Rettenbachbock

  • Entstehungszeitraum: um 1960
  • Entstehungsort: Altenmarkt
  • Objektart: Perchtenfigur
  • Autor/Künstler: Kaspar Fritzenwallner († 1987)
  • Artikel-Autor: Hemma Ebner
  • Material/Technik: Holz, Leinen, Horn, Fell
  • Größe: H: 220 cm
  • Standort/Signatur: Altenmarkter Heimatmuseen Hoamathaus & Dechantshoftenne, Inv. Nr. 1119
  • Physisch benutzbar: ja
  • Literatur:

    Bürgermeister Matthias Reiner/Marktgemeinde Altenmarkt (Hrsg.), Ortschronik Altenmarkt im Pongau, 3 Bände, Altenmarkt 1996
    Perchtengruppe Altenmarkt: https://www.perchtenlauf.at/geschichte/ [22.11.19]
    Altenmarkter Heimatmuseen Hoamathaus und Dechantshoftenne: http://www.heimatmuseum.at/hoamathaus/ [22.11.19]
    Percht: https://de.wikipedia.org/wiki/Percht [22.11.19]

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Alle vier Jahre verlassen die Altenmarkter Masken um den Dreikönigstag das Museum und werden als Teil des Pongauer Perchtenlaufs mit insgesamt 280 unterschiedlichen Figuren lebendig. Die „Schiachen“ und die „Schönen“ ziehen dabei lärmend mit dumpfem Glocken- und hellem Schellenklang durch den Ort. Auch heute noch ist laut alter Tradition den Frauen die aktive Teilnahme am Perchtenlauf untersagt. Der alte Perchtenspruch lautet: „An Fried, an Reim und an Gsund“ (Website Hoamathaus)

Im Gegensatz zu den Krampussen, die als höllische Begleiter des Hl. Nikolaus um den 5. Dezember unterwegs sind, gehören Perchten zum Brauchtum der Rauhnächte. Ihre Heimat ist der süddeutsche und ostalpine Raum. Traditionell sind sie vor allem Anfang Jänner, um die letzte Rauhnacht herum, unterwegs. In der dunkelsten Zeit des Jahres sollen Perchten die Geister der Finsternis vertreiben und den Weg für den Frühling bereiten. Der Kampf zwischen Gut und Böse spiegelt sich im Perchtenlauf. Die Schiachperchten verkörpern das Böse und ein letztes Aufflackern des Winters, bevor im Perchtenzug die „guten“ Schönperchten mit ihren prächtigen Tafeln den Frühling, das Licht und die Fruchtbarkeit einleiten.

Die ersten größeren Perchtenläufe im Pongau sind aus der Mitte des 19. Jahrhunderts überliefert. Zuvor waren einzelne Gruppen, sogenannte „Passen“ von Hof zu Hof gezogen, um den Bewohnern mit dem Perchtengruß ein gutes, gesundes und fruchtbares neues Jahr zu wünschen. Bis kurz vor dem ersten Weltkrieg fanden diese Läufe auch in Altenmarkt statt.

Erst Ende der 1950er Jahre konnte der Brauch durch den heimatverbundenen und an der Ortsgeschichte interessierten Altenmarkter Zimmermann Kaspar Fritzenwallner neu belebt werden. Kuno Brandauer, der damalige Leiter der Dienststelle für Heimatpflege im Amt der Salzburger Landesregierung stand ihm beratend zur Seite. Die Schwierigkeit war jedoch, dass es kaum Aufzeichnungen gab. Anregungen für die ersten Masken, die er dann auch selber schnitzte, holte sich Fritzenwallner im Wiener Volkskundemuseum. Obwohl die Anfänge eher bescheiden waren, gelang es, immer mehr Altenmarkter für den Perchtenlauf zu begeistern. Er selber fungierte viele Jahre als Perchtenhauptmann. Viele Einzelpersonen, Gruppen und Vereine identifizieren sich inzwischen mit dem Altenmarkter Perchtenlauf. In den Schulen wird jedes Jahr ein Maskenschnitzkurs abgehalten.

Der Pongauer Perchtenlauf findet nun traditionell am 6. Jänner, dem Dreikönigstag, abwechselnd in den vier Gemeinden Altenmarkt, Bischofshofen, Bad Gastein und St. Johann statt. Am Altenmarkter Perchtenlauf nehmen insgesamt 280 Personen teil, eingeteilt in verschiedene kleinere und größere Gruppen. Die Reihenfolge im Festzug ist genau festgelegt: Vorgruppe, Schnalzer, Hexen, Schönperchten, Waldperchten, Sagengestalten, Drei Könige und Herodes. Die Trachtenmusikkapelle begleitet den Zug, der bei den einzelnen Häusern und vor der Festtribüne anhält, damit die Schönperchten tanzen und ihre Reverenz erweisen können. Für den reibungslosen Ablauf und die Organisation im Hintergrund sorgen weitere 190 Personen.

Das Museum in Altenmarkt im Pongau beherbergt in einem eigenen Ausstellungsraum Teile der Perchtensammlung der Perchtengruppe Altenmarkt. Hier steht man einigen wichtigen „Protagonisten“ des Altenmarkter Perchtenlaufes sozusagen Auge in Auge gegenüber: Der Habergoas, den Werchmanndl- und Hexenmasken, dem Bären, Schiachperchten, Tafelperchten und dem Rettenbachbock.

Letzterer ist eine unheimliche Altenmarkter Sagengestalt. Kaspar Fritzenwallner hat die Geschichte für die Altenmarkter Ortschronik niedergeschrieben:

(…) In einer Heiligen Nacht nach der Christmette, so gegen 2 Uhr früh, ging ein junges, hübsches Mädchen, um die 20 Jahre alt, etwas schneller heim, damit sie noch etwas Schlaf erwische, denn bis zum Bifang hat man schon ein gutes Stück zu gehen. Als das Mädel gerade über den Mühlenweg eifrig bergaufging, es herrschte klirrende Kälte, der Mond schien durch die Bäume, die lange Schatten warfen, da sprang plötzlich aus dem Jungwald der Teufel in Ziegenbockgestalt heraus, hin zu dem Mädel und wollte es umarmen. Das Mädel wehrte sich tapfer, doch der Bock ließ nicht ab von ihm und stampfte fürchterlich mit den Hinterfüßen. Große Angst erfüllte das Dirndl, doch Gott sei Dank kamen andere Mettengeher nach, und der Teufel sprang mit einem mächtigen Satz 20 Meter über den Rettenbach und versteckte sich hinter einer Mühle. Niemand hat nachher jemals diesen Spuk gesehen, und die Leute nannten dann diese Erscheinung den „Rettenbachbock“, der nun im Heimatmuseum, von mir geschnitzt, friedlich in einer Ecke steht. Nur beim Perchtenlauf ängstigt er wieder die hübschen Madl. „Paßt’s auf, daß er Enk nit darwischt!“