Huldigungs-Schießen 1816: Ein Schlecker-Gewinn

  • Entstehungszeitraum: 1816
  • Entstehungsort: Salzburg
  • Objektart: Textile
  • Autor/Künstler: unbekannt
  • Artikel-Autor: Christian Flandera
  • Material/Technik: Seide
  • Größe: H: 15 cm; B: 9,5 cm (ohne Borte)
  • Standort/Signatur: Salzburg Museum, Inv.-Nr. 1220-24
  • Physisch benutzbar: nein
  • Literatur:

    Jahresschrift 1955 des Salzburger Museum Carolino Augusteum
    Pichler, Georg Abdon: Salzburg’s Landes-Geschichte
    Resultat des von Seiner Majestät, unserem allergnädigsten Kaiser und Landesvater Franz des Ersten ec. ec. (…) gegebenen großen Erbhuldigungs-Freischießens, 1816
    Salzburger Zeitung, 1816
    Schallhammer, Anton Ritter von: Geschichte des k.k. Hauptschießstands zu Salzburg und des Schützenwesens im Herzogthum Salzburg vom Mittelalter bis auf unsere Tage
    Süß, Maria Vinzenz: Die Bürgermeister in Salzburg von 1433 bis 1840

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Der 1. Mai 1816 war sein sonniger Frühlingstag. An diesem Tag wurde das Land Salzburg im Rahmen eines Festakts durch das bayerische Königsreich an das Kaiserreich Österreich übergeben. Diesem Tag waren viele Jahre an Kriegen, Plünderungen und wechselnden Herrschern über das Land Salzburg vorausgegangen.

Im Juni 1816 besuchte der neue Herrscher, Kaiser Franz I./II. von Österreich (1768-1835), für rund eine Woche, das neu erworbene Salzburger Land. Neben Ausflügen und Festen wurde ab 13. Juni 1816 auch ein „Huldigungs-Freischießen“ auf dem Schießplatz der Stadt Salzburg abgehalten. Die Bestplatzierten erhielten Geldpreise, Gedenkmünzen, aber auch Fahnen gab es zu gewinnen. Die Geldpreise wurden in kleinen Seidenbeuteln übergeben.

Einer dieser Seidenbeutel gelangte im Jahr 1907 ins damalige Städtische Museum Carolino Augusteum, dem heutigen Salzburg Museum.

Der Schießplatz lag damals vor dem Mirabelltor – einem Stadttor, das am Beginn der heutigen Rainerstraße gelegen war. Die Schießstätte wurde im Oktober 1858 im Zuge des Bahnhofsbaus aufgelassen und das Mirabelltor musste wenige Jahre später (1862) der Stadterweiterung weichen.

Schon Tage vor dem Wettschießen wurde im Salzburger Intelligenzblatt (vom 3. Juni 1816) über das Wettschießen wie folgt informiert:

„Am Tag der Huldigung, also am 12. Juni d. J., beginnt in Gemäßheit der allergnädigsten Willensmeinung dahier zu Salzburg ein Freischießen, bei welchem das allerhöchste Aerarium alle auf das Schießen selbst Bezug habende Auslagen übernehmen wird, und wobei Se. k. k. Majestät für die sogenannten Besten einen Betrag von 3000 fl. festgesetzt haben. Hierüber wird zwar von der hiesigen Schützengilde ein eigenes umständliches Einladungsschreiben ausgehen; jedoch wird hiermit allgemein bekannt gemacht, daß nach der allerhöchsten Gesinnung Sr. k. k. Majestät an diesem Freischießen nur die Insaßen der durch den Staatsvertrag vom 14. April d. J. wieder zu Oesterreich zurück gekehrten Distrikte, folglich aus dem Herzogthum Salzburg mit dem Ziller- und Brixenthal, aus dem Innviertel, aus dem Gerichte Vils Theil zu nehmen haben. Die Land- und Herrschafts-Gerichte haben deßhalb den sich meldenden Schützen unentgeltlich Certifikate über ihre Heimath auszustellen.“

Es war nachmittags um drei Uhr als Kaiser Franz I./II. am 13. Juni 1816 von seiner Unterkunft im Schloss Mirabell durch ein Spalier der Bürgergarde zum Schießstand fuhr und das feierliche Schützenfest eröffnete. Der Kaiser selbst gab vier Schüsse auf die Hauptscheibe und einen Schuss auf die Schleckerscheibe ab. Das Schützenfest sollte bis zum 22. Juni abends um 7 Uhr andauern – doch da war Kaiser Franz bereits wieder abgereist.

Bei diesem Schießwettbewerb wurden von Kaiser Franz 3.000 Gulden Conventionsmünzen (=fl. C.Mz.) ausgelobt. Der Zusatz „Conventionsmünzen“ sollte die neue Währung kennzeichnen, die 1811 – nach dem österreichischen Staatsbankrott – eingeführt worden war. Zusätzlich zu diesem Preisgeld wurden vom Kaiser für die sechs Erstgereihten in jedem der Schießwettbewerbe weitere goldene Gedenkmedaillen gestiftet. Diese Medaillen waren extra für diesen Anlass vom k. k. Hauptmünzamt in Wien geprägt worden und hatten den Wert von 20, 10, 6 und 3 Dukaten. Pro Nennwert wurden drei Münzen, in Summe somit 12 Stück angefertigt. Die Bezeichnung „Dukaten“ bedeutet, dass es sich bei diesen Medaillen um Goldmünzen handelte.

Auf einer Seite der Medaille waren ein seitliches Brustbild von Kaiser Franz von Österreich mit Lorbeerkranz sowie die Umschrift „Franz, Kaiser von Oesterreich“ abgebildet. Auf der anderen Seite war eine Schießscheibe, dahinter zwei gekreuzte Gewehre und darüber ein schwebender k. k. Adler geprägt, um diese herum stand die Schrift „Kaiserlich Freyschiessen zu Salzburg. den XIII. Iuni MDCCCXVI“ zu lesen.

Bis zum Ende des 2. Weltkriegs besaß das Salzburg Museum jeweils eine der 20 und 10 Dukatenstücke die an die Schützen als Andenken verteilt wurden. Die beiden Münzen wurden in den Stollen des Salzbergwerks am Dürrnberg verwahrt. Nach Kriegsende wurden sie allerdings gestohlen und sind seither nicht wieder aufgetaucht. Seither besitzt das Salzburg Museum von dieser Medaille nur einen Abguss (=Galvano).

Der Wettbewerb wurde in zwei Wertungen durchgeführt:

„Auf dem Haupte“ (=auf der Bestscheibe)
Beim Schießen auf die Hauptscheibe hatte jeder Schütze üblicherweise vier Schüsse zu absolvieren. Jeder Schuss war für eine bestimmte Summe zu kaufen – oft konnte noch ein zusätzlicher Schuss, sofern die Scheibe verfehlt wurde, nachgekauft („Leggeld“) werden. Die Einnahmen aus diesen Schüssen wurden des Öftern für karitative Zwecke gewidmet.

Gezählt wurden dann alle erzielten Punkte. Beim kaiserlichen Freischießen 1816 wurden vier Schüsse pro Schützen zugelassen. Pro Schützen wurde ein Startgeld von 8 Gulden eingehoben – hinzu kam noch eine Standgebühr von 6 Kreuzer. 8 Gulden und 6 Kreuzer waren damals eine beträchtliche Geldsumme. Im Juni 1816 kostete eine bayrische Maß Sommerbier in der Stadt Salzburg 6 Kreuzer und 1 Pfennig und um 8 Gulden hätte man gar fast 27 Kilo Rindfleisch kaufen können! So verwundert es nicht, dass nur 144 Mal von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde um weitere 2 Gulden einen Schuss nachzukaufen.

Aufgrund der kaiserlichen Geldspende und den Startgebühren konnte unter den Schützen auf die Hauptscheibe, die enorme Summe von 9.024 Gulden verteilt werden.

Endergebnis:
1. Franz Krieger, Bauer des Gut Schmidegg in (Pfarr)Werfen (Preisgeld: 300 fl. + 20 Dukaten)
2. Joseph Thanner, Turnermeister aus Hallein (Preisgeld: 250 fl. + 20 Dukaten)
3. Andreas Franz Gorian, Handelsmann aus Salzburg (Preisgeld: 200 fl. + 10 Dukaten)

„Auf dem Schlecker“ (=Schlecker- oder Glücks-Scheibe; später: Invention)
Bei diesem Wettbewerb zählt ein Schuss nur dann als Treffer, wenn er genau ins Zentrum der Scheibe trifft. Meist wurde die Anzahl der erlaubten Schüsse auch hier begrenzt. Ein Schuss in der Schleckerwertung rief jedoch meist nur einen Bruchteil der Kosten hervor, die ein Schuss in der Wertung „Auf dem Haupte“ verursachte. So war es auch dieses Mal: 20 Kreuzer kostete ein Schuss, was die bei diesem Wettbewerb angetretenen Schützen veranlasste 5.870 Schüsse während des neuntägigen Wettkampfs abzugeben. Trotz dieser enormen Anzahl an Schüssen konnte „nur“ ein Preisgeld von 2.856 Gulden unter den glücklichen Gewinnern verteilt werden.

Endergebnis:
1. Anton Hintner, Kaufmannssohn aus Hallein (Preisgeld: 120 fl. + 20 Dukaten)
2. Bartholomäus Griesenauer, k. k. Polizei-Offiziant Salzburg (Preisgeld: 90 fl. + 6 Dukaten)
3. Andrä Roßwinkler aus Neukirchen an der Enknach/Braunau (Preisgeld: 85 fl. + 6 Dukaten)

Großer Trubel und viele Preise
Unter den 868 anwesenden Schützen wurden viele Preise verteilt: Insgesamt zahlten die Schützen selbst 7.310 Gulden 42 Kreuzer C.Mz. in die Wettbewerbsbörse alleine für die Hauptscheibe ein. Mit der vom Kaiser gestifteten Summe von 2.000 Gulden wurden, nach Abzug der Spesen, 9.024 Gulden unter den 1.759 Gewinnern der Kategorie „Auf dem Haupte“ verteilt.

Nachdem das Freischießen am 22. Juni 1816 zu Ende gegangen war, wurden die Ergebnisse ausgewertet. Am 24. Juni wurde die Siegerehrung mit Pauken und Trompeten sowie Böllerschüssen begangen. Nach dem Festakt zog die versammelte Menge zur Wohnung von Hofkommissär Bernhard Gottlieb Freiherr von Hingenau, und ließ den Kaiser hochleben.

Doch damit waren die Feierlichkeiten noch nicht zu Ende: Am 14. Juli traf man sich erneut und dieses Mal wurden die von Kaiser Franz gestifteten Gedenkmünzen an die Gewinner verteilt.

Der Sieger, Franz Krieger, ein Bauer zu Schmidegg (Gemeinde Werfen) erhielt 300 Gulden sowie eine prachtvolle Fahne und eine Zinnmedaille in die sein Name eingraviert wurde.

Für die Kategorie „Auf dem Schlecker“ hatte der Kaiser 1.000 Gulden spendiert. Darüber hinaus wurden in beiden Kategorien auch Fahnen an die Sieger verteilt, die ebenfalls Kaiser Franz gespendet hatte. In der Kategorie „Auf dem Schlecker“ wurden 2.785 Preise verteilt. Der 17. Platz erhielt den hier abgebildeten Seidenbeutel. Gewinner dieses Beutels war ein gewisser Balthaser Berger aus Vorderreinbach in St. Johann im Pongau. 18 Gulden waren damals in seinem Beutel als Gewinn!

Der vollständigkeitshalber sei erwähnt, dass nicht nur in der Stadt Salzburg, sondern auch z. B. in Zell am See aus Anlass der Übertragung des Landes Salzburgs an Österreich ein Schießwettbewerb abgehalten wurde. Freilich nahmen an keinem dieser Bewerbe so viele Schützen wie an jenem in der Stadt Salzburg teil.