit ihrer nahezu unbarmherzigen Sachlichkeit ausmerzte. Dieser schonungslose Wille zur physiognomischen Wahrhaftigkeit machte auch vor dem Alter nicht halt. Mit derselben gleichmäßigen Genauigkeit werden Feinheiten und Fältelungen des Gewandes wie des Gesichts behandelt. Nicht der leiseste Anflug mildernden seelischen Ausdrucks lenkt von der nackten Objektivität der Züge ab – daher die bohrende Starrheit, daher aber auch eine Intensität und ohne äußerliche Hilfsmittel auskommende Würde der Erscheinung, wie sie in der an Zugeständnissen und Eitelkeiten reichen Geschichte der Porträtkunst selten ist. Darüber hinaus gilt dieses Altfrauenbild als ein Musterbeispiel dafür, wie die traditionelle Salzburger Bürgertracht ausgesehen hat. Die schwarze Berghaube mit dem seitlich hervorragenden Ohrenspitzen, schwarzes Halstuch und ausladender rechteckiger Spitzenkragen sowie Flossenärmel kleiden Frau Bscheidl noch ganz streng in der Art des 18. Jahrhunderts. Als Ganzfigur zeigt sie auch den an der Kette hängenden Besteckköcher.
Vom gemächlichen Straßenbild, dessen Reize Sattler auskostet, zu Depression und Verfall war es nur ein Schritt im biedermeierlichen Salzburg. Nicht nur mit seinem großen Panorama, auch mit den kleinen Stadtansichten gibt Sattler ein Dokument barocker Unversehrtheit am Vorabend der industriellen Revolution – die Salzburg noch eine ziemlich lange Schonfrist gewähren sollte. Das herbstlich vergoldete Licht verklärt eine schon sehr nüchtern erfasste Szenerie zur Elegie auf Salzburgs große Vergangenheit.
Jahresschrift 1955 des Salzburger Museum Carolino Augusteum Pichler, Georg Abdon: Salzburg’s Landes-Geschichte
Resultat des von Seiner Majestät, unserem allergnädigsten Kaiser und Landesvater Franz des Ersten ec. ec. (…) gegebenen großen Erbhuldigungs-Freischießens, 1816
Salzburger Zeitung, 1816
Schallhammer, Anton Ritter von: Geschichte des k.k. Hauptschießstands zu Salzburg und des Schützenwesens im Herzogthum Salzburg vom Mittelalter bis auf unsere Tage
Süß, Maria Vinzenz: Die Bürgermeister in Salzburg von 1433 bis 1840
Bei der „Konvention zwischen Bayern und Österreich über die beiderseitigen Salinenverhältnisse vom 18. März 1829“ handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen dem Kaisertum Österreich und dem Königreich Bayern. Darin wurden im Wesentlichen die Eigentumsverhältnisse der bayerischen Waldbesitzungen im Pinzgau (Saalforste) und die österreichischen Salzabbaurechte auf der bayerischen Seite des Dürrnberges geregelt. Die sogenannte „Salinenkonvention“ wurde im Jahr 1957 durch die Republik Österreich und den Freistaat Bayern novelliert und besitzt bis heute Gültigkeit. Sie ist somit auch der älteste noch gültige Staatsvertrag Europas.[1]
In gewisser Hinsicht ist die Salinenkonvention die Kulmination der vielfältigen Rechtsvereinbarungen die zur Regelung der bis weit ins Mittelalter zurückreichenden und nur selten konfliktfreien Beziehungen zwischen Salzburg, der Fürstpropstei Berchtesgaden und Bayern um die Nutzung der Wälder im Pinzgau geschlossen worden waren. Die Konflikte rund um den Salzabbau und die Wälder im Pinzgau resultierten aus der besonderen wirtschaftlichen – und damit auch machtpolitischen Bedeutung – die dieser Grundstoffindustrie bis in das späte 19. Jahrhundert hinein innewohnte. Zu Recht hat bereits Friederike Zaisberger darauf hingewiesen, dass sich die Komplexität der Konfliktmaterie aus dem Umstand ergab, dass es sich dabei nicht „nur“ um ein salzburgisch-bayerisches Problem handelte, sondern um ein Gemenge von verschiedenen Besitzinteressen.[2]
Seit dem frühen Mittelalter nahm der Stellenwert des Salzabbaus und des Salzhandels einen hohen, ja geradezu prägenden Einfluss auf die Wirtschaftsstruktur des salzburgisch-bayerischen Grenzraumes entlang der Salzach und Saalach ein. Da der wirtschaftliche Raum aber nicht deckungsgleich war mit dem politischen, resultieren daraus Raum- und Verteilungskonflikte um den Rohstoff Holz, der zur Energieversorgung der Saline in Reichenhall benötigt wurde. Diese Konflikte erforderten daher eines hohen Regelungsbedarf. Die Notwendigkeit dafür resultierte aus einer Schenkung von 20 Salzsieden die Herzog Theodor bereits im 8. Jahrhundert dem Stift Salzburg machte. Insgesamt 19 weitere ergingen an das Kloster Nonnberg. Weitere Anteilsbesitzer des Reichenhaller Sudwesens waren später andere Klöster, aber auch Private, die zu ihren Pfannen dazugehörige Waldgebiete im Saalachtal miterhielten.[3] Diese Anteile wurden in der Folge seit dem 13. Jahrhundert von den Bayernherzögen wieder eingelöst. Als im Jahr 1228 die beiden Grafschaften im Pinzgau durch Herzog Ludwig dem Reich „aufgesendet“ wurden und Erzbischof Eberhard II. von Salzburg vom Kaiser mit diesen belehnt wurde, errangen die Salzburger Erzbischöfe damit die Territorialherrschaft auch über das Saalachtal. Damit verbunden war, dass Bayern schließlich die Salzburger Landeshoheit anerkennen und die Holzgewinnung in den dortigen Wäldern versteuern musste. Das bedeutete in der Konsequenz, dass die Energieversorgung der Saline in Reichenhall, die den Großteil ihres Holzbedarfs aus den Pinzgauer Wäldern bezog, nunmehr im Ausland lag. Wie nicht anders zu erwarten kam es in der Folge zu häufigen Nutzungskonflikten, nicht zuletzt durch die lokale Nutzungen durch Salzburger Bauern in den für die Saline in Berchtesgaden gewidmeten Wäldern. Ein erster vertraglicher Regelungsversuch war ein im Jahr 1412 zwischen Salzburg und Bayern abgeschlossener Vertrag, der unter anderem festlegte, dass die Wälder von einer beiderseitigen Kommission unter Beiziehung von Anrainern begangen, die Grenzmarken überprüft, und Missstände aufgezeigt und abgestellt werden sollten.[4] Die weiter anhaltenden Nutzungskonflikte führten rund ein Jahrhundert später zum Vertrag von Mühldorf von 1525, in dem Bayern seinen Zugriff auf die Salinenwälder sicherstellen konnte, die Salzburger Forsthoheit aber anerkennen musste. Umstritten blieb aber, ob der Vertrag Bayern nur ein unbefristetes Nutzungsrecht oder aber ein tatsächliches Eigentumsrecht zusprach.[5]
Der Salinenhauptvertrag von 1781 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts unternahmen Salzburg und Bayern einen Versuch die immer wieder auftretenden Konflikte um die Waldbesitzungen einer endgültigen Lösung zuzuführen. Das Ergebnis dieser Bemühungen war der sogenannte „Salinen-Hauptvertrag“[6], der vom letzten regierenden Salzburger Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1732-1812, Regierungszeit 1772-1803) und Kurfürst Carl Theodor von Pfalz-Bayern (1724-1799, Regierungszeit 1777-1799) am 4.2.1781 in München unterzeichnet wurde. In diesem Vertrag wurde die alte Garantie des Reichenhaller Holzbezugs aus den Wäldern im Pinzgau bestätigt. Aber die wenige Jahre danach eintretenden Entwicklungen im Gefolge der französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen veränderten die politische Landschaft erheblich und führten in der Folge zum Verlust der Selbstständigkeit Salzburgs, womit die Wirksamkeit des Vertrages endete.[7]
Die Salinenkonvention von 1829 Nach mehrmaligem Herrschaftswechsel kam nach dem Ende der napoleonischen Kriege das nunmehr verkleinerte Salzburg im Zuge der Regelungen des Wiener Kongresses am 1.5.1816 endgültig zum österreichischen Kaiserreich, während Berchtesgaden und der Rupertiwinkel bei Bayern verblieben. Dies hatte auch unmittelbare Auswirkungen auf die Beziehungen zu Bayern, denn der österreichische Staat betrachtete eine weitere Holzgewinnung aus dem Saalachtal für die Saline in Reichenhall als nicht mit seinen Interessen im Einklang stehend und untersagte diese. Es kam daher zu langwierigen Verhandlungen in deren Zuge die bayerische Seite als Gegenstrategie erstmals eine Verbindung zwischen dem nunmehr österreichischen Salzbergbau auf der bayerischen Seite des Dürrnbergs und den bayerischen Besitzansprüchen auf die Saalforste im Pinzgau herstellte. Zunächst dachte man daran das Problem durch einen Gebietstausch zu lösen. Daher wurde 1822 auf Antrag Bayerns durch den österreichischen Generalquartiermeisterstab ein Plan für gegenseitige Tauschgebiete ausgearbeitet, der allerdings beide Seiten nicht zufriedenstellte.[8] Zu einem Durchbruch in den langwierigen Verhandlungen kam es schließlich mit der Einsetzung einer Expertenkommission unter dem k.k. Hofrat Franz Panzenberger auf österreichischer und Ministerialrat Thomas Knorr auf bayerischer Seite.[9] Der von den beiden ausgearbeitete Entwurf der Konfliktregelung mündete in die Salinenkonvention von 1829.
In dieser „Konvention zwischen Bayern und Österreich über die beiderseitigen Salinenverhältnisse vom 18. März 1829“, so der offizielle Titel, regelten die beiden Vertragspartner in sechs Abschnitten die strittigen Fragen. Österreich anerkannte die Besitzrechte an den im Grundbuch der Krone Bayerns eingetragenen und zur Saline in Reichenhall gehörenden Wäldern und gestattete die Holzausfuhr zu der seit 1619 bestehenden Saline Traunstein. Die Saalforste wurden damit „als volles unwiderrufliches Grundeigentum für ewige Zeiten Steuer- und Abgabefrey, jedoch unter k.k. oesterreichischer Souveränität“ dem bayerischen Staat zugesprochen.[10]
Eine Reihe von Waldungen im Glemm- und im Leogangtal sowie in Lofer der Hundfuß und der ehemals berchtesgadnische Zinswald Struppberg wurden als österreichische Saalforste ausgeschieden und an Österreich abgetreten.[11] Die Nutzungsrechte der Salzburger Bauern in den Saalforsten wurden anerkannt und zwischen 1829 und 1932 in der Folge Liquidationsprotokolle über die Holzbezugs- und Weiderechte angelegt. Im dritten Vertragsabschnitt wurde vereinbart, dass Österreich auf einem genau definierten Grubenfeld auf dem Dürrnberg auf bayerischem Gebiet, unbeschränkt und abgabefrei, jedoch unter bayerischer Souveränität Salz abbauen dürfe.[12]
Die Salinenkonvention stellte damit eine endgültige Klärung der jahrhundertelangen Auseinandersetzungen um die Rohstoffe in diesem Grenzgebiet dar. Zu Recht hebt Fritz Koller das rechtspragmatische Verständnis hervor, dass diesem Vertrag zu Grunde liegt, wenn er feststellt: „In einer Zeit, in der die Staatskunst die Schaffung eines souveränen, von allen fremden Rechten freien Staates als Maxime formulierte, gestanden Bayern und Österreich im Pinzgau und am Dürrnberg dem jeweiligen Nachbarn solche Rechte zu.“[13]
Die Salinenkonvention blieb über alle folgenden staatsrechtlichen Veränderungen der Jahre 1871 (Gründung des Deutschen Reiches) und 1918 (Ausrufung der Republik im Deutschen Reich, Zerfall der Habsburgermonarchie und Gründung der Republik Österreich) bis zum Jahr 1938 in Kraft. Zwar gab es verschiedene Versuche von Salzburger Seite die Salinenkonvention zu novellieren, denen allerdings kein Erfolg beschieden war.[14]
Nach dem „Anschluß“ im Jahr 1938 wurden alle zwischenstaatlichen Regelungen als obsolet erklärt.
Die Novellierung der Salinenkonvention 1957 Nach Ende des Zweiten Weltkrieges stellten die Alliierten die Saalforste als sogenanntes „Deutsches Eigentum“ in Österreich unter „property control“ und unterstellten es treuhänderisch österreichischen Stellen zur Verwaltung. Österreich verweigerte daher in den Nachkriegsjahren die Anwendung der Salinenkonvention. Nach Abschluss des Staatsvertrages im Jahr 1955 begannen schließlich Verhandlungen um eine Neuordnung der alten Salinenkonvention, die am 24.3.1957 im Münchner Abkommen zu einem erfolgreichen Abschluss kamen. Das Abkommen, das am 8. Juli 1958 in Kraft trat, erneuerte die Salinenkonvention von 1829 und definierte einige Anpassungen im Hinblick auf die Nutzungsrechte. So verpflichteten sich die beiden Vertragspartner unter anderem die jeweils geltenden Jagd- und Forstrechte im von ihnen genutzten Gebiet zu respektieren. Weiters wurde das auf bayerischem Gebiet liegende Grubenfeld auf dem Dürrnberg ausgeweitet.
Bemerkenswert ist, dass diese Verhandlungen noch eine zweite, innerdeutsche Ebene, bei der es um den außenpolitischen Handlungsspielraum Bayerns als Teilstaat der Bundesrepublik Deutschland ging, beinhaltete. Die bayerische Staatsregierung versuchte dabei – im Konflikt mit der deutschen Bundesregierung in Bonn – durch die Novellierung des alten, aus der Zeit des souveränen bayerischen Königreiches stammenden Vertrages, die Kontinuität der bayerischen Staatlichkeit zu demonstrieren und damit die außenpolitische Handlungsfähigkeit des Freistaates zu demonstrieren.[15]
Die in früheren Jahrhunderten so dominanten Aspekte des Salzabbaus und der Energieversorgung spielen heute keine Rolle mehr. Die Reichenhaller Saline stellte bereits um 1900 auf Kohlefeuerung um, und der Salzbergbau auf dem Dürrnberg wurde Ende Juli 1989 eingestellt. Der Standort war nicht mehr rentabel, die Technik veraltet und das Monopol stand vor dem Aus. Die Österreichische Salinen AG zog daraus die Konsequenzen und beendete den Betrieb. Dessen ungeachtet sind die Bestimmungen der Salinenkonvention nach wie vor in Kraft. Der Freistaat Bayern besitzt in Form der Salinenwälder rund 18.500 Hektar Gesamtfläche im Pinzgau, die von den Bayerischen Staatsforsten in fünf Forstbezirken (Falleck, Leogang, St. Martin bei Lofer, Unken 1 und Unken 2) verwaltet werden. Bewirtschaftet werden die Saalforste seit der bayerischen Forstverwaltungsreform von 2005 durch den Forstbetrieb in St. Martin bei Lofer.
[1] Vgl. Peter Putzer, Die Salinenkonvention von 1829. Europas ältester noch gültiger völkerrechtlicher Vertrag. Vorgeschichte, Entstehung, Weiterentwicklung, aktuelle Rechtsprobleme. In: Estudios de historia del derecho Europeo. Homenaje al Profesor G. Matinez Diez. – Vol.2., Madrid 1994, S. [125]-142. Der Staatsvertrag ist nicht zu verwechseln mit einem diplomatischen Bündnisvertrag. Dementsprechend ist der älteste noch gültige Bündnisvertrag in Europa der im Jahr 1389 geschlossene und nie aufgekündigte „Vertrag von Windsor“ zwischen Portugal und England. Vgl. Jürgen Matz, Die 1000 wichtigsten Daten der Weltgeschichte. München 2000, S. 52. [2] Vgl. Friederike Zaisberger, Die Salinenkonvention. In: 150 Jahre Salinenkonvention Bayern-Österreich. Bayerische Saalforste im Salzburger Land (Sonderdruck der Allgemeinen Forstzeitschrift Nr. 22/1979). München 1979, S. 589-591, S. 589. [3] Vgl. Zaisberger, Salinenkonvention (wie Anm. 2), S. 589. [4] Vgl. Ebd. [5] Vgl. Alexander Wegmaier, Außenpolitik im Föderalismus. Die bayerisch-österreichische Salinenkonvention von 1957. (Forschungen zur Landes- und Regionalgeschichte, 12). St. Ottilien 2011, S. 22. [6] Haupt-Vertrag zwischen Carl Theodor von Pfalz-Bayern und dem Erzbischof Hieronymus von Salzburg, den Verschleiß des halleinischen Salzes betreffend, München den 4. Februar 1781. In: Carl Maria von Aretin (Hrsg.), Chronologisches Verzeichnis der bayerischen Staats-Verträge vom Tode Herzogs Georgs des Reichen (1503) bis zum Frankfurter Territorial-Recess (1819). Nebst einer Sammlung von 94 bisher ungedruckten Recessen, Conventionen, Protokollen und anderen in gleiche Kategorie gehörenden Urkunden. Passau 1838, S. 436-475. [7] Vgl. Zaisberger, Salinenkonvention (wie Anm. 2), S. 589. [8] Vgl. Zaisberger, Salinenvertrag (wie Anm. 2), S. 590, sowie Wegmaier, Außenpolitik (wie Anm. 5), S. 23-24. [9] Zur Arbeit der Expertenkommission siehe den Beitrag von Hans Kroczek, Zur Geschichte der Saalforste und der Salinenkonvention, 2. Teil. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 105. Salzburg 1965, S. 259-375. [10] Wegmaier, Außenpolitik (wie Anm. 5), S. 24. [11] Vgl. Zaisberg, Salinenvertrag (wie Anm. 2), S. 591. [12] Vgl. Wegmaier, Außenpolitik (wie Anm. 5), S. 25. [13] Fitz Koller, Kurze Geschichte der Saalforste bis zur Salinenkonvention 1829. In: Saalforste. Bayerns Wälder in Österreich. Hrsg. von den Bayerischen Staatsforsten Forstbetrieb St. Martin bei Lofer. Waging 2013, S. 9.-31, S. 30. [14] Vgl. Alfred Höck, Begrenzte Ressourcen. Salzburg und die Bayerischen Saalforste im Spannungsfeld der Zwischenkriegszeit. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Jg. 154/155 (2014/2015), S. 571-598. [15] Siehe hierzu ausführlich die Arbeit von Wegmaier (wie Anm. 5).
Sanctus aus Franz Xaver Gruber (1787–1863), Deutsche Landmesse, C-Dur
Jahresschrift 1955 des Salzburger Museum Carolino Augusteum Pichler, Georg Abdon: Salzburg’s Landes-Geschichte
Resultat des von Seiner Majestät, unserem allergnädigsten Kaiser und Landesvater Franz des Ersten ec. ec. (…) gegebenen großen Erbhuldigungs-Freischießens, 1816
Salzburger Zeitung, 1816
Schallhammer, Anton Ritter von: Geschichte des k.k. Hauptschießstands zu Salzburg und des Schützenwesens im Herzogthum Salzburg vom Mittelalter bis auf unsere Tage
Süß, Maria Vinzenz: Die Bürgermeister in Salzburg von 1433 bis 1840
Im Frühjahr 2012 konnte in einem Salzburger Antiquariat ein Stoß Kirchenmusik aus dem 19. Jahrhundert aus der Pfarre Wagrain für das Archiv der Erzdiözese erworben werden. Bei näherer Durchsicht stellte sich heraus, dass sich darin neben zahlreichen Kirchenmusikalien aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts drei Autographen von Franz Xaver Gruber (1787–1863), die der mündlichen Überlieferung zufolge aus dem Besitz von Joseph Mohr stammen sollen, befanden. Während zwei der autograph überlieferten Werke im Gruber-Werkverzeichnis bereits nachgewiesen sind, stellt die vorliegende Deutsche Landmesse einen Neufund dar.
Joseph Mohr wurde am 11. Dezember 1792 als drittes uneheliches Kind der Strickerin Anna Schoiber in Salzburg geboren. Dank der Unterstützung des Domchorvikars Johann Nepomuk Hiernle besuchte er zunächst das Gymnasium in Salzburg, dann in Kremsmünster und trat 1811 ins Priesterseminar ein. Nach Abschluss seines Theologiestudiums erhielt er am 21. August 1815 die Priesterweihe. Nach Anstellungen in Ramsau und Mariapfarr kam er im August 1817 als Kooperator nach Oberdorf, wo er aufgrund seiner musikalischen Neigungen, schnell Freundschaft mit dem Lehrer in Arnsdorf und seit 1816 Organisten an der Kirche St. Nikolaus in Oberndorf, Franz Xaver Gruber (1787–1862), geschlossen haben dürfte. Das wohl wichtigste Ergebnis dieser Freundschaft war das Weihnachtslied „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ das in der Christmette 1818 in Oberndorf zum ersten Mal zur Aufführung kam. Bereits 1819 wurde Joseph Mohr nach Kuchl versetzt, wobei ein Männerquartett unter der Leitung von Franz Xaver Gruber ihm den Abschied versüßte:
„H. Mohr ist wirklich nach Kuchl gekommen. Den 19. D. M. begleitete H. Unterberger, Ehrmann u. ich ihn nach Salzburg. Ich machte ihm ein 4stimmiges Abschidslied, das ihn so sehr rührte, daß er wie ein Kind weinte. Die Trennung fiel ihm so schwer, daß er sich ein eigenes Zimmer geben ließ, sich niederlegte, und sichs verbath, ihn zu stören“ (Brief Franz Xaver Grubers an Joseph Peterlechner, 21. Okt. 1819, Keltenmuseum Hallein, Stille Nacht Archiv.)
Franz Xaver Gruber war spätestens seit 1820, als der bei der Säkularfeier der Kirche Maria im Mösl in Arndorf mit einem Orchester aus 50 Musikern „Messen, Litaneien und Oratorien aufgeführt [hatte], die jeder Cathedralkirche Ehre gemacht haben würden“, in der Gegend als ausgezeichneter Musiker bekannt. Bereits 1819 hatte Johann Baptist Weindl, seines Zeichens Chorregent der Stadtpfarr-Musikanten in Salzburg, eine deutsche Litanei von Gruber für seine Musiker abgeschrieben. Es ist durchaus möglich, dass Gruber einige seiner Kompositionen seinem ebenso musikbegeisterten Freund Joseph Mohr nach Wagrain schickte, als dieser dort 1837 Vikar wurde. Beide der mit der Deutschen Landmesse erworbenen Autographe Franz Xaver Gruber sind laut Werkverzeichnis zu Lebzeiten Joseph Mohrs entstanden, die Deutsche Vesper in D-Dur „Kommt, ihr Christen! Gott zu preisen” (GWV 80) ist laut Partiturautograph im Februar 1843 entstanden, das Deutsche Requiem vor 1835 zu datieren. Da die nun aufgefundenen Stimm-Abschriften beider auf dem gleichen Papier wie die Stimmen Deutsche Landmesse geschrieben sind, ist wohl auch diese Abschrift zwischen 1835 und 1848 – dem Jahr, in dem Joseph Mohr an den Folgen einer Lungenlähmung, die er sich auf einem seiner Versehgänge im winterlichen Wagrain zugezogen hatte, starb – zu datieren. Es spricht also nichts gegen die mündliche Überlieferung, die Deutsche Landmesse habe sich, wie die beiden anderen Abschriften Grubers, im Besitz von Joseph Mohr befunden.
Die Deutsche Landmesse „Hier steht vor deiner Majestät“ mit volkliedhaften Zusammenklang der Oberstimmen und der einfachen Begleitung. steht in einer Tradition, die mit der Einführung des deutschen Kirchengesanges, respektive des bereits 1781 in Salzburg erschienenen Gesangsbuches Der Heilige Gesang zum Gottesdienste in der Römisch=Katholischen Kirche „in allen Kirchen unsers Fürstlichen Erzstiftes, wo keine ordentlicher Chor gehalten wird (also nur mit Ausnahme der Stifts= und Klosterkirchen)“ durch Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo 1783 begonnen hatte. Weil die Kritik daran nicht verstummen wollte, sah sich der Erzbischof genötigt, Johann Michael Haydn mit einer musikalischen Revision der Publikation zu betrauen, die schließlich 1790 in einer „vermehrte[n] und verbesserte[n] Auflage“ erschien. In ihrer leicht zu verwirklichenden, aber auch erweiterbaren, Besetzung mit zwei Oberstimmen und Orgel, gegebenenfalls noch Kontrabass, und ihrer schlichten Frömmigkeit wurde Haydns deutsche Kirchenmusik Vorbild für Generationen von Musiker, darunter Franz Xaver Gruber, die im 19. Jahrhundert kirchliche Gebrauchsmusik komponierten.
Fahne der Erstbesteigung des Großvenedigers am 3. September 1841
Jahresschrift 1955 des Salzburger Museum Carolino Augusteum Pichler, Georg Abdon: Salzburg’s Landes-Geschichte
Resultat des von Seiner Majestät, unserem allergnädigsten Kaiser und Landesvater Franz des Ersten ec. ec. (…) gegebenen großen Erbhuldigungs-Freischießens, 1816
Salzburger Zeitung, 1816
Schallhammer, Anton Ritter von: Geschichte des k.k. Hauptschießstands zu Salzburg und des Schützenwesens im Herzogthum Salzburg vom Mittelalter bis auf unsere Tage
Süß, Maria Vinzenz: Die Bürgermeister in Salzburg von 1433 bis 1840
Am 3. September 1841 machte sich ein Tross von vierzig Männern, die meisten von ihnen aus dem Pinzgau, zur Erstbesteigung des Großvenedigers auf. Sie führten eine rot-weiß-rote Fahne mit sich, die nach der geglückten Bezwingung des Bergs auf dem Gipfel gehisst, wieder talwärts genommen und erst in Mittersill beschriftet wurde. Kurze Zeit danach kam sie in das Städtische Museum in Salzburg. Diese Handlung veranschaulicht nicht nur die große Bedeutung dieses Unternehmens, sondern auch ihren patriotischen Charakter.
„Da wir wohl wußten, daß unser Unternehmen mit großer Gefahr verbunden sei, wollten wir in der Kraft des Glaubens Ermuthigung suchen und so wurde hier laut das Gebet des Herrn gebetet. Die Feierlichkeit der Handlung und der Ernst der Veranlassung, welch’ beide in Aller Mienen zu lesen waren, stand in schönstem Einklange mit der großartigen Erhabenheit des Ortes, an dem wir uns befanden. Der nahe, mächtig sich erhebende Gletscherabsturz mit seinen phantastisch gebildeten Eismassen und die hoch darüber zum Sternenhimmel strebenden riesigen Schneeberge waren vom Vollmonde feenhaft beleuchtet, während in seinem Scheine der nahe tosende Fall der Ache tausend und abermal tausend aus den Eishallen herabstürzenden Diamanten glich. Aber auch die Gruppe der Betenden selbst erhielt durch die Gestalten derselben, mit wenigen Ausnahmen fast durchgehends stämmige Söhne des Pinzgaus, […] und durch die in der Mitte des Kreises befindliche, vom Nachtwind leicht bewegte Fahne ein hochromantisches Ansehen, und man wurde unwillkürlich an eine Gruppe beim schweigenden Mondlichte zur Vertheidigung des heimathlichen Bodens sich vereinigender Gebirgsbewohner erinnert.“ Von diesem bewegenden Ereignis erzählt Anton von Ruthner 1864 in seinem Bericht über die erste Besteigung des Großvenedigers am 3. September 1841, an der er selbst beteiligt war. Ein Zug von vierzig Teilnehmern hatte sich am frühen Nachmittag des 2. September 1841 von Neukirchen aus auf den Weg gemacht, um den Giganten von der nördlichen Seite aus zu besteigen. Wenige Stunden der Nachtruhe und des Kraftschöpfens hatte sich der Tross in zwei Alphütten gegönnt, bevor er sich zum oben geschilderten Gebet versammelte und sich danach, um halb zwei Uhr in der Frühe, zum eigentlichen Anstieg aufmachte. Mit scharfer und feinsinniger Beobachtungsgabe führt von Ruthner dem Leser die Sinnhaftigkeit dieses patriotischen Unternehmens vor Augen. Das Unterfangen, den Großvenediger zu besteigen, erfuhr 1841 eine umso größere Bedeutung, weil der erste Versuch Erzherzog Johanns, diesen Berg am 8. August 1828 zu erklimmen, wegen eines Lawinenunglücks gescheitert war und der Eisriese daraufhin dreizehn Jahre lang als unbezwingbar galt. Obwohl der Großglockner höher als der Großvenediger ist, kursierte bei Heimat verbundenen Salzburgern eine andere Überzeugung. Und so war es zusätzlich, über den hohen Schwierigkeitsgrad seiner Besteigung hinaus, eine der größten Herausforderungen, „die höchste Bergspitze in dem österreich. Kaiserstaate“ (Lasser von Zollheim) zu erobern.
Neben der Schilderung Anton von Ruthners existieren zwei weitere Berichte über die Erstbesteigung des Großvenedigers im Jahr 1841: der Josef Lasser von Zollheims sowie der Ignaz von Kürsingers, beide ebenfalls Teilnehmer an dem Unternehmen. Den Entschluss, die Besteigung dieses Berges gefasst zu haben, nahm Josef Lasser von Zollheim für sich in Anspruch. Die Entscheidung habe er gemeinsam mit Anton von Ruthner und Otto von Gravenegg im Sommer 1841 in Wien getroffen. Auch Ignaz von Kürsinger, Pfleger in Mittersill, fühlte sich als Urheber des gewagten Unterfangens. Er setzte mit großer Energie die nötigen Vorbereitungen in Gang, erklärte das Unternehmen zur „pinzgauerischen Nationalangelegenheit“ und inserierte in der Salzburger Zeitung einen Aufruf zur Teilnahme an der Erstbesteigung des Großvenedigers. Die Resonanz war überwältigend. Am 2. September 1841 fanden sich vierzig Männer ein, die an dem großen Ereignis teilhaben wollten. Lasser von Zollheim beschreibt den Moment, in dem sich die große Schar von Neukirchen in Richtung Großvenediger in Bewegung setzte, allen voran die Führer, die „den Pflock und die weiß und rote Fahne“ trugen. Es war dieselbe Fahne, die am nächsten frühen Morgen in der Mitte der im Kreis Betenden aufgestellt und vom Nachtwind leicht bewegt wurde. Ignaz von Kürsinger war der Initiator des Pflocks und der Fahne gewesen. Von Ruthner schreibt: „Herr von Kürsinger hatte […], um die Festlichkeit des Unternehmens zu erhöhen, eine Fahne mit den Landesfarben, roth mit weißem Mitteltheile, und einen gelb und schwarz bemalten Pflock besorgt […], von denen die erstere das Gelingen der Ersteigung von der Spitze herab verkünden, der letztere aber auf dem Gipfel aufgerichtet werden sollte, um in seiner, mit einem Schieber versehenen Oeffnung, in einer Büchse von Blech ein Pergament mit den Namen derjenigen, welche die Spitze glücklich erreichten, für künftige Ersteiger aufzubewahren.“ Und so geschah es auch. Nach der Nächtigung in den beiden Alphütten begannen die vierzig Männer mit dem Anstieg, die beiden Führer mit der Fahne an der Spitze. Nach acht ein halb Stunden teilweise gefährlichen Gehens und Kletterns, kurz vor zehn Uhr, hatte ein Teil des Trosses den Gipfel erreicht. Von Kürsinger schreibt: „Unser Führer stieß nun den Pflock in den eisigen Boden […] An einer Kante […] sind drei eiserne Ringe mit Schrauben angebracht, woran die Fahne festgeschraubt wurde. Kaum war der Pflock in den Eisboden eingehauen, kaum war die Fahne eingeschraubt und flatterte hinaus in die schwindelnden Lüfte, da erscholl es aus den heiseren Kehlen der Vorhut wie aus einem Munde von der eisigen Spitze herab: Hoch lebe das Haus Österreich! Hoch lebe die ganze Gesellschaft! Hoch leben alle Pinzgauer!“ Der Großvenediger war erstiegen. Die Männer machten sich auf den beschwerlichen Abstieg, die Fahne nahmen sie mit. Von Ruthner berichtet, dass sie am Nachmittag „mit der Fahne und unter Trompetenschall“ durch die Dörfer nach Mittersill fuhren, wo sie herzlich empfangen und beglückwünscht wurden. „Auch wurde die Fahne, welche wir mit auf dem Venediger gehabt hatten, mit den Worten ‚Zur Erinnerung an die erste Ersteigung des großen Venedigers am 3. September 1841’ von einem zu Mittersill eben anwesenden Wiener, Rudolf Felner, mit wirklich kalligraphischer Schönheit beschrieben und dem ständischen Museum zu Salzburg zum Andenken an die erste Ersteigung der höchsten Spitze des Herzogthums übersandt.“ Lasser von Zollheim beschreibt Rudolf Felner als Reisegefährten, der ihn von Wien aus bis in die Sulzau begleitet hatte, „es aber vorzog, mit dem hochwürdigen Abte Albert von St. Peter in Salzburg den durch seine Fernsicht und seinen Pflanzenreichthum berühmten Geisstein, nördlich von Mittersill zu ersteigen.“ Über die Person Rudolf Felners sind sonst keine Details bekannt.
Im Städtischen Museum in Salzburg erhielt die Fahne die Inventarnummer 2-41. Maria Vinzenz Süß, Gründer des Museums, schrieb: „Die Fahne von der ersten Besteigung des Venedigers unter der Leitung des kaiserl. königl. Herrn Pflegers Ritter von Kürsinger in Mittersill, am 3. September 1841. Von dem k. k. wohllöblichen Kreisamte übergeben.“ Die vor 175 Jahren an das Museum gekommene Fahne ist vollständig erhalten. Sie setzt sich aus einer 219 cm langen, rot-weiß bemalten Holzstange, die von einer gold gefassten Kugel bekrönt wird, und einem 96 cm hohen und 100 cm breiten, bräunlich verblichenen Leinengewebe zusammen. Der Stoff ist aus drei horizontalen Bahnen, die mittlere von ihnen nochmals aus zwei Teilen, zusammengenäht. Auf das Gewebe ist ein Schriftzug gemalt: „[schwarz] Zur / Erinnerung an die erste Ersteigung / des / [rot] großen Venediger / [schwarz] am / 3ten September / 1841″, rechts unten in schwarz „RF [die ligierten Initialen Rudolf Felners] fecit“. Die Rückseite ist unbeschriftet.
Zum fünfzigjährigen Jubiläum der Erstbesteigung des Großvenedigers im Jahr 1891 veranstaltete die Sektion Salzburg des Österreichischen Alpenvereins eine dreitägige Feier. Am 3. September stiegen 120 Personen auf den Gipfel, wo drei Musikkapellen spielten und die Fahne, die dem Salzburger Museum entliehen worden war, in der Sonne flatterte. Und auch zum hundertjährigen Jubiläum im Jahr 1941 holte man die Fahne wieder aus dem Museum. Wegen der Kriegszeiten konnte die Feier nur in einem kleinen Rahmen gehalten werden. Trotzdem wanderten vierzig Bergsteiger auf den Venedigergipfel und „Kürsingers alte verblichene Fahne wurde enthüllt“ (Dieter Besl).
Die Großvenediger-Fahne präsentierte sich also bereits 1941 nicht mehr in den Farben Rot mit weißem Mitteilteil (von Ruthner) oder Weiß und Rot (Lasser von Zollheim), sie waren damals schon verblasst. Da sich der Fahnenstoff aus drei Bahnen zusammensetzt, ist anzunehmen, dass es sich bei der Variante rot-weiß-rot um die wahrscheinlichere gehandelt hat. Dem würden auch die sich abwechselnden Farben des Schriftzuges entsprechen. Umso erstaunlicher ist es, dass die von Rudolf Felner in Schönschrift aufgetragenen Buchstaben fast nichts von ihrem einstigen Aussehen eingebüßt haben. Sie machen die Fahne zu einem einzigartigen, unverwechselbaren Dokument. Die Tatsache, dass die Fahne in den österreichischen Landesfarben auf dem Gipfel gehisst, ins Tal zurückgetragen und erst nachträglich, nachdem die Erstbesteigung geglückt war, beschriftet wurde mit dem einzigen Zweck, die Erinnerung an dieses Ereignis wach zu halten, verdeutlicht die ungemein große Bedeutung, die dem Unternehmen beigemessen wurde. In diesem Punkt unterscheidet sich diese Fahne von üblichen Gipfelfahnen, die allein den Beweis der Ersteigung und die Anwesenheit der Eroberer auf dem höchsten Punkt kundtun sollen. Auf dem Großvenediger war jedoch nicht nur Neuland betreten, sondern die „höchste Spitze des Herzogthums“ erobert worden. Dass die Lage des soeben bezwungenen höchsten Berges im Land Salzburg besonders hervorgehoben wurde, verdeutlicht den patriotischen Charakter dieser Besteigung. Er erklärt sich aus der politischen Lage Salzburgs, der ungewollten Abhängigkeit von Oberösterreich, unter dessen Verwaltung es seit 1816 stand, und seinem Streben nach größerer Eigenständigkeit. Der Eindruck, den der Wiener von Ruthner am frühen Morgen vor dem Anstieg hatte, als ihn die Gruppe an die zur Verteidigung des heimatlichen Bodens sich vereinigenden Gebirgsbewohner erinnerte, ist sicher in diesem Zusammenhang zu sehen. Dies mag auch der Grund dafür sein, warum Ignaz von Kürsinger die Fahne in das Städtische Museum gegeben hat, das es sich seit 1834 zum Ziel gesetzt hatte, alles zu sammeln und zu bewahren, das die Erinnerung an Salzburgs Natur, Geschichte, Kunst und Kulturgeschichte wach halten und damit eine Abwanderung von Salzburger Kulturgut an das zuständige Linzer Provinzialmuseum verhindern sollte.
Grabgesang für Konstanze Nissen „Keine frohen Festgesänge…“
Jahresschrift 1955 des Salzburger Museum Carolino Augusteum Pichler, Georg Abdon: Salzburg’s Landes-Geschichte
Resultat des von Seiner Majestät, unserem allergnädigsten Kaiser und Landesvater Franz des Ersten ec. ec. (…) gegebenen großen Erbhuldigungs-Freischießens, 1816
Salzburger Zeitung, 1816
Schallhammer, Anton Ritter von: Geschichte des k.k. Hauptschießstands zu Salzburg und des Schützenwesens im Herzogthum Salzburg vom Mittelalter bis auf unsere Tage
Süß, Maria Vinzenz: Die Bürgermeister in Salzburg von 1433 bis 1840
Constanze Nissen (geb. Weber, verw. Mozart, 1762–1842) hatte 1782 W. A. Mozart geheiratet, ihm sechs Kinder geboren und sich nach seinem Tode als umsichtige und geschäftstüchtige Nachlassverwalterin erwiesen. Mit ihrem zweiten Gatten, Georg Nikolaus Nissen (1761-1826), einem dänischen Diplomaten und Mozart-Biographen, kam sie 1824 nach Salzburg und ließ sich in der Folge hier nieder. Als sie am 6. März 1842 80jährig in Salzburg starb und ihre beiden Söhne nicht in Salzburg weilten, übernahm es der „Dommusikverein und Mozarteum“, die Witwe Mozarts würdig zu begraben. Am Grabe sang man einen von Alois Taux, dem Kapellmeister des Dommusikverein und Mozarteum, komponierten Grabgesang.
Text: Keine frohen Festgesänge schallen Mozart heute Dir. Wehmuthsvolle Trauerklänge tönen deiner Gattin hier. Eh wir noch dein Denkmal weih’n musste sie erst bei Dir sein.
Ruhe sanft den ew’gen Frieden, was wir unserm Mozart baun War von Gott dir nicht beschieden Lebend freudig anzuschaun. Deiner Söhne Sehnsuchtsblick Fällt auf Muttergrab zurück. Zweifach wird die Thräne fließen Daß Dir Gott nicht Fristung gab. Doch wenn wir sein Bild begrüßen Schaut von dort zu uns herab. Wie die Welt den Gatten ehrt, so warst du auch Mozarts werth.
Georg Nikolaus Nissen (1761-1826) schrieb in Salzburg mit der Unterstützung seiner Frau an seiner Mozartbiographie, die bei seinem Tod 1826 noch nicht vollendet war. Auch die beiden Schwestern Konstanzes, Aloisia Lange und Sophie Haibl, verbrachten ihren Lebensabend in Salzburg.
Am 12. August 1835 erschien in der „Salzburger Zeitung“ ein Aufruf zur Errichtung eines Mozart-Denkmals, der danach in verschiedensten deutschsprachigen Zeitungen erschien und großen Anklang fand. 1836 bildete sich aus dem Vorstand der Gesellschaft „Museum“ ein „Mozart-Comité“, 1841 schließlich der „Dom-Musik-Verein und Mozarteum“, dessen erste Aktivität die Vorbereitung und Durchführung der Feier zur Enthüllung des Mozart-Denkmales war und an dem Constanze Nissen immer wieder lebhaften Anteil nahm. Als erster künstlerischer Leiter dieses Vereins, der unter dem Protektorat des Erzbischofs Friedrich Fürst zu Schwarzenberg und unter seinem umtriebigen Sekretär Dr. Franz Edler von Hilleprandt einerseits Mozarts Erbe pflegen und andererseits das kirchliche und weltliche Musikleben Salzburgs auf eine neue Basis stellen sollte, wurde Alois Taux (1817-1861) berufen.
Constanze Nissen sollte die großen Feierlichkeiten zur Aufstellung des Mozart-Denkmales nicht mehr erleben. Wenige Tage nachdem das erste Modell für das Standbild eingetroffen war, am 6. März 1842, starb sie 80jährig. Da ihre beiden Söhne nicht in Salzburg weilten, übernahm es der „Dommusikverein und Mozarteum“, die Witwe Mozarts am 8. März 1842 würdig zu begraben. Die „Salzburger Zeitung“ berichtete:
Auf dem St. Sebastiankirchofe angelangt, wurde nach Beendigung der kirchlichen Feierlichkeiten bei dem Grabe der Verblichenen ein von dem Capellmeister Taux componirter vierstimmiger Gesang executirt, welcher, in melodiöser wie harmonischer Rücksicht gleich ausgezeichnet, durch seine edle Einfachheit und seelenvolle Innigkeit die mächtigste Rührung unter allen Anwesenden hervorbrachte. Zum Schlusse wurde noch in der Kirche das Regina coeli nach Abbè Stadlers Composition in würdigster Weise gesungen.
Am folgenden Tage fand in der St. Sebastiankirche ein feierlicher Trauer-Gottesdienst statt, […]. Das Orchester und der Gesangchor des Dommusikvereines executirte dabei mit ausgezeichneter Präcision das von Mozart gedichtete Requiem.
Der Texdichter des „vierstimmigen Chors von edler Einfachheit und seelenvoller Innigkeit“ ist unbekannt, vielleicht ist er mit dem Komponisten ident. Der Text nimmt sowohl Bezug auf die Aufstellung des Mozart-Denkmals als auch – im letzten Satz – auf die Reputation Constanzes als Frau des Genies, die gerade in den Streitigkeiten rund um die Echtheit des „Requiems“ KV 626 gelitten hatte.
Die Komposition steht in As Dur und ist zweiteilig, wobei der erste Teil – die Vertonung der ersten Gedichtstrophe – als Refrain fungiert. Da die Stimmen für Sopran und Alt fehlen, ist die Komposition leider unvollständig.
Dass die Komposition am 7. September 1842 im Beisein ihrer Söhne nochmals am Grabe Constanze Nissens im Friedhof St. Sebastian erklang, berichtet die Allgemeine Wiener Musik-Zeitung “:
Ein kleines Requiem, eine treffliche Arbeit, sowie ein Grabgesang / von A. Taux / wurde ein paar Tage (den 7. Sept.) nach Beendigung der Festlichkeit bei dem Trauergottesdienste für die Witwe Mozart zu St. Sebastian exekutirt (letzterer am Grabe). Eine ergreifende und zu Thränen rührende kirchliche Gedächtnisfeier, welcher die Söhne Wolfgang und Carl Mozart und die Frau Schwester der Verblichenen / Sophie Haibl / Herr Dr. v. Hilleprandt, Fräulein Gottlieb (die erste Pamina) und mehrere Fremde und Einheimische beiwohnten. Bei Aufführung dieser Musikstücke herrschte eben soviel Präcision und Richtigkeit, wie bei den früheren Ämtern, denen ich im Dom beizuwohnen Gelegenheit hatte.“
Jahresschrift 1955 des Salzburger Museum Carolino Augusteum Pichler, Georg Abdon: Salzburg’s Landes-Geschichte
Resultat des von Seiner Majestät, unserem allergnädigsten Kaiser und Landesvater Franz des Ersten ec. ec. (…) gegebenen großen Erbhuldigungs-Freischießens, 1816
Salzburger Zeitung, 1816
Schallhammer, Anton Ritter von: Geschichte des k.k. Hauptschießstands zu Salzburg und des Schützenwesens im Herzogthum Salzburg vom Mittelalter bis auf unsere Tage
Süß, Maria Vinzenz: Die Bürgermeister in Salzburg von 1433 bis 1840
Der bayrische Künstler Ludwig M. Schwanthaler wurde mit dem Entwurf einer Mozartstatue für Salzburg beauftragt. Das Modell dieser Statue ist heute ein Teil der Sammlung des Salzburg Museum und die Statue wurde am 9. September 1842 feierlich enthüllt.
Das Privileg, öffentliche Plätze in Form von Standbildern zu besetzen, wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein ausschließlich Regenten und siegreichen Feldherren zugestanden. Das Bedürfnis, auch Männer des Geistes aufs Podest zu heben, entstand zugleich mit einem demokratischen Verständnis von Bildung und Humanität und der Überzeugung von deren kultureller Mission, die von der Aufklärung ihren Ausgang nahm. An der Wiege des modernen Denkmalbegriffes stand somit der Glaube an den geistigen Fortschritt der Menschheit, als dessen Kronzeugen die erlauchtesten Vertreter der Künste und Wissenschaften aufgerufen waren. Ihnen kam unter den damaligen Verhältnissen nicht zuletzt auch die Rolle nationaler Integrationsfiguren zu.
Schon während des 18. Jahrhunderts hatten Privatmänner ihren profanen Idolen vereinzelt Weihestätten errichtet, die rein der persönlichen Erbauung dienten, und denen ein ausgesprochen statuarischer Charakter noch fehlte. Der vorbildhafte Anspruch verlangte jedoch nach einer sowohl monumentalen als auch leibhaftigen Vergegenwärtigung der Ideenträger. Dies leistete das plastische Ideal des Klassizismus mit seinem Vertrauen in die Würde und Kraft der menschlichen Erscheinung, die keines äußeren Beiwerks mehr bedurfte.
Der Ruf nach für die Allgemeinheit bestimmten Standbild-Denkmälern nahm vor allem seit den 1820er-Jahren die Breite einer Bewegung an, in der sich auch das Erstarken des bürgerlichen Selbstbewusstseins manifestierte. Luther war der erste „Zivilist“, der mit einem Einzeldenkmal unter freiem Himmel in Deutschland geehrt wurde (1819 in Wittenberg, entworfen vom preußischen Bildhauer Johann Gottfried Schadow), in diesem Fall noch gegen beträchtlichen Widerstand der Obrigkeit. Es dauerte dann noch ein Jahrzehnt, bis 1837 in Nürnberg mit Albrecht Dürer dem ersten Künstler ein solches Monument gesetzt wurde (entworfen von Christian Daniel Rauch). Chronologisch folgten dann die Denkmäler für Gutenberg in Mainz (1836 entworfen vom dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen), Schiller in Stuttgart (1839 entworfen vom dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen), Gutenberg in Straßburg (1839 entworfen vom französischen Bildhauer David d´Angers), Jean Paul in Bayreuth (1841 entworfen von Ludwig Michael Schwanthaler), Beethoven in Bonn (1945 entworfen vom deutschen Bildhauer Ernst Julius Hähnel) und Lessing Braunschweig (1849 entworfen vom deutschen Bildhauer Ernst Friedrich August Rietschel). Waren die ersten Denkmalsetzungen noch engagierte Taten von politischer Reichweite, so nahmen sie allmählich inflationäre Ausmaße an und zeugten, zum städtischen Dekor entwertet, hauptsächlich vom Renommiergehabe der Bürgerschaft.
Salzburg wurde schon sehr früh von der Denkmalwelle erfasst und hatte wahrlich allen Grund dazu. Die Erkenntnis, mit Mozart ein singuläres Genie hervorgebracht zu haben und diesem zu Lebzeiten einiges schuldig geblieben zu sein, hatte zu dieser Zeit schon weite Kreise erfasst, die es nun an ihre „heiligste Pflicht“ zu erinnern galt. Bereits 1792 hatte der Grazer Kunst- und Musikalienhändler Franz Deyerkauf d. Ä. (1750-1826) zu Ehren Mozarts in seinem Garten einen freskengeschmückten Tempel errichtet (der heute noch existiert), und auch in Rovereto (Trentino-Südtirol) hatte 1837 ein Musikfreund – der Wiener Bankier und Tenor Giuseppe Antonio Bridi (1763-1836) – Mozarts Büste aufstellen lassen.
In Salzburg brachte der Reiseschriftsteller Julius Schilling (1800-1870) mit seinem am 12. August 1835 in der „Kaiserl. König. privilegierten Zeitung“ publizierten Aufruf den Stein ins Rollen. Aufgegriffen und propagiert wurde diese Initiative mit großem Engagement vom literarisch-geselligen Verein „Museum“, einem typischen Honoratiorenklub und einzigem kulturellen Treffpunkt von Bedeutung im damaligen Salzburg.
War anfangs nur an ein bescheidenes Monument gedacht, so legte der Anklang, den die Spendenappelle im In- und Ausland fanden, ein Projekt großen Stils nahe. Aus verschiedensten Städten langten ansehnliche Kollekten ein, eine Reihe von Musikern stellte sich mit Benefizvorstellungen unentgeltlich in den Dienst der Sache. Wien und Prag, wo man sich ebenfalls mit Denkmal-Gedanken trug, wurden als Mozart-Städte aus dem Rennen geschlagen. Das Spekulieren mit steigenden Besucherzahlen, die man sich von einem solchen attraktiven Projekt erhoffte, war schon damals ein nicht unwesentlicher Gesichtspunkt der Denkmaldebatte, wird jedoch angesichts des Tiefstandes, den Salzburgs Bedeutung damals erreicht hatte, nur allzu verständlich.
Bayerns liberaler König Ludwig I. (1786-1868), der in München ein ehrgeiziges architektonisches-plastisches Programm realisierte, steuerte nicht nur die ansehnlichste Summe bei und spendierte den Marmorsockel, sondern machte auch künstlerisch seinen Einfluss geltend. Er empfahl dem Denkmalkomitee „ein dem Auge sich sogleich selbst bemerkbar machendes Denkmal im Freyen“ und dürfte auch seine Hand dabei im Spiel gehabt haben, dass sein bevorzugter Bildhauer Ludwig Michael Schwanthaler (1802-1848) den Auftrag erhielt.
In der Frage des Aufstellungsortes fiel die Entscheidung zwischen Hannibal-(Makart)platz und Michaels-(Mozart)platz wegen „seiner Lage in der Mitte der Stadt u. landschaftlichen Umgebung“ zugunsten des letzteren aus. Hier musste der Brunnen mit der barocken Michaelsstatue (heute im Garten des Mutterhauses der Barmherzigen Schwestern in Mülln aufgestellt) das Feld räumen, was den Volksmund zu dem Reim „Michl marschier´, der Mozart ist hier“ inspirierte und den neuen Platzhalter in den Augen mancher Bevölkerungskreis als heidnisches Götzenbild erscheinen ließ.
Dem Schöpfer des Denkmals wiederum war das Zwiebeltürmchen inmitten der ruhigen Fassaden der umliegenden Gebäude der Michaelskirche ein Dorn im Auge, „welches von gewißen Ansichten die Statue fast erdrückt“, wobei er sogar dessen Abriss zur unerlässlichen Bedingung machen wollte; eine nur mehr aus der damals vorherrschenden Aversion gegen den Barockstil begreifbare Überempfindlichkeit.
Mitte 1840 lieferte Schwanthaler das Modell nach Salzburg, wo es vom 13. bis 15. Juni in den Vereinsräumen des „Museums“ besichtigt werden konnte. Es ist dasselbe Modell, das nur kurze Zeit später als Geschenk des Komitees an das neugegründete städtische Museum (später: Carolino Augusteum; heute: Salzburg Museum) kam und sozusagen zu dessen Urbestand gehört.
Den Guss nahm der bewährte Johann Baptist Stiglmaier (1791-1844) in seiner Münchner Erzgießerei vor versammelter Hofgesellschaft am 18. Juli 1841 vor. Unvorhergesehenerweise musste die Statue noch über ein Jahr auf ihre Enthüllung warten, da man während der Fundamentierungsarbeiten auf hochinteressante archäologische Funde, vor allem zwei Mosaikfußböden, gestoßen war. Es blieb nichts anderes übrig, als die ursprünglich zur 50. Wiederkehr von Mozarts Tod anberaumten Feierlichkeiten auf 1842 zu verschieben. Bedauerlicherweise verschied währenddessen Mozarts Witwe Konstanze Nissen (1762-1842), deren letzte Wohnung sich genau gegenüber dem geplanten Denkmal befand. An die Enthüllungsfeierlichkeiten am 9. September 1842 schloss sich ein ausgiebiges Veranstaltungsprogramm an, das mehrere Festkonzerte, einen nächtlichen Fackelzug um das Denkmal, Ausflüge nach Hellbrunn und Hallein, ein Volksfest um das Schloss Leopoldskron und einen Festball enthielt und am vierten Tag mit einem Scheibenschießen und einem Pferderennen endigte. Salzburgs Bedeutung als Musikstadt nahm von diesem Augenblick an einen kontinuierlichen Aufstieg.
Schwanthalers Mozart ist weit entfernt von der theatralischen Attitüde, aber auch von der vorgeblichen Lebens-Unmittelbarkeit, wie sie von der nachfolgenden Denkmalkunst oft in aufdringlicher Weise angestrebt wurde. Die gewichtige Erscheinung ergibt sich allein aus dem schlichten Stehen, der einfachen Drapierung. „Imposant, aber anspruchslos“, hatte sich der Künstler nach seinen eigenen Worten dieses „Ruhmesdenkmal“ vorgestellt. Standmotiv, Blickwendung, Mantelwurf sind die Kriterien, deren beziehungsvolles Zusammenspiel über die bedeutsame Wirkung entscheidet. Gerade Schwanthalers Denkmalschöpfungen zeigen, dass er dieses lapidare Grundschema immer wieder signifikant abzuwandeln verstand.
Kompositorischer Leitgedanke beim „Mozart“ ist das angehobene, auf einem Felsstück aufruhende linke Bein, das dem Standmotiv etwas besonders Hoheitsvolles gibt. Es ist bereits in einer ersten Entwurfsskizze voll ausgebildet, die sich noch in wesentlichen Zügen vom ausgeführten Modell unterscheidet. Erst da ist durch die veränderte Stellung des Kopfes und der Arme ein deutlicher Bezug zur Aufstellung auf einem Platz genommen. Zugleich mit der stärkeren Öffnung zum umgebenden Raum tritt die Figur sichtlich aus einer momentanen Pose in eine mehr zeitentrückte Dimension. Ganz in diesem Sinn hat der Künstler auch die flatternden Mantelkragen fallengelassen und stattdessen einen antikisierenden Umhang gewählt, um das Zeitkostüm des 18. Jahrhunderts gewissermaßen zu neutralisieren. Ideeller und historischer Anspruch durchdringen sich auch in dem Mozart-Kopf, der zwar ausdrücklich nach authentischen Vorlagen modelliert wurde, aber auf eine Stilisierung ins Apollinische nicht ganz verzichten konnte. Der Blick ist allerdings nicht „zu den Sternen erhoben“ (Ernst Hintermaier), sondern eindeutig zum benachbarten Dom hin ausgerichtet. In ähnlicher Weise versinnbildlicht das angedeutete Felsstück nicht etwa den Musenberg Parnass (Gebirge in Griechenland), wie es einer noch barocken Denkweise entsprechen würde, sondern „die Heimat“, kehrt also den lokalen und nationalen Aspekt hervor.
Wie bei Schwanthaler stets hinter strenger klassizistischer Formgesinnung die Seele eines Romantikers zum Vorschein kommt, so wird erst recht der „Raffael der Tonkunst“ (so der Salzburger Schriftsteller und Journalist Ludwig Mielichhofer; 1814-1892) seine empfindsame Seite angesprochen haben. Sein Mozart wird zur romantischen Verkörperung begnadeten Schöpfertums schlechthin, das sich nur mit Schreibfeder und Notenblatt auszuweisen braucht. Der Lorbeerkranz zu seinen Füßen fehlt auf dem Modell noch und war eine letzte Zutat, die sich fast erübrigt.
Mozarts Schaffen wird durch vier Sockelreliefs allegorisch erläutert. Den Ehrenplatz an der Vorderseite nimmt ein Engel mit Orgelpositiv ein, der für die Kirchenmusik steht. Links und rechts veranschaulichen Figurengruppen die lyrisch-konzertante bzw. dramatische Seite von Mozarts Musik. Auf der Rückseite gibt ein Adler auf einer Lyra einen allgemeinen Hinweis auf den Genius Mozarts. Der halb emblematische, halb szenische Darstellungsstil ist äußerst verknappt und geht dennoch in reinster Anschaulichkeit auf. Der weiche, musikalische Wohllaut vergleichbare Linienfluss trägt diese äußerst zart gearbeiteten Reliefs so sehr, dass sie freiplastisch vom Sockel abzuheben und zu schweben scheinen. Dennoch bilden die tektonisch-abstrakte Gestalt des Sockels und die eigentlich bildhauerischen Elemente eine formale und geistige Einheit, in die selbst die Lettern der Inschrift integriert sind.
Ein weiches Flair, das auf die Wirksamkeit des Gefühls verweist, liegt auch über dem Standbild selbst, seine blockhafte Massivität mildernd, alle Formbezüge ins Schmiegsame, Gleitende, sich Rundende abtönend. Was die Reliefs mit bezaubernder Innigkeit erfüllt, das kommt hier, wo erhabene Monumentalität im Vordergrund steht, nur als Anflug von Sentiment zum Tragen. Dabei geht es nicht an, Schwanthaler vorzuwerfen, „die Atmosphäre und die Epoche W.A. Mozarts (…) falsch interpretiert“ und zu sehr in Schubert-Nähe gerückt zu haben (Frank Otten). Was für eine Interpretation, wenn nicht eine romantische (und ganz sicher keine historisch-kritische) kann man sich von einem Zeitgenossen des Malers Moritz von Schwind (1804-1871) wohl sonst erwarten? Gerade den Zwiespalt zwischen formeller Repräsentation und schwärmerischer Intuition hat Schwanthaler bewundernswert und ohne die Entgleisung späterer Mozart-Portraitisten gelöst. „Verfälschung“ schlägt in diesem Fall nur als Gewinn zu Buche.
Die Felner’sche Familienchronik und das „Hasenhaus“ in Salzburg
Jahresschrift 1955 des Salzburger Museum Carolino Augusteum Pichler, Georg Abdon: Salzburg’s Landes-Geschichte
Resultat des von Seiner Majestät, unserem allergnädigsten Kaiser und Landesvater Franz des Ersten ec. ec. (…) gegebenen großen Erbhuldigungs-Freischießens, 1816
Salzburger Zeitung, 1816
Schallhammer, Anton Ritter von: Geschichte des k.k. Hauptschießstands zu Salzburg und des Schützenwesens im Herzogthum Salzburg vom Mittelalter bis auf unsere Tage
Süß, Maria Vinzenz: Die Bürgermeister in Salzburg von 1433 bis 1840
Die zweibändige „Felner’sche Familienchronik“ wurde von Joseph Philipp Felner (geb. 1. Mai 1769 in St. Veit im Pongau, gest. 1850 in Wien) verfasst. Joseph Felner bietet in über 2800 Seiten, in denen er seine Laufbahn als hoher Staatsbeamter unter fünf Regierungen schildert, einen sehr guten Einblick in die unruhige und wechselvolle Zeit der napoleonischen Wirren in Salzburg zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Zur Dokumentation und Veranschaulichung legte der an der Geschichte Salzburgs interessierte Biograf und Chronist seinen Aufzeichnungen auch originale Dokumente und Illustrationen bei, so auch die Darstellung von der zur Zeit Felners zwar nicht mehr existierende aber den Bürgern noch in bester Erinnerung stehende, heute in Vergessenheit geratene Fassade seines Wohnhauses in Salzburg, Kranzlmarkt Nr. 4. Wegen seiner ungewöhnlichen Wandbemalung mit Motiven der „verkehrten Welt“, in der Hase und Mensch die Rolle tauschen, war dieses Haus für annähernd 200 Jahre als „Hasenhaus“ bekannt. Seit Ende des 16. Jahrhunderts bis zur Renovierung des Hauses im Jahre 1790 „tummelten“ sich in den Friesbändern der vier Stockwerke Hasen, die in friedlicher Gesellschaft in einem „Hasenstaat“ leben, sich den Menschen untertan und Jagd auf ihn machen. Kommentiert wurde die satirische „Hasenjagd“ mit dem Spruch: „Die uns fiengen, schundten und assen, die zahlen wir itzt mit solcher Massen. Uns Haasen hat es ganz gerathen, dass wir itzt Hund und Jäger bratten“.
Der Verfasser dieser Chronik, Joseph Felner, wurde als Sohn eines Bäckers am 1. Mai 1769 in St. Veit im Pongau geboren. Nach seinem Studium an der Universität in Salzburg schlug er 1793 die Beamtenlaufbahn ein, die bereits unter der Regierung Erzbischofs Hieronymus Colloredo einen erfolgreichen Aufstieg nahm. 1801 wurde Joseph Felner zum Hofrat befördert, und auch unter der kurfürstlichen und der ersten österreichischen Regierung wurden ihm wegen seiner ausgezeichneten Dienste und Leistungen leitende Positionen übertragen. 1805 wurde er Interimsdirektor der Landesregierung. Unter der französischen Verwaltung Salzburgs wurde er Mitglied der Generallandesadministration. Seine patriotische Gesinnung für das Land Salzburg und Österreich brachte es mit sich, dass Joseph Felner nach der Eingliederung Salzburgs an Bayern aus Salzburg wegversetzt wurde, zunächst 1811 zur Finanzdirektion des Regenskreises nach Regensburg und 1812 als Rechnungshofrat nach München. Als die Wiedervereinigung Salzburgs mit Österreich kurz bevorstand, bat Felner um Versetzung nach Salzburg. Diese Rückversetzung als Kanzleidirektor nach Salzburg 1815 blieb allerdings nicht von Dauer. Felner wurde bereits 1816 von der neuen österreichischen Regierung als k.k. Regierungsrat nach Linz und 1824 nach Wien berufen, wo er im Jahre 1848 mit seiner Pensionierung bei vollen Bezügen seine langjährige Beamtenkarriere, in der er sich stets für die Belange Salzburgs eingesetzt hatte, abschloss. Zwei Jahre danach verstarb Joseph Felner am 26. Mai 1850 in Wien.
Joseph Felner, der während seiner gesamten Beamtenlaufbahn unter fünf Regierungen gedient hatte, befasste sich neben seiner eifrigen Tätigkeit im Staatsdienst auch mit der Erforschung und Dokumentation der Salzburger Geschichte. Außerordentlich historisch interessiert, sammelte er nicht nur urkundliches Material sowie historische und politische Schriften von Salzburger Chronisten, sondern er verfasste auch eigene Aufzeichnungen über die Ereignisse seiner Zeit. Seine Chroniken, in die er auch seine persönlichen Erfahrungen und Meinungen eingebracht hat, geben ein eindrucksvolles Zeugnis über die politisch gesellschaftlichen Zustände der letzten Jahre des Erzstiftes Salzburg sowie über die darauf folgenden wechselvollen Jahre der napoleonischen Wirren in Salzburg, 1803-1810.[1]
Seine persönliche Geschichte stellte Joseph Felner in einem zweibändigen Werk, der sogenannten „Felner’schen Familienchronik“, dar. In den Jahren 1830 bis 1833 hat Felner im Band 1 sein Leben und das seiner Familie auf 1224 Seiten niedergeschrieben und mit einer Reihe von Beilagen und Abbildungen versehen. Und bis zu seinem Tod fügte Felner immer wieder informative Zusätze nachträglich in die Chronik ein. Um eine reine Autobiographie handelt es sich bei dieser Familienchronik allerdings doch nicht, denn Felner behandelt darin auch die Vorkommnisse und Zustände während der Kriegsjahre, insbesonders der Jahre 1803-1810. Er gibt auch historische Rückblicke, äußert sich über die Verwaltungseinrichtungen und gibt detaillierte Beschreibungen vieler Persönlichkeiten seiner Zeit.[2]
Der Band 2 der Familienchronik, der bis vor kurzem als verschollen galt, konnte im Sommer 2006 vom Landesarchiv erworben werden.[3] Damit konnte nun eine große Lücke in der Überlieferung der chronikal-biographischen Niederschrift Joseph Felners geschlossen werden. Denn dieser Band enthält diejenigen Beilagen und Dokumente, auf die Felner im Band 1 verwiesen hat. Dass es sich dabei um keine unbedeutende Ergänzung handelt, beweisen schon die 1600 Seiten, die dieses Werk umfasst. Neben einigen mehrseitigen zusätzlichen Ausführungen zu Themen, mit denen sich Felner bereits im Band 1 eingehend befasst hat, sind auch Originale von Akten, gedruckte Verordnungen, aber auch eine Reihe von Stichen, Plänen und Graphiken beigegeben. Darunter befindet sich auch eine Darstellung von der ehemaligen Fassade des sogenannten „Hasenhauses“ in der Stadt Salzburg.[4]
„Das berühmte Hasenhaus, dessen Fronte ganz mit Emblemen von Hasenjagden übermahlet war“[5], so wie es Joseph Felner in der Anhangsbeilage Nr. 1 beschreibt, und zu seiner Zeit die Adresse Haus Nr. 15 hatte, ist heute als das Haus am Kranzlmarkt Nr 4, schräg gegenüber dem Rathaus gelegen, bekannt.[6] Dieses Haus war für Felner nicht nur wegen seiner früheren ungewöhnlichen Fassade von Interesse. Denn als Felner im Jahre 1802 zum Hofrat ernannt worden war, benötigte er auch eine standesgemäße Wohnstätte. Diese fand er in diesem Haus des Materialwaren- und Spezereiwarenhändlers Leopold Hagenauer, mit dem ihn seit seiner Gymnasialzeit eine enge Freundschaft verband.[7] Im zweiten Stock des Hauses Kranzlmarkt Nr. 4, das seit dem 15. Jahrhundert in ununterbrochener Reihenfolge im Besitz von Handelsleuten gestanden war, lebte nun Felner, ausgenommen die Zeit seines beruflich bedingten Aufenthaltes in Bayern, immerhin 11 Jahre bis zu seiner 1816 erfolgten Versetzung nach Linz. Als Felner in die Wohnung eingezogen war, existierte die „Hasenfassade“ allerdings nicht mehr. Nachdem nämlich die Hagenauer das Haus aus der Versteigerungsmasse des Händlers Joseph Pauernfeind 1789 übernommen hatten[8], ließ es Leopold Hagenauer von Grund auf renovieren. Dabei ging auch die Fassade verloren. Dennoch musste Felner die Hasenbemalung noch persönlich gesehen haben, da er doch seit seiner Schulausbildung mit kurzen Unterbrechungen in Salzburg gewohnt hatte.
Die Bemalung der Fassade mit den Hasenmotiven kann nicht vor der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geschehen sein, da sich das Haus in der Stadtansicht von 1565, die sich ehemals im Besitz der Erzabtei St. Peter befand, noch als mittelalterliches Gebäude mit Zinnen präsentiert.[9] Spätestens gegen Ende dieses Jahrhunderts wird die besagte Fassade jedoch die Salzburger Bürger mit ihren lustigen Darstellungen erfreut haben. Und bereits in den folgenden Jahrzehnten war die Bezeichnung „Hasenhaus“ im Sprachgebrauch der Salzburger so sehr verankert, dass diese sogar bei dem 1650 neu angelegten Grundbuch der Stadt als Hausname aufgenommen worden ist.[10]
Abb 2: Die Fassade des „Hasenhauses“. Original: Salzburger Landesarchiv, NL Felner 25. Reproduktion: Salzburger Landesarchiv.
Auf der Hausfassade tummeln sich über vier Stockwerke hinweg Hasen, die in die Rolle der Menschen schlüpfen und die Jagd nach diesen aufnehmen. Nur das Erdgeschoß ist von der Bemalung frei geblieben. Die satirische Geschichte von der „Verkehrten Welt“ beginnt in der obersten Etage und endet in einem Fries über dem Erdgeschoß mit dem Spruch „Die uns fiengen, schundten und assen, die zahlen wir itzt mit solcher Massen. Uns Haasen hat es ganz gerathen, dass wir itzt Hund und Jäger bratten“. Die oberste Reihe führt in das friedliche Leben der Hasengesellschaft ein. Die vierbeinigen Löffler haben menschliche Züge angenommen und bewegen sich auf zwei Beinen fort. Der Hasenvater, auf einem Fass sitzend, trinkt genüsslich ein Glas Wein, während die Hasenmutter sich um ihre Hasenjungen sorgt und mit ihnen, das Jüngste in einem Buckelkorb tragend, in der Landschaft spaziert. Das dritte Bild zeigt die Obrigkeit des Hasenstaates. Der Hasenfürst mit dem Szepter in seiner Hand thront auf einem Baumstamm und wird von seinen Lakaien hofiert. Auch seine Hofmusikanten fehlen nicht und spielen ihm ein Ständchen auf. Damit die Idylle nicht gestört wird, steht hier ein mit einer Lanze bewaffneter Hase Wache. In der nächsten Szene bläst ein Hase mit dem Waldhorn zur bevorstehenden Jagd nach den Menschen auf.
Im Fries darunter folgen noch Darstellungen wie sich die Hasen Mensch und Hund zu Nutze machen. Diese werden jeweils vor einen Karren gespannt und müssen, angetrieben durch die Peitschenhiebe der kutschierenden Hasen, auf allen vieren die Wagen ziehen. Diese beiden Gespanne, die von zwei Hasen, einer davon mit einem Gewehr, bewacht werden, folgen einem weiteren Gespann, das von einem Hasen gezogen wird. In diesem Leiterwagen liegt bäuchlings hingestreckt ein gefangenes „Menschenwild“, dessen Kopf und Beine aus dem Wagen hängen, da dieser viel zu kurz ist. Begleitet wird dieser Wagenzug, der in Richtung eines mit einer Fahne beflaggten Hauses unterwegs ist, von zwei auf einem Jagdhorn und einer Schalmei spielenden Hasenmusikanten.
In der Fensterreihe des dritten Geschoßes wird das Hasengericht dargestellt. Ein „Hasenjäger“ trägt auf seiner Schulter einen Stock, an dessen Ende eine menschliche Beute mit dem Kopf nach unten hängt. Daneben wird ein an den Hinterpfoten auf einem Galgen hängender Hund von einem Hasen bewacht. In der nächsten Abfolge werden diese beiden Gefangenen dem Hasenfürsten vorgeführt, der hier mit seinem Szepter das Urteil über das Schicksal von Mensch und Hund fällt. Die letzte Szene in dieser Reihe zeigt die Bewachung eines in Ketten gelegten Bären.
Eine turbulente Jagdszene befindet sich zwischen dem 3. und 4. Stockwerk. Vier Langohre, einer davon schießt mit einem Gewehr, hetzen wie Jagdhunde ihre Opfer. Nach dem erfolgreichen Jagdgetümmel begeben sich die Hasen, teils auf Hunden reitend, teils genussvoll die Pfeife rauchend, zum gemütlichen Jagdausklang. Ein Hund wird in einem großen Kessel gesotten, und die Hasenfrau beginnt dem auf den Fleischerhaken aufgehängten „Menschenwild“ den „Balg“ vom Leib zu ziehen.
Im darunter liegenden Bildband wird zunächst wieder ein kurzer Einblick in das traute Familienleben gegeben. Vater Hase geht mit seinem Sohne auf Pirsch, Mutter Hase betreut ihren Jüngsten im Buckelkorb. Dennoch wird auch hier die Idylle durch eine makabre Szene unterbrochen. Den gemütlich bei einer Tafelrunde versammelten Zechern wird auf einem Teller ein abgetrennter Menschenkopf serviert und, um der Gräulichkeit noch eins hinzuzusetzen, wurde diesem auch noch ein Hut mit einer Hahnenfeder aufgesetzt. Am rechten Ende sitzen vier Hasen an einer Tafel und befassen sich eingehend mit Schriftblättern.
Der nächste Fries ist einer anderen Art des Tierfanges gewidmet. Die Hasen begeben sich auf Fischfang. Noch vor Morgendämmerung reiten sie auf Hunden zu einem See, wo sie ihre Angeln und Netze auswerfen. Ein mit einer Laterne ausgerüsteter Hase leuchtet ihnen bei der dieser Arbeit.
Die unterste Reihe wird mit vier Szenen abgeschlossen. Zunächst versuchen zwei Hasen einen sich auf einen Baum geflüchteten Menschen herunter zu schütteln. Im nächsten Bild verlegen sich die Hasen auf die Vernichtung ihrer größten Feinde, nämlich der Füchse und Hunde. Ein Fuchs ist auf einer Lanze aufgespießt, ein anderer hängt auf dem Galgen und ein Hund wird mit Rutenschlägen traktiert. Besonders hervorgehoben wurde vom Maler die darauf folgende Darstellung. Er hat am oberen und unteren Rand Hasenköpfe mit Flügeln gemalt, die unweigerlich an Engelsköpfe mit Flügeln erinnern, wie sie damals in der Malerei der Renaissance üblich waren. Genussvoll braten hier sieben Hasen über einem Feuer einen Menschen, den sie auf einen Spieß gesteckt haben. Mit Hilfe von Blasebalg und Schüreisen beschleunigen sie die Garzeit. Das Ende dieser Szenerie bildet die Abrichtung eines Hundes. Ein Hase, mit einer Rute in der Hand, führt den an eine Leine oder in Ketten gelegten Hund aus seiner Hundehütte, während drei Hasen vom Hüttendach aus das Geschehen beobachten.
Obwohl die künstlerische Gestaltung der Fassadenbemalung eindeutig auf die Renaissance hindeutet, ist bisher trotz intensiver Recherchen sein Schöpfer unbekannt geblieben, ebenso auch der Auftraggeber und der Anlass dafür. Und dies wird wohl auch so bleiben, sofern nicht eine neue historische Quelle auftauchen sollte, die uns näheren Aufschluss über dieses Rätsel geben könnte. Jedenfalls hat sich auch Joseph Felner ausführlich mit der Frage befasst, wer wohl die Bemalung veranlasst haben könnte. Felner glaubte in einer Urkunde vom 10. Juni 1599[11] den Auftraggeber gefunden zu haben. Darin tauschte Martin Haas, Bürger des inneren Stadtrates und Handelsmann, seine zwischen den Althamerischen und Khuenburg’schen Häusern gelegene Behausung und Hofstatt in der Getreidegasse mit Erzbischof Wolf Dietrich gegen eine Behausung und Hofstatt am Fischmarkt zwischen dem Mauthaus und dem Haus des Stephan Hueber, Bürger und Handelsmann. In der Person des Martin Haas vermutete Felner nun den Besitzer des Hauses Kranzlmarkt Nr. 4 und glaubte daher, dass dieser wegen seines Namens die Hasenfassade an sein Haus anbringen hatte lassen.[12] Darin irrte sich Joseph Felner allerdings, denn Martin Haas war niemals Besitzer des „Hasenhauses“, denn das Haus, das er von Erzbischof Wolf Dietrich eingetauscht hatte, konnte als Haus Getreidegasse Nr. 1[13] identifiziert werden. Das genannte „Mauthaus“ hat heute die Adresse Rathausplatz Nr. 2[14], und das ehemalige „Hueberhaus“ ist heute Getreidegasse Nr. 3[15].
Das Motiv der „Verkehrten Welt“, in der sich die Mensch-Tier-Beziehung umkehrt und die Tiere wie Menschen handeln, reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück und führt herauf bis in die Gegenwart[16]. Denke man nur an den Kinokassenschlager „Planet der Affen“. Die älteste datierte Darstellung solcher Art findet sich aus dem Jahr 1175 auf einem Relief in der Klosterkirche von Königslutter am Harz, wo Hasen einen Jäger in Fesseln abführen. Im 16. Jahrhundert wird diese Thematik sehr beliebt und findet Eingang in die literarische und bildnerische Kunst. Einzeldarstellungen vom geplagten Hasenvolk, das einen Hasenkrieg gegen die menschliche Tyrannei führt, schmücken zahlreiche Keramikgegenstände und zieren den bürgerlichen Haushalt. Und nicht unbedeutende Künstler haben sich mit der „Verkehrten Welt“ beschäftigt, wie zum Beispiel Hans Sachs in seinem „Hasenepos“ oder auch Lucas Cranach, der ein Gemälde mit umgekehrten Hasen-Mensch-Szenen für Kurfürst Friedrich anfertigt, als sich dieser in Gefangenschaft befindet. Aber auch Hausfassaden mit grotesken Hasenjagd-Malereien zu gestalten ist Mode geworden, wie nicht nur das Salzburger „Hasenhaus“ zeigt. Denn auch in der Kärntner Straße in Wien gab es ein „Hasenhaus“, auf das auch Joseph Felner in seinen Ausführungen eigens hingewiesen hat.[17] Im Gegensatz zur Salzburger Fassade ist hier die Entstehungsgeschichte wohl bekannt. Dieses Haus war das sogenannte Haspelhaus, also der Amtssitz des kaiserlichen Hasenjägermeisters, dessen Hausfront 1509 auf Anordnung Kaiser Maximilians mit Hasenszenen verziert wurde. Nach einem Brand im Jahr 1525, bei dem das Fresko zerstört worden war, wurden am neu aufgebauten Haus die Wandmalereien wieder angebracht. Der berühmte Architekturzeichner Salomon Kleiner hielt 1749, kurz vor dem Abriss des Gebäudes, diese Fassade auf einem Kupferstich fest.[18]
Aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammen auch die humoristischen Deckengemälde vom Aufstand der Hasen gegen die Jäger im Hasensaal des Schlosses Buĉovice (Butschowitz) in Mähren, die auch heute noch zu bewundern sind. Verloren gegangen ist leider ein Großteil der Wandbilder im Hasenhaus des Jagdschlosses Augustusburg bei Chemnitz in Sachsen, das um 1570 Kurfürst August von Sachsen durch den Dresdner Hofmaler Heinrich Göding mit 90 Szenenfolgen über den Hasenkrieg malerisch ausgestalten ließ. Und im Jagdschloss Oranienburg bei Berlin sind noch Reste von Wandgemälden mit Hasenszenen aus dem Jahr 1696 zu bewundern, die der Berliner Hofmaler Samuel Theodor Gericke für Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, den späteren König Friedrich I. von Preußen, geschaffen hat.[19]
Dass sich die Kenntnis über das Aussehen der ehemaligen Hasenfassade am Haus Kranzlmarkt Nr. 4 bis in die Gegenwart überliefert hat, ist Leopold Hagenauer zu verdanken. Denn dieser hat vor dem Totalumbau des Hasenhauses, damit dieses den damaligen Anforderungen eines zeitgemäßen und modernen Wohn- und Handelshauses entspricht, eine detaillierte Aufnahme des alten Gebäudezustandes anfertigen lassen. Dazu gehörte auch die Abbildung der Hausfassade. Diese wird heute samt den dazugehörigen Architekturplänen im Salzburg Museum verwahrt.[20] Die Tuschemalerei, die Joseph Felner in den Band 2 seiner Familienchronik einbinden ließ, ist eine Kopie aus dem Jahre 1843. Signiert wurde diese von Joseph Mayer. Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei dem Kopisten um den Genre- und Kunstmaler Joseph Mayer (geb. am 7. 4. 1818 in Wald i. Pinzgau, gest. am 17. 3. 1865 in Saalfelden), der von 1854 bis 1859 als Zeichenlehrer am Salzburger Borromäum tätig war und um diese Zeit im Haus Getreidegasse Nr. 13 in Salzburg wohnte.[21] Joseph Mayer dürfte daher kein Unbekannter für Joseph Felner gewesen sein. Der feinsinnige Felner hat sich wohl Mayers künstlerischer Fähigkeiten bedient, um seine schriftlich niedergelegten persönlichen Erinnerungen und historischen Betrachtungen zum Hasenhaus auch illustratorisch dokumentieren zu können.
[1] Vgl. Hanna Hintner, Joseph Philipp Felner (1769-1850). Als Staatsmann, Historiker und Mensch. – phil. Diss., masch, Univ. Wien 1967; Friederike Zaisberger, Neuerwerbungen im Salzburger Landesarchiv (Schriftenreihe des Salzburger Landesarchivs, Nr. 1). – Salzburg 1983, S. 1-2; Johann Carl Pillwax, Der literarische Nachlaß J. P. Fellner’s, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Bd. 20, 1880, S. 84-90; Franz Martin, Die politische und amtliche Verfassung der Pfleggerichte Werfen, Mittersill und Saalfelden am Ende des 18. Jahrhunderts dargestellt von Josef Felner, in: MGSLK Bd. 67/68, 1927/28, S. 65-96. [2] Salzburger Landesarchiv (=SLA), Nachlass Felner Nr. 24. [3] SLA, Nachlass Felner Nr. 25. [4] Ebda., fol. 642-643. [5] Ebda., fol. fol. 644. [6] SLA, Doppler Häuserchronik Nr. 15; Vgl. Lorenz Hübner, Beschreibung der hf-erzbischöflichen Haupt- und Residenzstadt Salzburg und ihrer Gegenden verbunden mit ihrer ältesten Geschichte, Bd. 1. – Salzburg 1792, S. 141; Franz Valentin Zillner, Geschichte der Stadt Salzburg, Bd. 1. – Salzburg 1885, S. 204, 346; Julius Leisching, Das Salzburger Hasenhaus, in: Salzburger Museumsblätter, hg. v. Salzburger Museumsverein, 1923, Jg. 2, Nr. 6, S. 1–4; Wilfried Schaber, Das Hasenhaus – ein Salzburger Bürgerhaus verändert sich, in: Historischer Atlas der Stadt Salzburg (Schriftenreihe des Archivs der Stadt Salzburg, Bd. 11). – Salzburg 1999, III, 5. [7] SLA, Nachlass Felner Nr. 24, fol. 918, 938. [8] SLA, OU 1790 I 02; Notelbuch Salzburg Nr. 898 fol. 1-3; Vgl. Gunda Barth, Die Hagenauers. Ein Salzburger Bürgergeschlecht aus Ainring: Die Einbindung einer Handelsfamilie in Wirtschaft, Politik und Kultur Salzburgs im späten 17. und 18. Jahrhundert, in: Ainring. Ein Heimatbuch, hg. v. Gemeinde Ainring. – Ainring 1990, S. 312; Kurt Weinkammer, Strukturwandlungen im Salzburger Lebensmittelhandel in den letzten 50 Jahren, in MGSL, 2006, Bd. 146, S. 264. [9] Vgl. Wilfried Schaber, Das Hasenhaus, S. 1; Christiane Kreijs, Die Fassaden der Bürgerhäuser unter besonderer Berücksichtigung des 19. Jahrhunderts und der Zwischenkriegszeit (Bauformen der Salzburger Altstadt, Bd. 2). – Salzburg, 1994, S. 107. [10] Archiv der Stadt Salzburg, Städtisches Archiv, Buchförmige Archivalien Nr. 259, fol. 87 b. [11] Haus-, Hof- und Staatsarchiv, AUR 1599 VI 10. [12] SLA, Nachlass Felner Nr. 25, fol. 644. [13] SLA, Doppler Häuserchronik Nr. 236, Franz ValentinZillner, Geschichte der Stadt Salzburg, Bd. 1, S. 348. [14] SLA, Doppler Häuserchronik Nr. 235, Franz ValentinZillner, Geschichte der Stadt Salzburg, Bd. 1, S. 247- 348. [15] SLA, Doppler Häuserchronik Nr. 237, Franz ValentinZillner, Geschichte der Stadt Salzburg, Bd. 1, S. 349. [16] Vgl. Friedrich Sieber, Volk und volkstümliche Motivik im Festwerk des Barocks. Dargestellt an Dresdner Bildquellen (Veröffentlichungen des Instituts für Deutsche Volkskunde, hg. v. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Bd. 21). – Berlin 1960, speziell Hasenmotivik: S. 79–95. [17] SLA, Nachlass Felner Nr. 25, fol. 645. [18] Vgl. Julius Leisching, Das Hasenhaus in Wien, in: Zeitschrift für bildende Kunst, 1893; ders., Das Salzburger Hasenhaus, S. 2–3; Felix Czeike, Die Kärntner Straße (Wiener Geschichtsbücher, hg. v. Peter Pötschner, Bd. 16). – Wien 1975, S. 42–43. Peter Prange, Meisterwerke der Architekturvedute Salomon Kleiner, 1700 – 1761, zum 300. Geburtstag. Ausstellungskatalog zum Salzburger Barockmuseum, 19.7.- 27.8.2000, Architekturmuseum Schwaben, Augsburg, 7.9.- 22.10.2000, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, 19.1.- 28.2.2001 (Schriften des Salzburger Barockmuseums, Nr. 24). – Salzburg, 2000, S. 104-105. [19]Erich Hobusch, Hasengericht. Protokolliert von E. Hobusch, in: Forum lebendige Jagdkultur – Mit grüner Feder – Jäger von heute erzählen. – Wien 1998, S. 196-200; ders.: Verkehrte Welt – Vom Aufstand der Hasen gegen die Jäger, in: Unsere Jagd, Partner der Natur, 2006, H. 4, S. 66-67; Olav Helbig, Die Ausmalung des Venussaales der Augustusburg (Erzgebirge). – Magisterarbeit, masch. Technische Univ. Dresden 2000, S. 13–14; Helmut Caspar, Lusthaus, Kaserne und Museum. Das Schloß Oranienburg, in: Berlin im Detail, 1998, H. 12, S. 63–66. [20] Vgl. Wilfried Schaber, Das Hasenhaus. [21] SLA, Meldebuch der Stadt Salzburg M 1850-1864; Vgl. Nikolaus Schaffer, Mayr Josef, Artikel in: Salzburger Kulturlexikon, hg. v. Adolf Haslinger und Peter Mittermayr. – Salzburg 2001, S. 291; Zweiter Quartals=Bericht 1846 des städtischen Museums in Salzburg. – Salzburg 1846, III A Nr. 7; Vierter Quartals=Bericht 1847 des städtischen Museums in Salzburg. – Salzburg 1847, III A Nr. 9.