Die Mobil-Tankstelle am Rudolfsplatz – Benzinzapfstelle und Taxi-Hotspot im Nonntal von 1930 bis 1966

  • Entstehungszeitraum: 1929
  • Entstehungsort: Salzburg
  • Objektart: Fotos
  • Artikel-Autor: Werner Friepesz
  • Material/Technik: Papier, Druck
  • Standort/Signatur: Salzburg Museum, Inv.-Nr. Foto 45501_Detail, Inv.-Nr. Foto 45507, Inv.-Nr. Foto 45506_Detail, Inv.-Nr. Foto 45504, Inv.-Nr. Foto 45503
  • Physisch benutzbar: ja
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Viele ältere Bewohner*innen der Stadt Salzburg wissen um das Verschwinden bekannter Bauwerke aus dem Stadtbild innerhalb der vergangenen Jahrzehnte. Exemplarisch für diese Bauten sei nur das Paracelsus-Bad erwähnt, das nun schon zum zweiten Mal (1950-56 und 2017-2019) abgerissen und in Größe und Stil gänzlich neu erbaut wurde. Profanbauten des alltäglichen Lebens, die nur einen funktionellen Zeck erfüllen und keine architektonischen Besonderheiten aufweisen, werden oft schnell aus der persönlichen Erinnerung gestrichen. So ein vergessenes Gebäude, um das sich aber über drei Jahrzehnte alles dreht und kreiste, war die Tankstelle auf dem Rudolfsplatz. Auf der heutigen Grüninsel inmitten des Kreisverkehrs erinnert nichts mehr daran, dass es eine Zeit gab, als man dort Treibstoff mit dem klingenden Namen „Sphinx-Benzin“ tanken konnte.

Auch wenn es schwierig ist, von solch „unattraktiven“ Objekten Fotografien zu bekommen, ist das Salzburg Museum im Besitz einiger Bildpostkarten, auf denen derartige Objekte zumindest am Rande in Erscheinung treten. Ziel der Fotosammlung muss es auch weiterhin sein, Dokumente dieser vergessenen Bauten zu sammeln, um ein möglichst vollständiges Bild der topographischen Veränderungen in Salzburg liefern zu können.

Die Anfänge

Die erste „Zapfstelle“ in Österreich nahm 1924 in Graz den Betrieb auf. Unter regem öffentlichem Interesse folgte die Stadt Salzburg nur ein Jahr später mit einer Zapfstelle in der Bergstraße.[1] Sechs Jahre später waren es schon 50 Tankmöglichkeiten innerhalb des damaligen Stadtgebietes, und in der Presse begann man diesen „Wildwuchs“ zu hinterfragen. Den Antrag für die Errichtung einer Auto-Service-Station in der Mitte des Rudolfsplatz brachte 1929 die „Vacuum Oil Company“ (später „Mobil Oil“ und heute „ExxonMobil“) ein. Da es sich um öffentlichen Grund handelte und sich dort bereits eine Transformatorstation stand, verpflichtete sich die Ölfirma, den Transformator in das Gebäude zu integrieren sowie einen Geräteraum für die städtischen Arbeiter und eine öffentliche Toilette einzurichten.[2] Im Gegenzug für die hohen Investitionen, die die Ölfirma beim Bau als Vorleistung zu erbringen hatte, verzichtete die Stadtgemeinde auf das übliche vierteljährliche Kündigungsrecht und garantierte einen Vertragszeitraum von 15 Jahre.

Übrigens: Da es offenbar damals rechtlich nicht möglich war, einem männlichen Tankwart die Reinigung und Wartung der Damen-Toilette zu übertragen, sollte laut Gemeinderatsbeschluss die Stadtgemeinde diese Aufgabe selber übernehmen. Ob diese öffentliche Toilette tatsächlich eingerichtet wurde bzw. jemals in Betrieb ging, lässt sich nicht mehr eruieren.

Da der Bau zeitgleich mit der Errichtung der Polizeikaserne vonstattenging und aus arbeitsrechtlichen Gründen die Baustelle mit einem Bretterzaun verkleidet war, gab es allerhand Spekulationen, was denn hier wohl errichtet werden würde. Die Vermutungen reichten von einer Parkanlage über ein Denkmal bis hin zu einem unterirdischen Gang von der Polizeikaserne zum Justizgebäude.[3] Die „Vacuum Oil Company“, die zu jener Zeit landesweit circa 4.000 Händler mit ihrem „Gargoyle-Motoröl“ und schon über 1.000 Tankstellen mit der Hausmarke „Sphinx-Benzin“belieferte, eröffnete schließlich Ende 1930 auf dem Rudolfsplatz die neue Filiale.[4] Es handelte sich damit um eine Tankstelle, die mitten in einem neuralgischen Verkehrsknotenpunkt auf kleinstem Raum errichtet worden war und von allen Seiten von vielbefahren Straßen umgeben war. Trotz der augenscheinlich hektischen Betriebsstätte stand neben dem Benzinverkauf noch der Service-Gedanke im Vordergrund. Meist wurden die Scheiben gereinigt, der Ölstand, Wasserstand des Kühlers, Frostschutzmittelgehalt des Kühlwassers, der Luftdruck der Reifen und die Beleuchtung geprüft. In Zeiten der Selbstbedienungstankstellen gerät in Vergessenheit, dass früher ein Tankwart diesen Service leistete.

Die Idee des Funktaxis

Über die nächsten zwei Jahrzehnte lief der Betrieb unverändert weiter. Die Muttergesellschaft änderte durch Firmenfusionen mehrfach ihren Namen (1955 schließlich in „Mobil Oil AG“), und das Verkehrsaufkommen rund um die Tankstelle nahm merklich zu. Aber nicht nur Privatautos fuhren um und an die dortigen Tanksäulen, auch für das immer größer werdende Taxigewerbe der Stadt war der Platz nach dem Weltkrieg von wachsender wirtschaftlicher Bedeutung. Salzburg galt in jenen Jahren als verschlafene Provinzstadt, die nachts wenig zu bieten hatte. Eine Ausnahme bildete hier das Nonntal und speziell die Kaigasse, aus deren Gasthäusern, Bars und sonstigen Etablissements täglich zahlreiche Nachtschwärmer*innen mit einem Taxi vom Rudolfsplatz heimgefahren werden wollten.

In den 1950er Jahren konnte man ein Taxi jedoch nur direkt am fix zugewiesenen Standort besteigen oder wenn möglich via Telefonanruf beim Standort bestellen. So erinnerte sich der ehemalige Taxiunternehmer Kurt Gogg (†2020) in einem Interview 1983, dass der Tankwart am Rudolfsplatz den Fahrern „(…) öfters eine telefonisch aufgenommene Fahrt in der Tankstelle durch die Oberlichte der Tankstelle zukommen ließ.“[5] Trotzdem musste der Fahrer nach jeder Fuhr wieder zum zugewiesenen Standort zurückkehren, um einen neuen Fahrgast aufzunehmen oder einen weiteren Telefonauftrag zu erhalten. Individualist Sebastian Winklhofer, Taxifahrer und Teilzeit-Tankwart am Standort Rudolfsplatz, ersann als erster die Idee, Taxis mit Funkgeräten auszustatten, um schon während der Fuhren neue Aufträge einzuholen und so Leerfahrten zu vermeiden. Diese Idee wurde von einer kleinen Gruppe von Fahrern, nicht mehr als 15 Personen, weiterverfolgt und mit dem Jahr 1963 die erste Salzburger Funktaxivereinigung gegründet.

Wachsendes Verkehrsaufkommen und das Ende

Damals wie heute war der Rudolfsplatz ein Nadelöhr und der gleichzeitige Bau von Polizeikaserne und Tankstelle verschärfte diese Situation noch weiter. Bereits bei der Errichtung der Tankstelle wurde von Kritikern beanstandet, dass das Gebäude in dieser verkehrsintensiven Lage die Übersichtlichkeit verringern und die Unfallgefahr deutlich erhöhen würde. Vorher gab es dort lediglich etwas Buschwerk um den Transformator zu verbergen. Auf dieses gesteigerte Verkehrsaufkommen bzw. die sich häufenden Unfälle rund um die Tankstelle reagierte die Stadt Ende 1952 mit der Errichtung einer Ampelanlage, die zeitgleich auch auf dem Dr.-Franz-Rehrl-Platz in Betrieb ging. Zusätzlich sollte ein Posten vom Balkon der Polizeikaserne über Megaphon in das Verkehrsgeschehen eingreifen.[6] Ob diese Maßnahme – über die Ankündigung in der Zeitung hinaus – umgesetzt wurde, ist nirgends verzeichnet.

Letztlich half aber auch die Ampelregelung nur begrenzt, und durch die weiterhin steigende Verkehrslast galt es, eine effektivere Lösung zu suchen. Das Salzburger Kuratorium für Verkehrssicherheit erkannte die Notwenigkeit, den Kreuzungsbereich in alle Richtungen deutlich zu verbreitern, was nur durch die Reduzierung des Tankstellenareals möglich war. Somit waren im Frühjahr 1966 die Würfel gefallen, und mit Ende April entfernte man die Tankstellenaufbauten zugunsten einer verkleinerten Verkehrsinsel.[7] Beinahe 60 Jahre später ist dieser Platz heute nicht nur eine Verkehrs-, sondern auch eine Blumeninsel geworden, die von der Stadtgärtnerei jedes Jahr von Neuem in voller Pracht gestaltet wird. Eine Luftaufnahme zu Beginn der 1980er Jahre zeigt noch das freie Terrain des ehemaligen Tankstellenplatzes, und verblasste Fundamentreste zeugen noch von der Zeit, als es dort hieß: „Einmal volltanken bitte!“


[1] Salzburger Volksblatt, 10. März 1925, S. 5

[2] Salzburger Gemeinderatsbeschluss 1613/29

[3] Salzburger Wacht, 17. Dezember 1930, S.4

[4] Salzburger Volksblatt, 12. März 1930, S. 8

[5] Taxi-Zeitung 81-11, Ausgabe 50, 2013, S. 7

[6] Salzburger Nachrichten, 6. Dezember 1952, S. 5

[7] Salzburger Nachrichten, 21. April 1966, S. 5