Die Salzburger Bürgerstochter Maria Cordula Pflanzmann[i] legte 1694 im Alter von 36 Jahren ein privates Zölibatsversprechen ab, bezog zwei Zimmer auf dem Areal des Benediktinerklosters St. Peter und verbrachte – so war mindestens ihre Absicht – ihr Leben dort. Sie war keine Nonne im kirchenrechtlichen Sinn, da sie weder einer Gemeinschaft angehörte noch in einer Klausur lebte.
Sie genoss einen relativ hohen Grad an Autonomie. Pflanzmann könnte ein Beispiel sein für ein Semi-Religiosentum in Salzburg, das zu dieser Zeit auch an anderen Orten bestand, aber wenig dokumentiert wurde.
In einem von ihr, ihrem Vater und Abt Edmund Sinnhuber unterschrieben Vertrag vom 29. März 1694 wurde ihre Lebensgrundlage geregelt und im Detail geschildert. Hofkammerrat Felix Pflanzmann[ii] bezahlte dem Stift einen Betrag für ihre Verpflegung im Hofrichterhaus von St. Peter, aber der Löwenanteil des Abkommens zwischen dem Hofkammerrat und dem Prälaten war die Übergabe eines Grundstücks (samt Häusern) am Mönchsberg, wo heute die Edmundsburg steht.[iii] Abt Edmund ließ ein neues Haus dort bauen, das 1696 fertig war und heute nach ihm benannt ist.
Cordula Pflanzmann ist uns bislang nur durch den erhaltenen Vertrag bekannt, der festhält, dass „die junckfrau Maria Cordula Pflanzmanin sich entschlossen (hat), in celibatu zu leben und zu sterben, um das dieselbe ihrem gebett, und dero seelen hail desto besser abwarthen, auch den weltlichen geschefften enthoben sein mechte, und zu solchen ende demüettig gebetten.‟ Bis zu ihrem Lebensende wollte sie unter dem Schutz des Klosters leben.
Der Vertrag nennt diese Schutzfunktion des Abtes ausdrücklich. Ferner wurde präzisiert, dass sie unter seiner „Direktion‟ stand, im Hofrichterhaus zwei Zimmer bekam und eine Mitarbeiterin des Klosters ihr zur Verfügung stand, um für sie Holz zu tragen, Kerzen zu besorgen und zweimal in der Woche die Zimmer auszukehren. Abgesehen davon waren keine weiteren Dienste vorgesehen. Sollte Cordula allerdings krank werden, stand ihr die notwendige Pflege zu. Sie sollte generell vom Klostermedicus regelmäßig betreut und zur Ader gelassen werden. An Fasttagen erhielt sie Fastenspeise, an Festtagen (so wird ausdrücklich erwähnt) auch die zusätzliche Portion von Fleisch. Sie erhielt ein bescheidenes Weindeputat. Das Stift bezahlte ihre Kleidung. Bei ihrem Ableben erhielt sie eine Beerdigung in der repräsentativen Gruft ihrer Eltern am Petersfriedhof[iv]; bei der Totenliturgie sollte die Rosenkranzbruderschaft mitgehen. Drei Seelenämter mit Leviten, vier „Nebenämter‟, der Dreißigste und jährliche Messen am Todestag wurden für sie vereinbart. Monatlich bekam sie 1,30 Gulden auf die Hand ausbezahlt von einem Grundkapital von 360 Gulden, das der Vater mit Vertragsunterschrift dem Stift übergeben hatte. Das Wesentliche und Geschichtsträchtigste am Vertrag war aber das Grundstück samt zweier Häuser, die damals dort standen.
Cordula Pflanzmanns Leben war nach der Vereinbarung eng an den klösterlichen Alltag und den liturgischen Jahreskreis von St. Peter angegliedert. Diese Tatsache, wie auch die ausdrückliche Erwähnung des Zölibats in einem geistlichen Zusammenhang, rücken Cordulas Lebenspläne in den Bereich des gottgeweihten Lebens, mindestens im weitesten Sinne. Die Frühkirche und das Mittelalter kannten geweihte Jungfrauen, und seit 1868 kam die Jungfrauenweihe wieder vereinzelt auf. Heute gibt es weltweit einige Tausende geweihte Jungfrauen. Aber in der Epoche der Salzburger Pflanzmanns war diese Lebensform nicht bekannt. Geweihte Jungfrauen anderer Epochen waren kirchlich eingebunden und gestalteten ihr Leben – je nach Charisma und Umfeld – durch Werke der Nächstenliebe und Gebet. Dabei gab es große Unterschiede unter ihnen, je nach Lage und Persönlichkeit. Auch wenn im Jahr 1694 nicht von einer ausdrücklichen Weihe gesprochen wurde, gab es zu der Zeit offensichtlich die Möglichkeit, eine Art monaca a casa (zuhause lebende Nonne) zu sein, sonst wäre der Salzburger Vertrag nicht denkbar gewesen.
Wie sah Cordula Pflanzmanns Alltag nach 1694 bis zu ihrem Lebensende aus? Die Einzelheiten sind uns nicht bekannt. Es war vielleicht ein Leben in Zurückgezogenheit oder auch ein karitatives Wirken in Stadt und Umgebung. Jedenfalls war es in Europa eine Zeit der Entdeckungen und Erweiterungen für den kirchlichen und pastoralen Einsatz von Frauen. Immer wieder fanden ledige und verheiratete Frauen neue Wege, um ihre Sehnsucht nach spiritueller Vertiefung zu stillen und sich im Dienst am Nächsten einzubringen. Sie wollten als Lehrerinnen oder Krankenpflegerinnen arbeiten, aber nicht mit strengen Klausurvorschriften. Der Eintritt in ein konventionelles Frauenkloster hätte eine ganze Reihe von Bedingungen mit sich gezogen, etwa eine Mitgift und ein junges Alter. Ein weiteres Hindernis (heute schwer vorstellbar) waren die vollbelegten Klöster. Im 17. und 18. Jh. weiteten sich die Perspektiven. Laiengruppierungen entstanden, sowie neue ordensähnliche Institute, die bewusst auf die Feierliche Profess verzichteten, um ihren Mitgliedern eine flexible Lebensgestaltung zu ermöglichen.
Der Salzburger Vertrag hatte insofern weitreichende Folgen, als das Kloster als Gegenleistung für Cordulas Verpflegung jene Häuser und Grundstücke erhielt, die heute Edmundsburg und Edith-Stein-Haus genannt werden. Damals standen zwei andere Häuser dort, von einem ist eine Abbildung erhalten.[v] Der Vertrag von 1694 leitete also eine bauliche Maßnahme ein, die das Antlitz Salzburgs veränderte. St. Peter hatte zwar weitere Besitzungen auf dem Mönchsberg, doch die Edmundsburg kam verhältnismäßig spät hinzu und blieb auch nicht lange bei St. Peter. 1834 wurde es vom Stift wegen des geringen landwirtschaftlichen Ertrages verkauft. 1853 kaufte es Kaiserin Karoline Augusta und schenkte es der Erzdiözese Salzburg zur Errichtung einer sozialen Einrichtung für bedürftige Schüler unter der Direktion des Abtes von St. Peter.
[i] Außer ihrem Taufeintrag in den Matriken des Domes ist wenig über sie bekannt. Dompfarre, Taufbuch 1658–1672, pag. 7, 4. März 1658. Siehe auch Anm. ii
[ii] Felix Pflanzmann hatte das Adelsprädikat „von Schallmoos‟ erreicht. Franz Martin, Beiträge zur Salzburger Familiengeschichte. 18. Pflanzmann von Schallmoos. Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 71 (1931), S. 106–108.
[iii] Adolf Frank, Der Mönchsberg und seine Baulichkeiten. Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 70 (1930), S. 1–44, hier 5–7. Folgende Urkunden (alle Archiv der Erzabtei) belegen Vereinbarungen zwischen Pflanzmann und dem Stift: Nr. 4292-1695, 4290a-1694, 4212a-1673.
[iv] 1680 hatte Felix Pflanzmann die Gruft mit heutiger Zählung XLV im Petersfriedhof besorgt. Eine Bestattung der Tochter Cordula ist nicht belegt. Conrad Dorn / Andreas Lindenthaler, Der Friedhof zu St. Peter in Salzburg (Salzburg, Verlag St. Peter 1982), S. 198–199. Gerald Hirtner danke ich für den Beleg der Bestattung von Mutter Pudentiana am 14. Feb. 1710. Archiv der Erzabtei St. Peter, Hs. A 266, fol. 84r.
[v] Frank, Mönchsberg (wie Anm. iii), S. 6.