Richard Wagner: Das Rheingold (Klavierauszug mit Abbildungen und handschriftlichen Anmerkungen)

  • Entstehungszeitraum: 1968
  • Entstehungsort: Leipzig (Breitkopf & Härtel)
  • Objektart: Notenausgabe
  • Autor/KĂĽnstler: Richard Wagner (Singer, Otto/ Waack, Carl)
  • Artikel-Autor: Karina Zybina
  • Material/Technik: Karton, Papier
  • Größe: -
  • Standort/Signatur: Eliette und Herbert von Karajan Institut, Salzburg
  • Physisch benutzbar: ja
  • Literatur:

    Boutwell, Jane: Wotans Speer in Manhattan. „Walküre“ und „Rheingold“ an der Met, in: Karajan oder die kontrollierte Ekstase. Eine kritische Hommage von Zeitzeugen, hrsg. von Peter Csobáldi, Wien: Paul Neff Verlag, 1988, S. 141‒146.
    Löbl, Karl: „Ich war kein Wunder!“. Herbert von Karajan – Legende und Wirklichkeit, Wien: Seifert Verlag, 2014.
    Pahlen, Kurt (hrsg.): „Die Bühne – mein Leben“. Günther Schneider-Siemssen in Gesprächen mit Kurt Pahlen, Salzburg: Selke, 1996.
    Prossnitz, Gisela/ Vincze, Imre/ Wagner, Renate: Herbert von Karajan. Inszenierungen, Wien: Edition Christian Brandstätter, 1988.

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Am 7. April 1968 wurden die zweiten Salzburger Osterfestspiele mit der Premiere Das Rheingold von Richard Wagner im Großen Festspielhaus feierlich eröffnet. Vom Dirigenten und künstlerischen Gesamtleiter des Festivals, Herbert von Karajan (1908‒1989) vorbereitet und realisiert, übersiedelte diese Inszenierung im Herbst desselben Jahres auf die andere Seite des Atlantischen Ozeans, wo sie auf der Bühne der weltberühmten New Yorker Metropolitan Opera zur Aufführung gebracht wurde – ein Geschehen, das damals absolut sensationell war. Um die Regie zu visualisieren und deren Rekonstruktion in einem fremden Opernhaus zu vereinfachen, fertigte das Salzburger Team Karajans diesen Klavierauszug an, in dem jeder Szene eine Reihe von Aufzeichnungen und handschriftlichen Anweisungen zugeordnet worden ist.

„Ich will […] endlich Opern ohne Entschuldigung dirigieren und inszenieren“ – mit diesen Worten fasste Herbert von Karajan die Leitidee der von ihm gegründeten Salzburger Osterfestspiele zusammen. Dieses Motto aufgreifend, brachte der Dirigent im Laufe von vier Jahren eines der schwierigsten Werke in der Geschichte der Musik, den Zyklus von Richard Wagner Der Ring des Nibelungen, auf die Bühne des Festspielhauses, wobei er – zum allgemeinen Staunen – die Reihenfolge der ersten zwei Werke in diesem grandiosen Opern-Zyklus umdrehte: 1967 begann er mit der Walküre und kehrte erst ein Jahr später, 1968, zum sogenannten Vorabend, Das Rheingold, zurück. Die untrennbare inhaltliche Einheit aller vier Opern war aber dadurch paradoxerweise nicht zerstört: Sie waren anhand einer höchst innovativen Regie eng zusammengebunden.

Diese von Karajan kreierte Regie-Konzeption bestand – der Schilderung seines Bühnenbildners, Günther Schneider-Siemssen (1926‒2015) nach, darin, „das ganze gewaltige Werk auf einer Ring-Ellipse aufzubauen“. Dieser ‚kosmische Ringʻ wurde dann „zum Träger alles Geschehens […], der verschiedene Funktionen haben sollte. Im ‚Rheingoldʻ sollte die Ringellipse noch unfertig, zerklüftet sein, alles im Urelement Wasser. In der ‚Walküreʻ werden Gestein und Feuer zu den Urelementen. Im ‚Siegfriedʻ sollte die Natur dominieren, dichter, fast endloser Wald mit Eigenleben, Siegfried ist ein Naturbursch, er ist der Lichtträger der Natur. In der ‚Götterdämmerungʻ kommt dann Architektur auf die Bühne, das bedeutet Zivilisation, aber es bedeutet auch Untergang. Die Grundellipse sollte in jedem Drama wachsen und vervollständigt werden, bis zum Zusammenbruch“ (zitiert nach: Pahlen, 1996, S. 47).

Die Übertragung des Konzeptes auf die Bühne des Salzburger Festspielhauses begann schon im Jänner und dauerte zwei bis drei Monate. Karajan kontrollierte persönlich jedes Detail der Inszenierung, unter anderem Kostüme und Beleuchtung. Das gesamte Haus mit seinem Personal stand damals völlig zu seiner Verfügung, was es ihm ermöglichte, alle seine Ideen zu verwirklichen. In einem anderen Haus hätte er ein so ideal konstruiertes Gesamtwerk nie schaffen können. Das war dem Dirigenten auch offensichtlich damals klar, als er 1967 die Einladung annahm, den gesamten Ring-Zyklus an die Metropolitan Opera zu übersiedeln. Deswegen bestand er darauf, das Projekt in New York mit seinem Salzburger Team – und selbstverständlich mit derselben Besetzung – zu realisieren.

Diese Vereinbarung schien zuerst gut zu funktionieren. Der Dirigent traf sechs Wochen vor der jeweiligen Vorstellung in New York mit seinem Bühnenbildner Schneider-Siemssen, seinem Regieassistenten Nikolaus Lehnhoff und fast allen Sängern ein, arbeitete mit einer immensen Intensität an der Rekonstruierung seines ursprünglichen Planes und erstaunte das amerikanische Publikum mit seinen völlig eigenen Konzeptionen. So wurde 1968 die prominente New York Times nicht müde, die Rheingold-Aufführung „zu den vollkommensten, brillantesten und überzeugendsten Leistungen“ zu zählen. Dann aber geschah etwas Unerwartetes: Die geplanten Vorstellungen der restlichen Opern des wagnerischen Zyklus, Siegfried (im Jahr 1969) und Götterdämmerung (1970), wurden abgesagt. Der Grund dafür lag außerhalb des Künstlerischen: Es war ein Konflikt der Metropolitan Opera mit der Gewerkschaft im Herbst 1969.

So war die gesamte Tetralogie den Salzburger Osterfestspielen vorbehalten. Im Jahr 1973 mit neuer Besetzung wiederaufgenommen, verfilmte sie Karajan teilweise – allerdings mit einer anderen, an die Besonderheiten des Fernsehens angepassten Inszenierung: 1978 veröffentlichte Unitel Classica den Vorabend zum Zyklus, das Rheingold. Das ambitionierte Bühnenprojekt ist jedoch nicht in Vergessenheit geraten, dazu tragen zahlreiche erhaltene Bühnenbildentwürfe und Bühnenbildfotos, aber vor allem dieser mit Aufzeichnungen versehene Klavierauszug bei: Zusätzliche Seiten, die vom damaligen Regieassistenten in eine 1968 in Leipzig erschienene Notenausgabe eingesetzt wurden, stellen eine solch ausführliche Illustration der szenischen Handlung dar, die eine Rekonstruktion der Inszenierung sogar jetzt denkbar macht.

Copyright Anmerkung:
Klavierauszug aus EB 4507 Richard Wagner „Das Rheingold WWV 86 A“ von Otto Singer und Carl Waack, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden