Bei der „Konvention zwischen Bayern und Österreich über die beiderseitigen Salinenverhältnisse vom 18. März 1829“ handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen dem Kaisertum Österreich und dem Königreich Bayern. Darin wurden im Wesentlichen die Eigentumsverhältnisse der bayerischen Waldbesitzungen im Pinzgau (Saalforste) und die österreichischen Salzabbaurechte auf der bayerischen Seite des Dürrnberges geregelt. Die sogenannte „Salinenkonvention“ wurde im Jahr 1957 durch die Republik Österreich und den Freistaat Bayern novelliert und besitzt bis heute Gültigkeit. Sie ist somit auch der älteste noch gültige Staatsvertrag Europas.[1]
In gewisser Hinsicht ist die Salinenkonvention die Kulmination der vielfältigen Rechtsvereinbarungen die zur Regelung der bis weit ins Mittelalter zurückreichenden und nur selten konfliktfreien Beziehungen zwischen Salzburg, der Fürstpropstei Berchtesgaden und Bayern um die Nutzung der Wälder im Pinzgau geschlossen worden waren. Die Konflikte rund um den Salzabbau und die Wälder im Pinzgau resultierten aus der besonderen wirtschaftlichen – und damit auch machtpolitischen Bedeutung – die dieser Grundstoffindustrie bis in das späte 19. Jahrhundert hinein innewohnte. Zu Recht hat bereits Friederike Zaisberger darauf hingewiesen, dass sich die Komplexität der Konfliktmaterie aus dem Umstand ergab, dass es sich dabei nicht „nur“ um ein salzburgisch-bayerisches Problem handelte, sondern um ein Gemenge von verschiedenen Besitzinteressen.[2]
Seit dem frühen Mittelalter nahm der Stellenwert des Salzabbaus und des Salzhandels einen hohen, ja geradezu prägenden Einfluss auf die Wirtschaftsstruktur des salzburgisch-bayerischen Grenzraumes entlang der Salzach und Saalach ein. Da der wirtschaftliche Raum aber nicht deckungsgleich war mit dem politischen, resultieren daraus Raum- und Verteilungskonflikte um den Rohstoff Holz, der zur Energieversorgung der Saline in Reichenhall benötigt wurde. Diese Konflikte erforderten daher eines hohen Regelungsbedarf. Die Notwendigkeit dafür resultierte aus einer Schenkung von 20 Salzsieden die Herzog Theodor bereits im 8. Jahrhundert dem Stift Salzburg machte. Insgesamt 19 weitere ergingen an das Kloster Nonnberg. Weitere Anteilsbesitzer des Reichenhaller Sudwesens waren später andere Klöster, aber auch Private, die zu ihren Pfannen dazugehörige Waldgebiete im Saalachtal miterhielten.[3] Diese Anteile wurden in der Folge seit dem 13. Jahrhundert von den Bayernherzögen wieder eingelöst. Als im Jahr 1228 die beiden Grafschaften im Pinzgau durch Herzog Ludwig dem Reich „aufgesendet“ wurden und Erzbischof Eberhard II. von Salzburg vom Kaiser mit diesen belehnt wurde, errangen die Salzburger Erzbischöfe damit die Territorialherrschaft auch über das Saalachtal. Damit verbunden war, dass Bayern schließlich die Salzburger Landeshoheit anerkennen und die Holzgewinnung in den dortigen Wäldern versteuern musste. Das bedeutete in der Konsequenz, dass die Energieversorgung der Saline in Reichenhall, die den Großteil ihres Holzbedarfs aus den Pinzgauer Wäldern bezog, nunmehr im Ausland lag. Wie nicht anders zu erwarten kam es in der Folge zu häufigen Nutzungskonflikten, nicht zuletzt durch die lokale Nutzungen durch Salzburger Bauern in den für die Saline in Berchtesgaden gewidmeten Wäldern. Ein erster vertraglicher Regelungsversuch war ein im Jahr 1412 zwischen Salzburg und Bayern abgeschlossener Vertrag, der unter anderem festlegte, dass die Wälder von einer beiderseitigen Kommission unter Beiziehung von Anrainern begangen, die Grenzmarken überprüft, und Missstände aufgezeigt und abgestellt werden sollten.[4] Die weiter anhaltenden Nutzungskonflikte führten rund ein Jahrhundert später zum Vertrag von Mühldorf von 1525, in dem Bayern seinen Zugriff auf die Salinenwälder sicherstellen konnte, die Salzburger Forsthoheit aber anerkennen musste. Umstritten blieb aber, ob der Vertrag Bayern nur ein unbefristetes Nutzungsrecht oder aber ein tatsächliches Eigentumsrecht zusprach.[5]
Der Salinenhauptvertrag von 1781
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts unternahmen Salzburg und Bayern einen Versuch die immer wieder auftretenden Konflikte um die Waldbesitzungen einer endgültigen Lösung zuzuführen. Das Ergebnis dieser Bemühungen war der sogenannte „Salinen-Hauptvertrag“[6], der vom letzten regierenden Salzburger Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo (1732-1812, Regierungszeit 1772-1803) und Kurfürst Carl Theodor von Pfalz-Bayern (1724-1799, Regierungszeit 1777-1799) am 4.2.1781 in München unterzeichnet wurde. In diesem Vertrag wurde die alte Garantie des Reichenhaller Holzbezugs aus den Wäldern im Pinzgau bestätigt. Aber die wenige Jahre danach eintretenden Entwicklungen im Gefolge der französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen veränderten die politische Landschaft erheblich und führten in der Folge zum Verlust der Selbstständigkeit Salzburgs, womit die Wirksamkeit des Vertrages endete.[7]
Die Salinenkonvention von 1829
Nach mehrmaligem Herrschaftswechsel kam nach dem Ende der napoleonischen Kriege das nunmehr verkleinerte Salzburg im Zuge der Regelungen des Wiener Kongresses am 1.5.1816 endgültig zum österreichischen Kaiserreich, während Berchtesgaden und der Rupertiwinkel bei Bayern verblieben. Dies hatte auch unmittelbare Auswirkungen auf die Beziehungen zu Bayern, denn der österreichische Staat betrachtete eine weitere Holzgewinnung aus dem Saalachtal für die Saline in Reichenhall als nicht mit seinen Interessen im Einklang stehend und untersagte diese. Es kam daher zu langwierigen Verhandlungen in deren Zuge die bayerische Seite als Gegenstrategie erstmals eine Verbindung zwischen dem nunmehr österreichischen Salzbergbau auf der bayerischen Seite des Dürrnbergs und den bayerischen Besitzansprüchen auf die Saalforste im Pinzgau herstellte. Zunächst dachte man daran das Problem durch einen Gebietstausch zu lösen. Daher wurde 1822 auf Antrag Bayerns durch den österreichischen Generalquartiermeisterstab ein Plan für gegenseitige Tauschgebiete ausgearbeitet, der allerdings beide Seiten nicht zufriedenstellte.[8] Zu einem Durchbruch in den langwierigen Verhandlungen kam es schließlich mit der Einsetzung einer Expertenkommission unter dem k.k. Hofrat Franz Panzenberger auf österreichischer und Ministerialrat Thomas Knorr auf bayerischer Seite.[9] Der von den beiden ausgearbeitete Entwurf der Konfliktregelung mündete in die Salinenkonvention von 1829.
In dieser „Konvention zwischen Bayern und Österreich über die beiderseitigen Salinenverhältnisse vom 18. März 1829“, so der offizielle Titel, regelten die beiden Vertragspartner in sechs Abschnitten die strittigen Fragen. Österreich anerkannte die Besitzrechte an den im Grundbuch der Krone Bayerns eingetragenen und zur Saline in Reichenhall gehörenden Wäldern und gestattete die Holzausfuhr zu der seit 1619 bestehenden Saline Traunstein. Die Saalforste wurden damit „als volles unwiderrufliches Grundeigentum für ewige Zeiten Steuer- und Abgabefrey, jedoch unter k.k. oesterreichischer Souveränität“ dem bayerischen Staat zugesprochen.[10]
Eine Reihe von Waldungen im Glemm- und im Leogangtal sowie in Lofer der Hundfuß und der ehemals berchtesgadnische Zinswald Struppberg wurden als österreichische Saalforste ausgeschieden und an Österreich abgetreten.[11] Die Nutzungsrechte der Salzburger Bauern in den Saalforsten wurden anerkannt und zwischen 1829 und 1932 in der Folge Liquidationsprotokolle über die Holzbezugs- und Weiderechte angelegt. Im dritten Vertragsabschnitt wurde vereinbart, dass Österreich auf einem genau definierten Grubenfeld auf dem Dürrnberg auf bayerischem Gebiet, unbeschränkt und abgabefrei, jedoch unter bayerischer Souveränität Salz abbauen dürfe.[12]
Die Salinenkonvention stellte damit eine endgültige Klärung der jahrhundertelangen Auseinandersetzungen um die Rohstoffe in diesem Grenzgebiet dar. Zu Recht hebt Fritz Koller das rechtspragmatische Verständnis hervor, dass diesem Vertrag zu Grunde liegt, wenn er feststellt: „In einer Zeit, in der die Staatskunst die Schaffung eines souveränen, von allen fremden Rechten freien Staates als Maxime formulierte, gestanden Bayern und Österreich im Pinzgau und am Dürrnberg dem jeweiligen Nachbarn solche Rechte zu.“[13]
Die Salinenkonvention blieb über alle folgenden staatsrechtlichen Veränderungen der Jahre 1871 (Gründung des Deutschen Reiches) und 1918 (Ausrufung der Republik im Deutschen Reich, Zerfall der Habsburgermonarchie und Gründung der Republik Österreich) bis zum Jahr 1938 in Kraft. Zwar gab es verschiedene Versuche von Salzburger Seite die Salinenkonvention zu novellieren, denen allerdings kein Erfolg beschieden war.[14]
Nach dem „Anschluß“ im Jahr 1938 wurden alle zwischenstaatlichen Regelungen als obsolet erklärt.
Die Novellierung der Salinenkonvention 1957
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges stellten die Alliierten die Saalforste als sogenanntes „Deutsches Eigentum“ in Österreich unter „property control“ und unterstellten es treuhänderisch österreichischen Stellen zur Verwaltung. Österreich verweigerte daher in den Nachkriegsjahren die Anwendung der Salinenkonvention. Nach Abschluss des Staatsvertrages im Jahr 1955 begannen schließlich Verhandlungen um eine Neuordnung der alten Salinenkonvention, die am 24.3.1957 im Münchner Abkommen zu einem erfolgreichen Abschluss kamen. Das Abkommen, das am 8. Juli 1958 in Kraft trat, erneuerte die Salinenkonvention von 1829 und definierte einige Anpassungen im Hinblick auf die Nutzungsrechte. So verpflichteten sich die beiden Vertragspartner unter anderem die jeweils geltenden Jagd- und Forstrechte im von ihnen genutzten Gebiet zu respektieren. Weiters wurde das auf bayerischem Gebiet liegende Grubenfeld auf dem Dürrnberg ausgeweitet.
Bemerkenswert ist, dass diese Verhandlungen noch eine zweite, innerdeutsche Ebene, bei der es um den außenpolitischen Handlungsspielraum Bayerns als Teilstaat der Bundesrepublik Deutschland ging, beinhaltete. Die bayerische Staatsregierung versuchte dabei – im Konflikt mit der deutschen Bundesregierung in Bonn – durch die Novellierung des alten, aus der Zeit des souveränen bayerischen Königreiches stammenden Vertrages, die Kontinuität der bayerischen Staatlichkeit zu demonstrieren und damit die außenpolitische Handlungsfähigkeit des Freistaates zu demonstrieren.[15]
Die in früheren Jahrhunderten so dominanten Aspekte des Salzabbaus und der Energieversorgung spielen heute keine Rolle mehr. Die Reichenhaller Saline stellte bereits um 1900 auf Kohlefeuerung um, und der Salzbergbau auf dem Dürrnberg wurde Ende Juli 1989 eingestellt. Der Standort war nicht mehr rentabel, die Technik veraltet und das Monopol stand vor dem Aus. Die Österreichische Salinen AG zog daraus die Konsequenzen und beendete den Betrieb. Dessen ungeachtet sind die Bestimmungen der Salinenkonvention nach wie vor in Kraft. Der Freistaat Bayern besitzt in Form der Salinenwälder rund 18.500 Hektar Gesamtfläche im Pinzgau, die von den Bayerischen Staatsforsten in fünf Forstbezirken (Falleck, Leogang, St. Martin bei Lofer, Unken 1 und Unken 2) verwaltet werden. Bewirtschaftet werden die Saalforste seit der bayerischen Forstverwaltungsreform von 2005 durch den Forstbetrieb in St. Martin bei Lofer.
[1] Vgl. Peter Putzer, Die Salinenkonvention von 1829. Europas ältester noch gültiger völkerrechtlicher Vertrag. Vorgeschichte, Entstehung, Weiterentwicklung, aktuelle Rechtsprobleme. In: Estudios de historia del derecho Europeo. Homenaje al Profesor G. Matinez Diez. – Vol.2., Madrid 1994, S. [125]-142. Der Staatsvertrag ist nicht zu verwechseln mit einem diplomatischen Bündnisvertrag. Dementsprechend ist der älteste noch gültige Bündnisvertrag in Europa der im Jahr 1389 geschlossene und nie aufgekündigte „Vertrag von Windsor“ zwischen Portugal und England. Vgl. Jürgen Matz, Die 1000 wichtigsten Daten der Weltgeschichte. München 2000, S. 52.
[2] Vgl. Friederike Zaisberger, Die Salinenkonvention. In: 150 Jahre Salinenkonvention Bayern-Österreich. Bayerische Saalforste im Salzburger Land (Sonderdruck der Allgemeinen Forstzeitschrift Nr. 22/1979). München 1979, S. 589-591, S. 589.
[3] Vgl. Zaisberger, Salinenkonvention (wie Anm. 2), S. 589.
[4] Vgl. Ebd.
[5] Vgl. Alexander Wegmaier, Außenpolitik im Föderalismus. Die bayerisch-österreichische Salinenkonvention von 1957. (Forschungen zur Landes- und Regionalgeschichte, 12). St. Ottilien 2011, S. 22.
[6] Haupt-Vertrag zwischen Carl Theodor von Pfalz-Bayern und dem Erzbischof Hieronymus von Salzburg, den Verschleiß des halleinischen Salzes betreffend, München den 4. Februar 1781. In: Carl Maria von Aretin (Hrsg.), Chronologisches Verzeichnis der bayerischen Staats-Verträge vom Tode Herzogs Georgs des Reichen (1503) bis zum Frankfurter Territorial-Recess (1819). Nebst einer Sammlung von 94 bisher ungedruckten Recessen, Conventionen, Protokollen und anderen in gleiche Kategorie gehörenden Urkunden. Passau 1838, S. 436-475.
[7] Vgl. Zaisberger, Salinenkonvention (wie Anm. 2), S. 589.
[8] Vgl. Zaisberger, Salinenvertrag (wie Anm. 2), S. 590, sowie Wegmaier, Außenpolitik (wie Anm. 5), S. 23-24.
[9] Zur Arbeit der Expertenkommission siehe den Beitrag von Hans Kroczek, Zur Geschichte der Saalforste und der Salinenkonvention, 2. Teil. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 105. Salzburg 1965, S. 259-375.
[10] Wegmaier, Außenpolitik (wie Anm. 5), S. 24.
[11] Vgl. Zaisberg, Salinenvertrag (wie Anm. 2), S. 591.
[12] Vgl. Wegmaier, Außenpolitik (wie Anm. 5), S. 25.
[13] Fitz Koller, Kurze Geschichte der Saalforste bis zur Salinenkonvention 1829. In: Saalforste. Bayerns Wälder in Österreich. Hrsg. von den Bayerischen Staatsforsten Forstbetrieb St. Martin bei Lofer. Waging 2013, S. 9.-31, S. 30.
[14] Vgl. Alfred Höck, Begrenzte Ressourcen. Salzburg und die Bayerischen Saalforste im Spannungsfeld der Zwischenkriegszeit. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Jg. 154/155 (2014/2015), S. 571-598.
[15] Siehe hierzu ausführlich die Arbeit von Wegmaier (wie Anm. 5).