Groß war die Aufregung und die Gemüter wohl erhitzt, als etwa 2.500 Personen aus dem Salzkammergut am 21. September 1957 vor dem Amt der Salzburger Landesregierung aufzogen und mit Transparenten den Erhalt der Salzburger-Lokalbahn, volkstümlich Ischlerbahn genannt, forderten. Obwohl genügend Mittel aus dem Marshallplan für die Modernisierung der seit 1893 täglich mehrfach zwischen Salzburg-Lokalbahnhof und Bahnhof Bad Ischl pendelnde Schmalspurbahn bereitgestanden wären, war deren Stilllegung bereits beschlossene Sache.[i] Am 30. September fuhr der letzte Personenzug, gezogen von der Lok Nr. 12 und verabschiedet von zehntausenden Beobachtern entlang der Strecke, aus dem Salzkammergut in die Landeshauptstadt.
Die Fotosammlung des Salzburg Museum ist über die Jahrzehnte in den Besitz verschiedenster Aufnahmen jener Bahn gekommen, die sich gerade ältere Salzburger noch gern in Erinnerung rufen und die eine treue Fangemeinde hat, welche den Wiederaufbau dieser Bahn nach Bad Ischl fordert.
Planung – Bau – Eröffnung
Den Bedarf an eine direkte Bahnverbindung zwischen der Landeshauptstadt Salzburg und dem Kurort Bad Ischl wurde ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts deutlich, entwickelte sich doch das gesamte Salzkammergut zu einem Zentrum des immer stärker werden Sommertourismus. Gleich in einer Art „Gesamtpakt“ erdachte man sowohl den Bau der Ischlerbahn als auch eine Abzweigung nach Mondsee sowie die Errichtung einer Zahnradbahn auf den Schafberg am Wolfgangsee samt dazugehörigen Hotel. Die Wirtschaftskrise ab 1873 bremste das Vorhaben allerdings vorerst aus. Erst mit dem Jahr 1888 und dem erfahrenen Lokalbahnbauer Josef Stern (1849-1924), Mitbegründer des Verkehrsunternehmens „Stern & Hafferl“, kam wieder Bewegung in die Sache. Dieser übernahm die zweijährige Planung sowie die Finanzierung des Projekts, in dem er Investoren aus Bayern, Salzburg und Oberösterreich gewinnen konnte. Aus Kostengründen entschied Stern eine Schmalspurbahn zu errichten, deren Spurweite vom Militär auf 76 cm, der „Bosnischen Spurweite“ festgesetzt war.[ii] Neben dem angestrebten Transport von Touristen, erhoffte sich die neu gegründete Salzkammergut-Localbahn-Aktiengesellschaft (SKGLB), auch einen erheblichen Profit aus dem parallel geplanten Gütertransport schlagen zu können. Nachdem alle erforderlichen Grundstücke erworben waren, konnte zu Beginn des Jahres 1890 mit dem Bau des ersten von insgesamt drei Abschnitten begonnen werden. Dieser führte von Lokalbahnhof Bad Ischl etwa 10 km nach Strobl am Wolfgangsee und wurde ab August 1890 mehrmals täglich mit 2 Dampflokomotiven, 7 Personenwagen der 2. Klasse und jeweils zwei Güter-, Gepäck- und Postwagons betrieben. Für den außergewöhnlichen Fall, dass Kaiser Franz Joseph die Bahn von Bad Ischl aus benutzen wollte, wurde extra ein Salonwagen angeschafft. Nicht ganz ein Jahr später nahm man die fast 32 km des zweiten Abschnitts von Salzburg nach Mondsee in Betrieb und bediente diesen mit 3 Lokomotiven, 13 Personenwagen der 1. und 3. Klasse, 14 Güterwagons sowie je zwei Post- und Gepäckwagons. Während im Sommer die Strecke mit dem Personenzug täglich fünfmal und dem Güterzug zumindest einmal befahren wurde, verkehrten im Winter aufgrund der fehlenden Touristen täglich nur drei Züge, die gleichzeitig auch Güter zu befördern hatten. Den letzten Abschnitt, der mit seinen knapp 23 km die Lücke zwischen Mondsee und Strobl zu schließen hatte, wurde nochmals zwei Jahre später im Jahr 1893 freigegeben. Die Errichtung dieses Streckenteil war wesentlich aufwändiger als die vorangegangenen, wies dieser Abschnitt etappenweise Gebirgsbahncharakter auf, was zahlreiche Sprengungen und Geländedurchstiche erforderte. Letztlich mussten für die gesamte Strecke zwei Viadukte, 58 Brücken, fünf Tunnels und 432 Straßen- und Wegübergänge errichtet werden. Auch wurde der Lokalbahnhof in Bad Ischl zur Remise umgebaut und die Schienen zum neuen Endpunkt an den Hauptbahnhof verlegt. Somit hatte die Bahn, als sie im Juni 1893 von Kaiser Franz Joseph persönlich eröffnet wurde, ihre maximale Streckenausdehnung erreicht. Vorher geplante Abzweigungen, wie z.B. die Verlängerung der Abzweigung nach Mondsee weiter nach Straßwalchen, wurden auf wirtschaftlichen Gründen nicht mehr errichtet.[iii] Für den nunmehrigen Betrieb der durchgehenden Strecke wurden zusätzlich 5 Lokomotiven, 19 Personenwagen 1. und 3. Klasse sowie 42 Güterwagons angeschafft. Die wirtschaftliche Entwicklung verlief stetig aufwärts und veranlasste den Josef Stern im Jahre 1912 eine Elektrifizierung der Strecke anzudenken. Dieser Vorschlag wurde vom Militär umgehend abgelehnt, da man im Falle einer Kriegskonfiszierung von Lokomotiven auf rein dampfbetriebene Modelle angewiesen war, konnten doch nur diese in strukturschwachen Regionen wie z.B. Bosnien-Herzegowina eingesetzt werden.
Vom I. zum II. Weltkrieg
Offenbar hat man von Seiten des k.u.k. Militärs diese Kriegsbeschaffungen als höchstwahrscheinlich angesehen, denn nur fünf Jahre später, zwischen 1917 und 1918 wurden sechs der zwölf Lokomotiven konfisziert, um auf den Schmalspurbahnen in Bosnien und Herzegowina zum Einsatz zu kommen.[iv] Ab dieser Zeit hatte die SKGLB mit Schwierigkeiten zu kämpfen, denn es fehlte nicht nur an Zugfahrzeugen sondern auch zusehends an Personal und Kohle. Das Angebot musste daher immer weiter reduziert werden. Diese Krise dauerte bis weit in die 1920er-Jahre und führte die Bahnbetreiber immer wieder an den Rand des Ruins. Vorrübergehend begab man unter die Verwaltung der Bundesbahnen Österreichs (BBÖ), welche nicht nur das Fehlen von Zugmaschinen und Betriebsmittel kompensieren konnten, sondern auch die komplette Erneuerung der Schwellen und Gleise veranlassten. Josef Stern, der durch den Ankauf mehrerer Aktienpakte die Lokalbahn ab 1923 in den Besitz der Firma Stern & Hafferl überführen konnte, arbeitete weiter an seinem Elektrifizierungsprojekt, starb jedoch vor dessen Umsetzung. Zwischen 1925 und 1929 stiegen die Fahrgastzahlen wieder an, was zu einer Modernisierung der Personenwagen führte. Leider führte die Weltwirtschaftskrise ab 1929 und die Tausend-Mark-Sperre ab 1933 zu einem erneuten Fahrgastrückgang und der wachsende Individualverkehr wurde als ernstzunehmende Konkurrenz wahrgenommen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, setzte man ab Sommer 1933 auf benzinhydraulische Triebwaren von Austro-Daimler, deren Getriebe den Belastungen jedoch nicht gewachsen waren und nach nur einem Jahr wieder ausgeschieden wurden. Der Anschluss 1938 brachte zwar wieder einen deutlichen Anstieg der Fahrgastzahlen, die mit 1,5 Millionen im Jahre 1943 ihren vorläufigen Höhepunkt erreichten, allerdings wurde die Aktiengesellschaft 1939 enteignet und die Bahn von den Gauen Oberdonau und Salzburg übernommen. Es gab während des Kriegs die Pläne, die Schmalspurbahn auf Normalspur umzubauen, was aber letztlich nicht zur Umsetzung kam.
Nachkriegszeit
In den ersten paar Tagen nach Kriegsende 1945 war der Bahnverkehr gänzlich eingestellt und durfte nur schrittweise wieder aufgenommen werden. Erst ab Oktober konnten wieder alles Verbindungen lauf Fahrplan verkehren. Die wirtschaftlichen Probleme der unmittelbaren Nachkriegszeit schoben die nötigen Modernisierungen des Fuhrparks oder die schon lang angedachte Elektrifizierung in weite Ferne, wenngleich die SKGLB von der amerikanischen Besatzungstruppe einige konfiszierte Fahrzeuge für den Betrieb überlassen bekam. Mit diesem Altbestand aus dem Jahre 1893 und den übergebenen Zugfahrzeugen konnte im Jahre 1946 ein finaler Rekord mit 2.146.614 Fahrgästen aufgestellt werden. Letztlich aber sanken die Zahlen von da an wieder, denn die Bahn war weder der Konkurrenz des immer stärker ansteigenden Individualverkehrs gewachsen noch wurde die nun unumgänglichen Modernisierungen in Angriff genommen. Somit führten die Betreiber der Bahn ab den späten 1940er-Jahren einen Kampf gegen die endgültige Schließung. So bekundeten Politiker ihre Solidarität mit der Schmalspurbahn, Karl Stern, Sohn der Planers Josef Stern, legte ein Sanierungskonzept bis 1957 vor und eine Initiative von 50.000 Menschen sprach sich gegen die Einstellung aus. Aber der Vorhang für die Salzkammergut-Lokalbahn dürfte wohl schon früher gefallen sein. Landeshauptmann Josef Klaus (1910-2001) erklärte den Demonstranten vom 21. September 1957, dass die Entscheidung zur Einstellung in Wien gefallen sei und man daran nicht rütteln könne. Fraglich bleibt allerdings, ob der Bund hier überhaupt die Entscheidungsgewalt hatte, war doch die Bahn im Besitz der Länder Salzburg und Oberösterreich. Außerdem berichtete Die Presse[v] einige Tage später, dass das notwenige Material für die elektrische Modernisierung bereits angekauft war und dieses nach der Einstellung wieder verkauft werden müsse.
Finale Fahrt – Gegenwart Nach dem letzten Personenzug am 30. September 1957 wurde der Güterverkehr bis zum 10. Oktober aufrechterhalten um verbliebenes Frachtgut zu verbringen. Um die Stilllegung der Bahn irreversible zu machen, begann man bereits am selben Tag mit der Demontage der Geleise. Dieses Vorgehen erinnert an die Stilllegung der Gaisbergbahn in Salzburg. Auch hier begann man unmittelbar nach der Fertigstellung der Höhenstraße 1929 den Gleiskörper zu demontieren und die Bahntrasse zur Bebauung freizugeben. Die freiwerdende Trasse der Salzkammergut-Lokalbahn diente im Anschluss zur Verbreiterung von Straßen, wurde zur Bebauung freigegeben oder ist heutzutage über weite Strecken in einen Radweg umgewandelt worden. Die ungebrochene Popularität dieser Bahn führte über die Jahrzehnte allerdings zur Gründung mehrerer Interessensgruppen, die die Wiedererrichtung der Bahn zum Ziel haben, ob nun der Gesamtstrecke oder eines Teilabschnitts. Obwohl die Bürgermeister der Anrainergemeinden, die den wirtschaftlichen bzw. touristischen Nutzen erkennen, sich hinter die Bestrebungen dieser Interessensgruppen gestellt haben, hatte diese Initiativen bisher keinen Erfolg.
[i] Zeitschrift Wirtschaftswoche, 5. Mail 1950
[ii] Josef Otto Slezak: Von Salzburg nach Bad Ischl, Verlag J. O. Slezak, Wien 1995, S. 12.
[iii] Alfred Luft: Bahn und Bild Band 7, Verlag Pospischil, Wien 1994, S. 3-11.
[iv] Josef Otto Slezak: Von Salzburg nach Bad Ischl, Verlag J. O. Slezak, Wien 1995, S. 14.
[v] Die Presse, 25. September 1957