Der Ausbruch der Spanischen Grippe im Jahr 1918

Entstehungszeitraum: 1918
Entstehungsort: Salzburg
Objektart: Zeitung
Autor: o.A.
Artikel-Autor: Christian Flandera
Material: Papier, bedruckt
Größe: 
Standort/Signatur: Salzburg Museum, Zeitungssammlung
Physisch benutzbar: ja
Literatur: 

Im Jahr 1918 forderte die so genannte Spanische Grippe auch in Salzburg hunderte Todesopfer. Die Spanische Grippe, eine Pandemie riesigen Ausmaßes, wütete aber nicht nur in Salzburg, sondern nahezu weltweit. Im Zeitungsarchiv des Salzburg Museum finden sich zahlreiche Artikel über diese Seuche.

Der Name „Spanische Krankheit“ oder „Spanische Grippe“ bezieht sich nicht auf das Herkunftsland dieser Grippeform. Diese Bezeichnung war lediglich daher weitverbreitet, da in Spanien im Jahr 1918 keine Militärzensur herrschte – der Rest von Europa versank zu dieser Zeit noch im Ersten Weltkrieg – und so konnte dort von Beginn an über den Verlauf der Epidemie berichtet werden.

Der Ursprungsort der Influenza-Pandemie (Erreger: A/H1/N1) wird übereinstimmend in den USA – eventuell in Kansas – im März 1918 gesehen. Für die rasche Verbreitung der Krankheitserreger sorgte die US-Army, die Soldaten rund um den Globus verschiffte. Zur Erinnerung: Die USA waren am 6. April 1917 in den ersten Weltkrieg auf Seiten der Entente eingetreten.

Nach dem Ausbruch der Grippe im März 1918 waren rund 40 Prozent der US-Matrosen an Grippe erkrankt. Weltweit – am meisten betroffen waren Asien und Afrika – starben an der Spanischen Grippe im Zeitraum 1918 bis 1920 zwischen 25 bis 40 Millionen Menschen. Diese Form der Grippe kostete somit mehr Menschen als der gesamte 1. Weltkrieg in den vier Jahren zuvor das Leben. Die Todesursache waren meist entweder die Grippe selbst oder eine Lungenentzündung, die den geschwächten Körper befiehl.

Ab April 1918 erreichte die erste Grippewelle die deutsche Westfront. Wenige Wochen später, im Laufe des Juni, war die Grippe bereits im Inneren von Deutschland angekommen. Ende Juni 1918 erreichte die Grippe Bayern und damit München oder auch Nürnberg. Der erste Höhepunkt der Grippewelle legte das öffentliche Leben in Deutschland im Sommer 1918 nahezu lahm.

Ab Ende August 1918 breitete sich – wiederum von den USA her – eine zweite Welle aus. Deutschland wurde von dieser zweiten, oft tödlichen, Welle der Grippe ab Anfang Oktober 1918 erfasst. Generell muss die Datenlage als sehr schlecht bezeichnet werden, da zum einen die Pressezensur eine freie Berichterstattung verhinderte und zum anderen die turbulenten politischen Ereignisse dieser Tage (Kriegsende, Revolutionen etc.) die Berichterstattung der Tageszeitungen dominierten.

In Deutschland kamen auf 100 männliche Grippetode 122 tote Frauen – auch traf die Grippe am häufigsten Menschen zwischen 15 und 30 Jahre. Es wird vermutet, dass ältere Personen durch die Grippeepidemien des ausgehenden 19. Jahrhunderts immunisiert waren. Rund 300.000 Menschen dürften in Deutschland der Grippe zum Opfer gefallen sein.

Die Spanische Grippe in Österreich
Die erste, leichte, Welle der Grippe erreichte Wien Anfang Juli 1918 – flaute jedoch nach rund zwei Wochen wieder ab. Doch auch während dieser ersten Welle starben doppelt so viele Personen, wie sonst an Lungenentzündung bzw. Grippe, nämlich mehr als 100 Personen pro Woche. Auch z.B. Tirol wird Anfang Juli – wie beinahe die gesamte Monarchie – von der Grippewelle erfasst. Der Verlauf dieser ersten Welle wird allgemein als „harmlos“ beschrieben.

Aufgrund des dramatischen Verlaufs der Grippe zu Herbstbeginn 1918 (2. Welle) in der Schweiz befürchteten die Wiener Behörden anfangs, dass es sich um die Lungenpest handeln könnte. Man sandte daher den anerkannten Pathologen und Spezialisten für Pest- und Tuberkuloseerreger, Univ.-Prof. Dr. Anton Ghon (1866-1936), an die Schweizer Grenze, um sich selbst ein Bild zu machen, da in der Bevölkerung entsprechende Gerüchte kursierten.

Anfang Oktober 1918 befasst man sich bereits im Reichsrat mit der Frage der Bekämpfung der Spanischen Grippe. Zu diesem Zeitpunkt war man noch optimistisch, dass die Grippeepidemie weniger tödlich verlaufen würde als jene des Jahres 1889/90. In Wien ging man zu dieser Zeit von rund 110-150.000 an Grippe erkrankten Personen aus – dies bei einer Gesamtbevölkerung von 2,2 Millionen. Im Oktober stieg in Wien die Sterblichkeit auf 38,2 von 1.000 Einwohnern und lag im November immer noch bei 32,7 – der Jahresschnitt 1918 betrug 22,5 Todesfälle auf 1.000 Bewohner!

Auf Wunsch des Landessanitätsrats wurden in Wien alle Theater- und Kinoaufführungen sowie Vorträge etc. in der zweiten Oktoberhälfte 1918 untersagt. Weiters wurde in Wien von den Friedhofsbesuchen zu Allerseelen abgeraten und kein Allerheiligenverkehr durch die Straßenbahnen angeboten, um die Gesundheit zu schonen und keine Menschenansammlungen zu produzieren.

Die Spanische Grippe in Salzburg
Ähnlich wie in Wien kam die „Spanische Grippe“ vorerst nur publizistisch in Salzburg an – nämlich erstmals am 14. Juni 1918. Die sozialdemokratische Tageszeitung „Salzburger Wacht“ berichtete an diesem Tag darüber, dass die „Spanische Krankheit“ nach nur kurzer Dauer wieder stark zurückgegangen sei. Und weiter: „Die mysteriöse Krankheit ist jedoch langwieriger als man anfangs angenommen hatte. Die Folgen derselben sind in manchen Fällen tödlich. Der Ausbruch der Epidemie hat die Sterblichkeitsziffern erhöht.“ Die erste Grippewelle erreichte die Stadt Salzburg Anfang Juli 1918. Am 5. Juli 1918 berichtete die Zeitung „Salzburger Wacht“ von den ersten Fällen. Sie verlief aber auch in Salzburg relativ glimpflich, da die erkrankten Personen meist nur ein paar Tage ans Bett gefesselt waren.

Die zweite – viel tödlichere – Welle erreichte Salzburg Anfang September 1918. So berichtete die „Salzburger Chronik“ am 3. September über zahlreiche Opfer „der spanischen Krankheit“ in Radstadt und Umgebung. Auch die „Salzburger Wacht“ berichtete von sieben Todesopfern in Radstadt in nur einer Woche und führte dies auf die, durch Hunger, geschwächten Körper der Opfer zurück.

Doch die Salzburger Behörden sahen keinen Grund zur Sorge. Laut amtlichen Mitteilungen des Salzburger Stadtsyndikus in der „Salzburger Chronik“ gab es im gesamten September 1918 in der Stadt Salzburg keinen einzigen Fall einer Infektionskrankheit im Zusammenhang mit der Spanischen Grippe und er beruhigten vorerst: „Wie uns vom Stadtsyndikus mitgeteilt wird, sind fast alle Erkrankungsfälle sehr rasch in günstiger Weise verlaufen, so dass Komplikationen nur in verschwindend kleiner Zahl eingetreten sind.“ (Salzburger Volksblatt, 8.10.1918)

Erst am 1. Oktober meldete die „Salzburger Chronik“, dass die Obduktion eines 17-jährigen Burschen aus der der Stadt Salzburg, er war am 30. September verstorben, als Todesursache die Spanische Grippe ergeben hätte.

Ob es sich bei den veröffentlichten Informationen um eine krasse Fehleinschätzung der verantwortlichen Ärzte oder um eine Auswirkung der Zensur handelte kann mit dem derzeitigen Forschungsstand nicht beantwortet werden.

Jedenfalls wurde, wegen der zahlreichen Erkrankungen, das Heizverbot für Koks, Kohle und Briketts von der Landesregierung nicht erst am 14. Oktober 1918 – wie ursprünglich geplant – sondern schon am 10. Oktober aufgehoben.

Im Gegensatz zu diesen Meldungen steht beispielsweise, dass auf Anordnung des Halleiner Bezirksarztes bereits am 27. September alle Schulen in Hallein geschlossen wurden, da zu viele Kinder an der Grippe erkrankt waren. In den folgenden Tagen und Wochen folgten die Schulen der Stadt Salzburg und beinahe aller Salzburger Gemeinden. Teilweise mussten die Schulen bis Anfang November 1918 gesperrt werden. Die in der Stadt Salzburg vorerst nur für eine Woche (ab 9. Oktober) ausgesprochene Sperre musste schließlich verlängert werden, da die Epidemie nicht abflaute. Letztendlich blieben die Schulen der Stadt Salzburg von 9. Oktober bis 5. November 1918 geschlossen. Einzig das Borromäum in der Stadt Salzburg wurde – aus noch unbekannten Gründen – nicht geschlossen.

Wobei verfrühte Schulöffnungen – wie sie in einigen Gemeinden versucht wurden – auf wenig Verständnis bei den Medien stießen. Generell wurde in den Medien – so es die Zensur zuließ – die Versäumnisse der Behörden kritisiert. So wurde in der „Salzburger Wacht“ am 16. Oktober 1918 die Untätigkeit der Behörden an den Pranger gestellt und insbesondere die mangelhafte medizinische Versorgung der Bevölkerung thematisiert.

Im St. Johannes-Spital in der Stadt Salzburg wurde in den Sterbematriken, die das Archiv der Erzdiözese aufbewahrt, erstmals am 13. Oktober 1918 als Todesursache die „Pneumonia Spanische Grippe“ angeführt – insgesamt wurde diese Diagnose im Oktober 1918 in diesem Spital noch 24 weitere Male gestellt.

Während des Ganzen Oktobers 1918 überschlugen sich in den Medien die Horrormeldungen von Orten in den nahezu alle Bewohner erkrankt seien. Am 7. Oktober vermeldete die „Salzburger Chronik“ alleine für die Stadt Salzburg 10 Todesopfer aufgrund der Spanischen Grippe. Und in den Tagen darauf wurden zahlreiche Todesopfer aus den verschiedenen Salzburger Gemeinden medial beklagt. Das einzige Gegenmittel, das die Zeitungen empfehlen konnten war Bettruhe und rote Rüben. Am 15. Oktober riet die „Salzburger Chronik“: „Den Angehörigen der Schüler wird neuerdings und dringendst nahegelegt, auch den Besuch öffentlicher Versammlungs-Orte, wie namentlich Kino, Theater, Gasthäuser u. dgl. seitens der Jugendlichen der Ansteckungsgefahr wegen strengstens hintanzuhalten.“ Im St. Johanns-Spital musste Mitte Oktober 1918 bis auf weiteres der Krankenbesuch verboten werden, um die Krankheit nicht noch mehr zu verbreiten.

Aufgrund dieser dramatischen Situation trat am 10. Oktober 1918 der Landessanitätsrat zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, die nur die Spanische Grippe als Tagesordnungspunkt hatte. In dieser Sitzung wurde beraten, ob Kinos, Theater etc. auch in Salzburg geschlossen werden sollten. Ebenso wurde die Frage der öffentlichen Aufbahrung von Grippetoten bzw. die Aufbahrung in Privatwohnungen beraten. Da man aber der Ansicht war, dass der Höhepunkt bereits überschritten sei verständigte man sich darauf keine weiteren Verschärfungen vorzunehmen. Die Empfehlungen des Landessanitätsrats wurden unter der Nummer „z.Zl. 16.969“ am 15. Oktober 1918 auch an die Medien verteilt. Am 17. Oktober wurde der Text zB in der „Salzburger Chronik“ abgedruckt. Der Wiener Landessanitätsrat hatte hingegen rigorose Versammlungsverbote erlassen, um die Ansteckungsgefahr zu reduzieren, und sah auch Ende Oktober noch keine Veranlassung dies zu ändern.

Die Epidemie ebbte im Land Salzburg erst gegen Ende November 1918 ab. Im Jahresschnitt 1914 bis 1917 starben in Land Salzburg 331 Menschen an Lungenentzündung; im Jahr 1918 waren es 962 Menschen! Salzburg hatte mit einer 65%igen Steigerung, noch vor Wien, die stärkste Zunahme bei der Sterblichkeit bezogen auf den mehrjährigen Durchschnitt. In der gesamten Republik sprang der Wert von durchschnittlich 10.547 auf 21.065 Opfer an.

Ob das negieren einer Gefahr durch die Salzburger Behörden diese Entwicklung unterstützt haben kann nach fast 100 Jahren nicht mehr festgestellt werden. Es kann aber durchaus angenommen werden, dass im Land Salzburg im Jahr 1918 zwischen 600 und 1.000 Personen der Spanischen Grippe zum Opfer fielen. Das Land Salzburg zählte damals rund 212.000 Menschen. Neben der Spanischen Grippe verstarben in diesem Jahr auch zahlreiche Menschen an der Ruhr, Typhus oder Fleckfieber.

Bekannte Todesopfer in Österreich waren unter anderem Edith (28.10.1918) und Egon (31.10.) Schiele.