Fanny von Lehnert (1852–1930): Gönnerin des Salzburg Museum

  • Entstehungszeitraum: 1912
  • Entstehungsort: Salzburg/Wien
  • Objektart: Schenkung
  • Autor/Künstler: mehrere
  • Artikel-Autor: Urd Vaelske
  • Physisch benutzbar: ja
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Fanny von Lehnert? In Salzburg ist dies heute ein bekannter Name, jedoch nur aus dem einen Grund, weil eine Straße nordwestlich des Bahnhofs nach dieser Frau benannt ist. Wer die Person Fanny von Lehnert war, wann sie gelebt hat, warum sie für Salzburg bedeutend ist und eine Straße ihren Namen erhielt, wissen hier allerdings die wenigsten.

Im Jahr 1912 taucht der Name Franziska von Lehnert zum ersten Mal in den Akten des Salzburg Museum auf, und er ist mit einer sehr erfreulichen Nachricht verbunden. In jenem Jahr schrieb Frau von Lehnert am 19. Mai aus Wien an den k. k. Major Gustav Edlen von Pelikan in Salzburg einen Brief, in dem sie mitteilte, dem Salzburger Museum Carolino Augusteum ihre Sammlung vermachen zu wollen, eine Sammlung, die „Ölgemälde, Spitzen Stickereien, Glas- und Silbergegenstände, antiken Schmuck etc.“ umfasst.

Als Fanny von Lehnert dem Major diesen Brief übermittelte, war sie bereits Witwe des 1896 verstorbenen Konteradmirals Josef Ritter von Lehnert (geboren 1841), mit dem sie seit dem 28. April 1879 kinderlos verheiratet gewesen war. Über ihr Leben ist wenig bekannt. Sie wurde als einzige Tochter des Eisenhändlers Franz Reimer und dessen Frau Theresia am 18. Februar 1852 in Olmütz geboren. Ihre spätere Anschrift, die auch in der Korrespondenz des Salzburg Museum aufscheint, war die Ungargasse 26 im III. Wiener Bezirk. Diese wird in ihrem Verlassenschaftsakt als ordentlicher Wohnsitz angegeben. Ihr Gemahl war hier ebenfalls gemeldet, und höchstwahrscheinlich wohnten beide seit ihrer Hochzeit an diesem Ort. Fanny von Lehnert hielt sich gerne im Salzkammergut auf. In Bad Ischl war sie Eigentümerin einer Wohnung in der Götzstraße 15, wo sie oft längere Zeit verweilte. Hier oder in Salzburg kam es wohl auch zu Begegnungen mit Major von Pelikan und dessen

Gattin. In ihrem Brief vom 19. Mai 1912 schrieb sie: „Ich habe im Salzkammergut so oft Erholung und Anregung gefunden und in Salzburg leben Sie und Ihre liebe Frau, meine liebsten und, wie ich weiß, aufrichtigsten Freunde, mit denen ich so viele vergnügte Stunden erlebt habe …“ An der Entscheidungsfindung Fanny von Lehnerts, die Sammlung an das Museum in Salzburg zu geben, muss das Ehepaar von Pelikan einen maßgeblichen Anteil gehabt haben. Im Jahresbericht des Städtischen Museums Carolino-Augusteum 1912 heißt es: „Über Fürsprache eines altbewährten warmen Freundes des Museums, des Herrn k. u. k. Majors i. R. Gustav Edlen von Pelikan, des berühmten Geoplasten, hat eine feinsinnige Sammlerin, Frau Fanny von Lehnert, Konter-Admirals-Witwe in Wien, ihren gesamten Besitz an kunstgeschichtlichen, kunstgewerblichen und kulturgeschichtlichen Gegenständen dem Museum als zukünftiges Erbe verschrieben“. Noch im selben Jahr ernannte der Verwaltungsrat des Museums „Herrn Major von Pelikan, dessen Vermittlung die große Stiftung zu danken ist“ zum Mandatar. Wie hoch seine Bemühungen zu werten sind, beweist der erste Absatz des bedeutungsvollen Briefes der Frau von Lehnert vom 19. Mai 1912: „Gestern abend aus Olmütz zurückgekehrt, beeile ich mich, Ihnen Mitteilung von einer mir sehr wichtigen Angelegenheit zu machen. Ich glaube Sie Herr Major und ihre liebe Frau seinerzeit in Kenntniß gesetzt zu haben, daß ich vor 2 Jahren die Bestimmung getroffen habe, mein gesammter Besitz an Ölgemälden, Spitzen Stickereien, Glas- und Silbergegenständen, antikem Schmuck etc. möge nach meinem Ableben der Stadt Olmütz für ihr Museum zufallen. Ich habe nun am 17. die Bestimmung beim Notar Mader in Olmütz widerrufen. Ich habe erkannt, meine Vaterstadt ist nicht der richtige Ort für diese Sammlung; man bringt dort diesen Gegenständen nicht das richtige Interesse entgegen, weil Olmütz keine Fremdenstadt ist, und es wäre schade, die vielen Kunstgegenstände, namentlich an sehr wertvollen Spitzen, ungesehen zu vergraben. So habe ich den Entschluss gefaßt, meinen gesammten genannten Besitz, dem Museum der Stadt Salzburg zu bestimmen … Salzburg besuchen jährlich so viele tausende Fremde, die nach Bewunderung der Naturschönheiten dieser einzigen Stadt, auch das Museum besuchen und dort geistigen Genuß an dem Anblicke all der Kunstschätze, die es besitzt, finden. So möge auch meiner Sammlung vergönnt sein, dort Aufnahme zu finden. Am liebsten wäre es mir, es könnte die ganze Sammlung in einem Hause unter meinem Namen vereint bleiben“.

Wie Fanny von Lehnert in diesem Brief angekündigt hatte, war sie bereits am 22. Juli 1912 persönlich im Salzburger Museum Carolino Augusteum, um mit Kustos Haupolter und Major von Pelikan bezüglich ihrer Stiftung Rücksprache zu nehmen und „sodann zu Notar Habtmann zu fahren und den notariellen Akt abfassen zu lassen“ (Eingangsbuch des Museums aus dem Jahr 1912).

Fanny von Lehnert hatte dem Museum den Vorschlag unterbreitet, im Herbst einen Sachverständigen nach Wien zu schicken, der ein genaues Inventar erstellen sollte, um es der Schenkungsurkunde beizufügen. Wichtig war ihr, dass nur die Gegenstände ausgewählt werden, die „Kunst- oder historischen Wert“ besitzen.

Der Verwaltungsrat des Städtischen Museums Carolino Augusteum erstattete dem Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg am 2. Dezember 1912 Bericht von der Schenkung der Konteradmiralswitwe. In der Gemeinderatssitzung am 13. Jänner 1913 ließ der Vorsitzende Bürgermeister Max Ott protokollieren: „Dieses ganz außergewöhnliche Entgegenkommen der hohen Spenderin, erheischt auch von Seite der Stadtgemeinde als der Beschenkten den Ausdruck des Dankes in einer außergewöhnlichen Form. Um diese wohl einzig dastehende munifizente Schenkung auf ewige Zeiten im Gedächtnisse festzuhalten, würde ich vorschlagen, eine Strasse mit dem Namen der edlen Frau zu benennen. Möge deshalb der löbliche Gemeinderat … den Beschluß fassen, die gegenwärtig im Ausbau befindliche Parallelstrasse zur Elisabethstrasse, welche von der Karl-Wurmbstrasse abzweigend in nördlicher Richtung verläuft mit dem Namen: ‚Fanny von Lehnertstrasse’ zu bezeichnen“.

Über die umfangreiche Sammlung hinaus, die dem Museum nach dem Tod Frau von Lehnerts zukommen sollte, bedachte die großzügige Gönnerin das Salzburger Museum bereits zu Lebzeiten mit Objekten aus ihrem Besitz. Schon am 17. Dezember 1912 kündigte sie eine Sendung von Textilien etc. an. Im Jahresbericht 1914 dankt das Museum „der großen Gönnerin für prunkvolle Kostümstücke und Textilien, im ganzen 35 Stück, … dazu Goldschmuck, einen Silbergürtel und eine Zinndose in figuraler Ausschmückung“. 1915 drückt das Museum Frau von Lehnert seinen Dank für ein reizendes Biedermeier-Beutelchen und weitere Gegenstände aus. 1916 und 1917 wird Fanny von Lehnert als treue Gönnerin des Museums erwähnt, und im Eingangsbuch von 1919 finden sich Eintragungen, die eine umfassende Schenkung an Schmuck protokollieren.

Fanny von Lehnert starb am 18. Mai 1930 in Wien. In ihrem Testament bestätigte sie nochmals: „Mein Besitz an Bildern, Spitzen, Stickereien und [?] ist zum Teil Eigentum der Stadt Salzburg, das heisst des Museums dieser Stadt. Ein genaues Inventar hierüber ist im Besitz des Notars Dr. Hermann Wilhelm in Wien, … und der Stadt Salzburg … Ich habe seinerzeit mehrere moderne Möbel aus meinem Besitze dem städtischen Museum in Salzburg bestimmt. Ich widerrufe dies, da diese Gegenstände keinen Museumswert besitzen“. Im Juni 1930 erkundigte sich Museumsdirektor Julius Leisching bei Notar Wilhelm in Wien nach dem Verbleib der Sammlung. Im Dezember 1930 war sie bereits im Salzburger Museum. Der Wunsch Fanny von Lehnerts, ihre Sammlung in einem Hause unter ihrem Namen vereint auszustellen, wurde sogleich erfüllt. Bis Jänner 1931 war die große Schenkung in einer Ausstellung für die Öffentlichkeit zu sehen (Das Museum Carolino Austeum 1921-1931. Bericht des Salzburger Museums-Vereines anläßlich seines zehnjährigen Bestandes, 1931, S. 14). Am 29. Jänner 1931 kamen Direktor Leisching, Bürgermeister Ott, Reg.-Rat Dr. Martin, Reg.-Rat Clessin sowie Mitglieder des Gemeinde- und Verwaltungsrates zusammen, um ungefähr 30 „unbrauchbare Gemälde der ‚Lehnert-Schenkung’ auszuscheiden“, ein offizieller Beschluss, den der Verwaltungsrat des Museums gefasst hatte.

Die Gemälde und kunstgewerblichen Gegenstände des Lehnert’schen Nachlasses wurden im Salzburger Museum 1931 inventarisiert. Es handelte sich um 368 Objekte mit den Inventarnummern 3/31 bis 371/31 (Hauptinventar des Museums). Bis auf Kriegsverluste und weitere ausgeschiedene bzw. mit anderen Museen getauschte Gemälde (im Inventar vermerkt) ist der Großteil der Sammlung erhalten und in einem guten Zustand. Die vorwiegend klein- und mittelformatigen Gemälde fallen in erster Linie durch ihre sehr üppigen, vergoldeten, im historisierenden Stil gehaltenen Rahmen auf. Unter ihnen befinden sich zahlreiche Tierstücke, Genreszenen, Landschaften, Heiligendarstellungen und Schlachtenschilderungen. Das wohl bekannteste Gemälde ist „Der Sonntagsspaziergang“ von Carl Spitzweg, doch auch viele andere Stücke stammen von herausragenden Malern. Auch bei den kunstgewerblichen Objekten lässt sich eine klare Vorliebe der Sammlerin ablesen: Biedermeiergläser, -schalen und -flakons, Kännchen, Becher, Salzgefäße, Zuckerstreuer und Tafelaufsätze aus Silber, Kupferkannen, Schnupftabakdosen, Döschen, Handtäschchen und Geldbörsen aus verschiedenen Materialien, Fächer, Schmuck, Uhren, zahlreiche sehr qualitätsvolle Textilien, Spitzen usw.

Obwohl diese Gegenstände vorwiegend aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen, haben sie sicher keine Sammlung im musealen Sinn dargestellt, sondern sie dienten wahrscheinlich zur Ausschmückung und Zierde der Wohnungen, von denen Fanny von Lehnert mehrere besaß, oder für den eigenen, privaten Gebrauch. Woher die meisten Stücke kamen, bleibt ungewiss. Sicher ist, dass Frau von Lehnert sehr wohlhabend war. Als Gemahlin eines Mannes, der die k. k. Marineakademie in Pula absolviert und am Seegefecht bei Helgoland (1864) sowie an der Seeschlacht bei Lissa (1866) teilgenommen hatte, 1879 in den Ritterstand erhoben worden war, von 1890 bis 1894 Leiter der Präsidialkanzlei des k. k. Kriegsministeriums und seit 1895 Konteradmiral gewesen war, gehörte sie zur besten Wiener Gesellschaft. Finanziell abgesichert konnte sie ihre Sammlung ohne Mühe bereichern. Wahrscheinlich war es ihr auch vergönnt, ihren Gatten gelegentlich auf seinen Reisen zu begleiten, wo sie dieses oder jenes Objekt erwerben konnte. Auch der Konteradmiral selbst trug zur Vermehrung der Sammlung bei, indem er, wie im Eingangsbuch 1914 des Salzburg Museum kurz vermerkt ist, Schmuck aus Dalmatien oder Kostümstücke von seinen Reisen mitbrachte.

Die große Gönnerin des Salzburg Museum Fanny von Lehnert wurde in ihrer Heimatstadt Olmütz in der Familiengruft Lehnert-Reimer beigesetzt.