Hätte es 1929 schon Fernsehen mit Liveübertragung gegeben, es wäre wohl halb Österreich vor dem Bildschirm gesessen, und hätte mit Georg Prinz Lobkowitz (1907-1932) auf Bugatti oder auch Max Graf Arco-Zinneberg (1908-1937) auf Mercedes mitgefiebert, als diese und etliche weitere Starter in Autos oder auf Motorräder zum ersten Mal die knapp 12 km lange Strecke von Gnigl hoch auf die Gaisbergspitze jagten. Mit dieser Sportveranstaltung am „Hausberg der Salzburger“, bei der mehr als 20.000 Zuschauer die Rennstrecke säumten, wurde ein Rennereignis gestartet, dass zwischen 1929 und 1969 in wechselnder Form 18-mal ausgetragen wurde und im internationalen Rennzirkus eine nicht unbedeutende Rolle spielen sollte.
Das Salzburg Museum ist seit langem bemüht, Fotografien dieser Rennveranstaltungen in die Fotosammlung einzupflegen. Dankenswerterweise übernimmt der Salzburger Museumsverein immer wieder die Rolle des verlässlichen Sponsors und unterstützt die Sammlungsleitung beim Ankauf der gewünschten Objekte.
Die Anfänge und das erste Rennen 1929
Österreichs erste Höhenstraße, also eine Straße die nicht für den Verkehr von Ort zu Ort, sondern gezielt zur Förderung des Fremdenverkehrs errichtet wurde, war ein Projekt des weitsichtigen und „automobilverliebten“ Salzburger Landeshauptmanns Franz Rehrl (1890-1947). Nach deren Fertigstellung im Mai 1929 riefen der damalige Präsident des Salzburger Automobil-Clubs Franz Freiherr von Preuschen (1867-1938) und der Bayerische Automobil-Club das Rennen im selben Jahr ins Leben. Am Freitag, den 6. September begannen die Trainingsläufe und am Sonntag starteten die Teilnehmer in unterschiedlichen Klassen ins Rennen. Die Bestzeiten für die 11,9 km und 800 m Höhendifferenz lagen in diesem Jahr bei den Automobilen noch bei 8min50sek (Graf Arco-Zinneberg) und bei den Motorrädern bei 8min18sek (Josef Walla). Diese Durchschnittsgeschwindigkeiten von etwas über 80km/h sollten vom technischen Fortschritt der folgenden Jahrzehnte schnell und vor allem deutlich übertroffen werden.
Europäische Bergmeisterschaft und adlige Starter
Die Eignung der Strecke für Bergrennen ergab sich nicht ganz durch Zufall. Schon während der Bauarbeiten von 1928 auf 1929 wurde stets ein Fachmann für den Rennstreckenbau zurate gezogen, da Bergrennen zu jener Zeit in Europa groß in Mode kamen. Dem Publikumsinteresse des ersten Rennens geschuldet, wurde bereits 1930 das Ereignis live im Radio übertragen. Dazu platziere die RAVAG, die Vorgängerorganisation des ORF, einen Sendewagen am Gaisberg und verlegte zusätzlich 50 km Kabel entlang der Rennstrecke, um das angereiste Publikum via Lautsprecher über das aktuelle Renngeschehen am Laufenden zu halten.[i] Neben internationalen Rennsportgrößen bzw. Werksfahrern der großen Fahrzeugmarken starteten auch begüterte Bürger, zahlreiche Adlige oder auch lokale Künstler mit ihren Privatfahrzeugen. So hatte z.B. der Maler Georg Jung (1899-1957) als Erbe des Salzburger Hotel de l´Europe die finanziellen Möglichkeiten, hier an den Start zu gehen. (Abb. 3) Man hatte fast den Eindruck, dass die gesamte Salzburger „Hautevolee“ nach dem obligatorischen Festspielbesuch ihre Fahrzeuge einer staunenden Menschenmasse vorführen wollte. Dazu passte auch, dass die ersten Sprecher der Live-Übertragung der spätere Mozarteumsdirektor Prof. Bernhard Paumgartner (1887-1971) und der Künstler Wolfgang von Karajan (1906-1987) waren. Insgesamt gingen an diesem Rennwochenende 50 Motorräder und 39 Autos an den Start.
Bereits 1930 wurde von einer Vorläuferorganisation der Fédération Internationale de l´Automobile (FIA) die „Europäische-Bergmeisterschaft“ ins Leben gerufen, bei der der Europameister aus 10 Rennen in 10 Ländern ermittelt wurde. Unter den Rennstrecken findet man überaus bekannte wie jene in Shelsley Walsh in England, das Klausenpassrennen in der Schweiz oder das Schauinsland-Rennen in Deutschland. Das Salzburger Gaisbergrennen war von 1932 bis 1933 sowie von 1957 bis 1969 Teil dieser international sehr renommierten Rennserie. Diese Teilnahme ist auch der Grund dafür, dass nicht in jedem Rennjahr Motorräder an den Start gingen (1929-1933, 1960, 1966-1969). Die Veranstalter sahen in den Rennen vor allem eine Veranstaltung für Automobile. (Abb. 4)
Die 1000-Mark-Sperre, der Höhenflug von Alfa Romeo und das vorläufige Aus
Die Rennjahre 1932 und 1933 waren dominiert von den Erfolgen der Automarke Alfa Romeo. So waren allein 1932 die ersten vier Platzierungen in der Sportwagenklasse bis 2 Liter Hubraum Fahrzeuge dieser Marke. In der 3 Liter-Klasse erreichten sie Rang 2, 3 und 4 und in der Rennwagenklasse, also der Königsklasse, errang die Berühmtheit Rudolf Caracciola (1901-1959) auf einem Alfa Romeo den Gesamtsieg. Im Folgejahr 1933 hatte Enzo Ferrari (1898-1988) die Leitung des Rennstalls von Alfa Romeo sowie von den 19 Startern dieser Marke am Gaisberg übernommen. Sowohl in der Sportwagen- als auch in der Rennwagenklasse ging der Sieg an Alfa Romeo. Rückblickend hatte diese italienische Dominanz auch einen anderen, einen politischen Hintergrund. Mit der Verhängung der 1000-Mark-Sperre (1933-1936) durch Nazi-Deutschland, die zur Destabilisierung der österreichischen Wirtschaft und Gesellschaft führen sollte, kamen zum einen viel weniger deutsche Zuschauer und traten zum anderen auch keine deutschen Fahrer bzw. deutsche Fahrzeuge zum Start bei diesem letzten Gaisbergrennen vor dem 2. Weltkrieg an.[ii]
Zurück im internationalen Rennzirkus nach 23 Jahren
Die Weltwirtschaftskrise und die 1000-Mark-Sperre ließen neben weiteren Gründen ab 1934 keine weiteren Rennen am Salzburger Hausberg zu, und es sollten über zwei Jahrzehnte vergehen, bis die großen Namen der internationalen Rennsportszene sich wieder ein Stelldichein in Salzburg gaben. Die Wiederaufnahme des Bergrennens begann zunächst als nationales Ereignis mit Wertungsfahrten ab 1948. Mit dem Jahr 1957 kehrte man zurück auf die europäische Ebene als Teil der Europäische-Bergmeisterschaft mit dem Großen Bergpreis von Österreich. Gestartet wurde aber nun nicht mehr bei der Obuskehre in Gnigl, sondern in Guggenthal, was die Rennstrecke auf ca. 8,6 km und den Höhenunterschied auf 672 m verkürzte.
Das „Who is Who“ der Rennsportszene gibt sich die Ehre
Die FIA hat mit dem Jahr 1957 die Europäische Bergmeisterschaft wiederbelebt, und der Wettkampf am Gaisberg war eines von 6 Rennen in dieser Saison. Das internationale Flair war unmittelbar mit diesem Neustart zurückgekehrt. Neben den lokalen Renngrößen und den wie immer zahlreich vertretenen italienischen Fahrern traten auch der berühmten Deutsche Hans Herrmann (*1928), der Schweizer Willy Daetwyler (1919-2001) oder auch der Austro-Amerikaner John von Neumann an, ein Ferrari-Händler und Rennfahrer aus Hollywood. (Abb. 5) Von Neumann gewann in der Sportwagenklasse über 2 Liter Hubraum, und Hans Herrmann siegte in der 1,5 Liter-Klasse und belegte in der Gesamtwertung den 2. Platz. Der Gesamtsieg an diesem Tag ging an den Schweizer Daetwyler in seinem Maserati in der Klasse bis 2 Liter. In der freien Rennwagenklasse belegte der Tiroler Otto Mathé (1907-1995) auf seinem Bardahl-Porsche 1500 den ausgezeichneten 2. Platz. Der dreimalige Formel-1-Weltmeister Niki Lauda (1949-2019), der in seiner frühen Rennfahrerzeit ebenfalls am Gaisbergrennen teilgenommen hat, bezeichnete Mathé wiederholt als Idol seiner Kinderzeit. Aber nicht nur Lauda in seinen Anfangsjahren, auch bereits etablierte Größen aus der Formel 1 waren im Starterfeld am Gaisberg zu finden. Es war zu jener Zeit nämlich durchaus noch üblich, dass diese auch in anderen Rennserien ihr Geschick unter Beweis stellen konnten. Daher durfte es nicht überraschen Namen wie Wolfgang Graf Berghe von Trips (1928-1961), Jochen Rindt (1942-1970) oder auch Dieter Quester (*1939) auf den Startlisten zu entdecken.
Das Ende aus wirtschaftlichen und sicherheitstechnischen Gründen
Wie auch in heutigen Rennen kann die Spannung und das Zuschauerinteresse verloren gehen, wenn der Weltmeister schon vor dem Ende des Rennjahres feststeht. Auch die Möglichkeit eines Schlechtwetterwochenendes ist in der Landeshauptstadt immer gegeben. So waren die folgenden Rennjahre bis 1969 geprägt von einem Auf und Ab an Starter- und Besucherzahlen. Es waren aber weder das Wetter noch die Rennergebnisse verantwortlich für das Ende dieser Veranstaltung. Ein wesentlicher Grund für die Einstellung war die nicht zu gewährleistende Sicherheit für Fahrer und Zuschauer. Die Durchschnittsgeschwindigkeiten hatten sich seit Beginn des Bergrennens nahezu verdoppelt, die Strecke mit ihren engen Kurven und fehlenden Auslaufzonen war hingegen die gleiche geblieben. Drei Starter mussten daher auch in den Jahren 1960, 1968 und 1969 für ihren Wagemut mit dem Leben bezahlen, und zahlreiche andere kamen mit teils schweren Verletzungen davon.[iii] (Abb. 6) Der Hauptgrund war aber zweifelsohne die veränderte wirtschaftliche Situation. Es war mit der Etablierung des Fernsehzeitalters ab den 1960er-Jahren absehbar, dass die Zukunft des Motorsports in den gut ausgebauten und viel übersichtlicheren Rundkursen lag. Sowohl für die Fernsehstationen als auch für die Zuschauer vor Ort war es leichter, das Renngeschehen zu verfolgen. Außerdem konnten die Sponsoren besser ins Bild gerückt werden. Überdies hatten sich die großen Automobilmarken mit ihren Werksfahrern nach und nach aus der Bergserie zurückgezogen. Ein deutliches Zeichen für diese Trendwende war die Planung, der Bau und schließlich die Eröffnung des Salzburgrings im Nesslgraben, nur wenig Wochen nach dem letzten Bergrennen am Hausberg der Salzburger.[iv]
Der Neubeginn 2003 In einigen rennaffinen Salzburgern, die die letzten Läufe in den 1960er-Jahren teilweise noch selber erlebt hatten, reifte um die Jahrtausendwende die Idee, das Gaisbergrennen neu aufleben zu lassen. Seit 2003 starten wieder zahlreiche Motorsportbegeisterte im „Gaisbergrennen für historische Automobile“, um den Berg mit zahlreichen PS erneut zu stürmen, wenngleich es heutzutage weniger um Geschwindigkeit als um gleichmäßig schnelles Fahren geht. Wenn dann die Starter ihre Fahrzeuge in den Tagen vor dem Berglauf in der Altstadt einem staunenden Publikum präsentieren, dann scheint ein „Hauch von Monaco“ in der Luft zu liegen.
[i] Salzburger Nachrichten SPEZIAL: Gaisbergrennen 2019, S. 5 f.
[ii] Salzburger Nachrichten SPEZIAL: Gaisbergrennen 2017, S. 14 f.
[iii] Gaisbergrennen und Wertungsfahrten, in: Gnigler Geschichten, Salzburg, 2013, S. 204
[iv] Salzburger Nachrichten SPEZIAL: Gaisbergrennen 2019, S. 6.