Alexander „Xandi“ Schläffer Krippe

  • Entstehungszeitraum: 1968
  • Entstehungsort: Saalfelden
  • Objektart: Krippe
  • Autor/Künstler: Alexander „Xandi“ Schläffer
  • Artikel-Autor: Ernestine Hutter
  • Material/Technik: Krippenberg: Leinen kaschiert, gespachtelt; Häuser: Holz, gespachtelt, gefasst; Figuren: Stoff kaschiert, Kopf, Arme, Beine aus Masse gemodelt, bemalt
  • Größe: 95x150,5x93cm
  • Standort/Signatur: Salzburg Museum, Inv.-Nr. K 772/49
  • Physisch benutzbar: nein
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Die Krippe wurde 1968 anlässlich der Weltkunstausstellung bzw. Kulturolympiade bei den XIX. Sommerspielen in Mexiko-City (12. bis 27. Oktober 1968) von Alexander „Xandi“ Schläffer (1899-1984) geschaffen. Es handelt sich dabei um eine Pinzgauer Heimatkrippe mit Landschaftshintergrund.

Eine Form, das weihnachtliche Geschehen der Geburt Christi bildlich umzusetzen, stellt die plastische Gestaltung als offene Landschaftskrippe dar. Breit hingelagert lässt sie viel Raum, um mit Details der Umwelt ausgestattet zu werden. Die Landschaft ist meistens die eigene oder eine mit „orientalischen“ Elementen vermischte Idealvorstellung, in der sich die erzählende Szenerie der Figuren und Gruppen wirksam aufstellen lässt.

Diese Krippe von „Xandi“ Schläffer stellt innerhalb des Typus der Heimatkrippen einen Glanzpunkt in der Krippensammlung der Abteilung Volkskunde des Salzburg Museum dar. Sie stammt von der Hand des Salzburger Krippenbauers Alexander Schläffer (1899-1984) und wurde zur Weltkunstausstellung anlässlich der Sommer-Olympiade in Mexiko-City 1968 geschaffen.

Wie alle Krippen von Xandi Schläffer fühlt man sich – besonders als Bewohner der Salzburger Gebirgsregion – sofort geborgen. In untrüglicher Weise hatte Schläffer für sich erkannt und es auch umzusetzen verstanden, was das Geheimnis wahrer Krippenkunst – im Speziellen der Volkskrippe – ausmacht: „Das Wunder liegt dort, wo wir uns dessen bewusst werden können.“ Bereits ab den 1950er Jahren gelangte Xandi Schläffer zu der Erkenntnis, dass sein Krippenschaffen weniger in der Darstellung orientalischer Landschaften als vielmehr in der Wiedergabe seiner Pinzgauer Heimat rund um Saalfelden für ihn die einzig gültige Verwirklichung finden konnte. „Es gibt Menschen, denen die Heimat alles ist, ihre ganze Welt. Und der richtige Krippenmensch muss in seine Krippe als Beste hineinbauen, was es für ihn gibt. Und das ist für mich die Heimat!“ charakterisierte der Krippenbauer von nun an sein Schaffen. So entstammen Bergwelt, Architektur und die Gestalten stets der unmittelbaren Umgebung seiner Heimat. Sie gehen eine enge Verbindung ein und bilden die Dimensionen, aus denen heraus Schläffer´sche Krippenbaukunst ihre ungeheure Wirkkraft bezieht, die einen nicht Heimischen ebenso anspricht, unbewusst, ohne nach Erklärung und Zustimmung zu fragen, die Tiefe des Wiedergegebenen erfühlend.

Eng gedrängt ducken sich in der Krippe des Salzburg Museum eine Mühle und der Krippenstall in die Landschaft, von dem aus ein getreppter Steinplattenweg zum höher gelegenen Bauernhaus mit prächtig in Natursteinmauerwerk gerahmter Eichentüre und bekrönenden Glockentürmchen am Dachsattel führt. Als Bewahrer und Schilderer pinzgauerisch-alpenländischer Bauweise schuf Schläffer getreue Abbilder vergehender bäuerlicher Architektur in allen Details, die er während der Sommermonate im Original fotografisch festgehalten hatte und die heute aus unserer Landschaft längst verschwunden sind. Der die Mühle betreibende Bach auf der einen Seite und ein zerfallender Holzzaun, geflochten aus Latten in der für den Pinzgau typischen Art, mit offenem Gatter auf der anderen Seite, grenzen den Krippenstall von den übrigen Gebäuden ab. Dazu gehören – als unverkennbares „Markenzeichen“ einer Schläffer-Krippe – die Bäume. Alt und verwittert handelt es sich dabei um ein Stück Wetterfichte, die „Xandi“ Schläffer in einer eigenen Gegend zwischen Schwalbenwand und Hundstein (bei Zell am See) fand. Ab September gehörte es zum vertrauten Anblick für die Einheimischen, den „Xandi“ auf dem Fahrrad davonradeln zu sehen, einen Rucksack am Buckel, um sich „seine“ Bäume von den einsamen, verkrüppelten Bergfichten am Rand der Baumgrenze in etwa 2.500 Meter Höhe zu holen. Mit dieser Tätigkeit begann für „Xandi“ Schläffer gleichsam die Krippenbausaison, denn richtig Krippenbauen konnte der „Xandi“ nur im Winter, im Sommer fehlte ihm gänzlich der Sinn dazu.

Entblößt von Rinde und jeglicher Zier zeugen diese Gewächse vom Kampf gegen das Toben und Brausen der Natur, wie es in Regionen oberhalb der Baumgrenze ungehindert um sich greift, alles vereinnahmend, was – dem Schutze des hochstämmigen Nadelwaldes entzogen –sich ihm in den Weg stellt, nur den Zähesten und Härtesten eine Chance zum Überleben gewährend. Oft durchbrechen die Bäume das morsch gewordene Dach des Krippenstalles oder einer Keusche oder überragen – wie in unserer großen Heimatkrippe – die ganze bäuerliche Ansiedlung, einst als mächtiger Wächter derselben fungierend, nun zum Gerippe erstarrt, leblos, wie die im Vergehen begriffenen Häuser und Hütten mit ihrem zerfallenden, vom Mauerfraß durchsetzten, zerbröckelnden Mauerwerk, den schief hängenden Fensterläden, dem morschen, mit Steinen beschwerten Holzschindeldach und den Dachplatten, die – der Wucht der Schneelast nicht mehr standhaltend – nun verschoben, zerborsten und abgebrochen einen weiteren Kampfplatz im Zersetzungsprozess mit der Natur markieren.

Unbeeinflusst von dem Ganzen – da von Menschenhand unberührt – bleibt lediglich die erhabene Bergkulisse des Steinernen Meeres, die sich hinter dem Krippenberg mit seinen Häusern erhebt – mit Persalhorn, Mitterhorn, Breithorn, Sommerstein, in dessen Schatten sich das Riemannshaus auf 2.177 Meter-Höhe verbirgt –, Schöneck, Wurmkopf und Schönfeld-Spitze (von links nach rechts), womit uns der Krippenbauer jenes mächtige Panorama der Saalfeldner Steinberge vor Augen führt, das ihm als Saalfeldner vertrauter Anblick war. „Xandi“ Schläffer malte seine Hintergründe stets selbst, auf Hartfaserplatte mit Temperafarben. Sie zeigen ihn als einen in der Kulissenmalerei durchaus geübten Künstler. Bereits früh hatte sich Schläffer die notwendigen Anleihen – ebenfalls bei einem Saalfeldner, dem Malermeister Richard Tschulnigg (gest. 1928) –, geholt. Tschulnigg war zu dieser Zeit landauf, landab der gefragteste Kulissenmaler für die Bühnenbilder der diversen Bauerntheater, die damals bis in den Oberpinzgau hinauf mit ihren Auftritten für Unterhaltung und Zerstreuung sorgten. Besonders für die offene Landschaftskrippe bildete der gemalte Hintergrund ein unverzichtbares Element, da er die plastisch gebildeten Teile des Krippenberges zu einer Einheit zusammenfasst. Xandi Schläffer war sich dieser Wirkung wohl bewusst und bestrebt – so auch bei den Kirchenkrippen, die er im Laufe der Jahre für viele Orte im Pinzgau geschaffen hatte –, die jeweilige Bergkulisse des Ortes mit einzubauen, wobei er sich bei der malerischen Wiedergabe an eigenen Fotografien, die er während der Sommermonate aufgenommen hatte, orientierte.

Gegen die Erhabenheit der Bergwelt steht die Vergänglichkeit alles Menschenwerkes – wir finden es wiedergespiegelt in jedem seiner großen Krippenberge. Wie kaum ein anderer verstand es „Xandi“ Schläffer, das Ruinöse der orientalischen Krippe durch Elemente wie den oben genannten in die Heimatkrippe umzusetzen und damit eine wesentliche Idee des Krippengedankens auch auf die Heimatkrippe zu übertragen. Denn die Geburt Christi markiert unmissverständlich eine Zeitenwende, bedeutet Aufbruch ins Neue, eine Absage an das Alte. „Alle Ruinen, zerbrochene Säulen, geborstene Tempel und zerstörten Burgen sind nicht Kennzeichen der Krippenromantik, sondern symbolisieren den Niedergang der antiken, heidnischen Welt und verweisen auf die neue Zeit, die mit Christi Geburt angebrochen ist, der sagt ‚Siehe, ich mache alles neu‘“, formuliert der bayrische Krippenexperte Gerhard Bogner dieses Geschehen.

Durch das Ereignis der Geburt Christi entfaltet sich in den ruinösen Keuschen, Hütten und Häusern Schläffers neues Leben. Man merkt es an den über das Balkongeländer gehängten Wäschestücken, die im Winde wehen; aus den Hauseingängen mit ihren schief in den Angeln sitzenden Türen sieht man plötzlich wieder Menschen heraustreten, die sich aufmachen zu jenem Ort, wo das Wunder geschehen ist. Überall bevölkern Figuren den Krippenberg, modelliert und gefertigt in der Art, dass sie – da für uns heute so typisch – nur aus der Hand unseres „Xandi“ Schläffer stammen können. Dabei war es gerade der figurale Bereich, an den sich Schläffer in mühevollem Selbststudium Schritt für Schritt herantasten musste. Denn der Stall und die ihn umgebende Szenerie waren für Schläffer von Anfang an nicht das Problem gewesen. Die ersten Bezugspunkte dazu ergaben sich für „Xandi“ schon als Bub durch seinen Vater, der – wie viele dazumal auch – die langen Winterabende nutzte für das Basteln einer Krippe, wobei man sich auf die Fertigung einfacher, meist nur auf die Landschaft bezogener Gebilde beschränkte.

„Durch ein Bodenbrett wurden von unten mehr oder minder lange Stifte geschlagen, darüber in Leim getauchtes Tuch gelegt, das solange es weich blieb, sich zwischen den Stiften spannte und dann erhärtete.“ Noch in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg erwarb sich „Xandi“ Schläffer den Ruf, im Gestalten dieser Berge besonders geschickt zu sein, sodass diese reißenden Absatz fanden. Die Figuren schnitzte damals noch Leopold Rohrmoser, der „Ritzen-Poidl, ein Ritzensohn“ (frühere Landwirtschaft im Gebäude des heutigen „Museum Schloss Ritzen“ in Saalfelden) dazu. Nach dessen Tod behalf sich Schläffer in den Zwischenkriegsjahren zunächst mit gekauften Figuren, doch als auch der letzte Lieferant in Salzburg starb, war es für „Xandi“ zur Gewissheit geworden, „hiaza tuats fei nimmer. Nix passt, I muaß sölba probieren“, wie er seine Schwierigkeiten von damals gegenüber dem Volksblatt formulierte, das in seinem Bericht fortfährt: „Er tat es, aber nicht zu seinem Gefallen. Die meisten konnten vor seinem kritischen Blick nicht bestehen, drum war er sie in den Ofen. Aber, so „Xandi“ heute, ‚Ös san alleweil mehr word´n, die funktioniert ham. Und hiazt wird a jeder so wia i wüll. Hiazt feiliert koana mehr‘“ (Volksblatt, Dezember 1971).

Die von ihm gewählte Technik, mit der er seinen Werken einen so unverkennbaren Stempel aufzuprägen wusste, war nicht neu, jedoch zu dieser Zeit kaum in Salzburg üblich. Das Kernstück bildete ein Klötzchen aus Lindenholz, das durch seine Weichheit das Hineinstecken der Gliedmaßen, die Schläffer aus Draht formte, erleichterte. An diese Drähte waren bereits Kopf, Arme und Beine gesteckt, für deren Fertigung sich Schläffer einer bestimmten Masse bediente, wozu er Wiener Weiß (eine Maler-Spachtelmasse), etwas Roggenmehl und Leim zu einem „Teig“ verarbeitete, der in vorbereitete und vom Krippenbauer selbst aus Gips hergestellte Model gepresst wurde und durch Trocknen an der Luft erhärtete. Zur Figur wurde dieses vorgefertigte Gestell aber erst durch das Aufbringen von feinen, meist vom Krippenbauer selbst eingefärbten Leinen- o der Baumwollstoffen, die zuvor in ein Leim-Wasser getaucht wurden um dann während des Erstarrens am Gerüst zu raumgreifender Körperhaftigkeit modelliert zu werden. Für den Zuschnitt der Stoffe gab es keine Vorlage, sondern er erfolgte nach Augenmaß. Geübt durch langjährige Erfahrung waren im Handumdrehen Hosen-, Ärmel-, Gewand-, Überwurf-, Pfoadl- und Rochschnitt durch wenige, präzise gesetzte Schnitte mittels Schere fertiggestellt. Die Technik des Kaschierens – wie die Herstellungsart derartig modellierter Figuren bezeichnet wird – bedarf einer großen Formvorstellung und Fingerfertigkeit und hatte in Krippenkünstler Theodor Pfitzer einen ersten Meister in Salzburg gefunden.

Während Letzterer in überwiegenden Maße Krippen im orientalischen Stil anfertigte, bleibt es das große Verdienst von Xandi Schläffer, diese Technik der Figurenherstellung erstmals in die alpenländische Heimatkrippe eingebracht zu haben. Ihren Ausgang genommen hat die Technik des Kaschierens von Italien, wo sie zuerst in Rom (Krippe des Marchese Gabuccini) und vereinzelt auch in Neapel auftrat. Ihre eigentliche Verbreitung fand sie jedoch von Sizilien aus, wo sie durch das Werk von Giovanni Antonio Matera (1653-1708 od. 1718) Berühmtheit erlangte.

In seinen Figuren ist Xandi Schläffer ein feinsinniger, humorvoller Erzähler heimischer Lebensart. In ihrem seligen Staunen und ihrer Ehrfurcht vor dem Kinde haftet ihren Bewegungen eine rührende Unbeholfenheit an – fast erscheinen sie ungelenk in ihrem seligen Drange, sich dem Kinde zu näheren, womit Schläffer den Eindruck der Ergriffenheit zu vertiefen, ja unnachahmlicher Weise noch zu steigern vermag. Von einer seltsamen Behutsamkeit getragen ist – durch eine bewusst gestaltete Überlängtheit der Unterarme – jede Bewegung ihrer schützend gebreiteten Handflächen, zaudernd und zögernd ihre Schrittstellung, eindeutig unmissverständlich ihre Kopf- und Körperhaltung im Kontakt zueinander beziehungsweise zum göttlichen Geschehen.