„Mietskaserne“ Schloss Mirabell

  • Entstehungszeitraum: 1876/1886
  • Entstehungsort: Salzburg
  • Objektart: Plan
  • Autor/Künstler: Lithographischen Anstalt von Norbert Kränzl; Färbung: unbekannt
  • Artikel-Autor: Christian Flandera
  • Material/Technik: Papier, Lithographie, Tusche, Aquarell
  • Größe: 28,2cm x 25,4cm
  • Standort/Signatur: Salzburg Museum, Inv.-Nr. 14008 a-49, 14008 c-49; 14008 d-49
  • Physisch benutzbar: ja
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Das Schloss Mirabell wurde im Jahr 1870 von der Stadtgemeinde Salzburg gemeinsam mit zahlreichen anderen Immobilien vom k.k. Ärar angekauft. Vom Glanz vergangener Tage war allerdings nur mehr wenig übrig: Der große Stadtbrand am 30. April 1818 hatte das Gebäude arg in Mitleidenschaft gezogen und der Wiederaufbau bzw. die Sanierung sollte, auf Befehl von Kaiser Franz II. (I.) von Österreich (1768–1835), „mit der möglichsten Schonung für die Finanzen“ geschehen. Das Ergebnis dieses Sparkurses ist unter anderem die heutige schlichte Schlossfassade.

Nach der Sanierung, die mehrere Jahre benötigte, wurde das Schloss nur mehr selten von der kaiserlichen Familie besucht. Und so wurde das Schloss vom Salzburger Fürsterzbischof Maximilian Joseph Ritter von Tarnóczy (1806–1876) als Wohnsitz genutzt. Zeitgleich räumte der Kaiserhof einem Weggefährten des Tiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer, Kapuzinerpater Joachim Haspinger (1776–1858), eine Gnadenwohnung im Schloss ein. 1870 kaufte die Stadt Salzburg somit keine leerstehende Immobilie, sondern ein von zahlreichen Mietern bevölkertes Gebäude.

In der Grafiksammlung des Salzburg Museum haben sich mehrere Pläne mit dem Titel „Mirabell-Schloss“ erhalten (Abb. 1–3). Die Pläne sind in gewissem Maße abstrakt, denn der Zeichner konstruierte quasi ein Schloss in dem es nur rechte Winkel gibt. Doch in der Realität sind die Fensternischen unterschiedlich abgeschrägt, verschiedene Mauerstärken, Mauernischen und Vorsprünge wurden auch nur unzureichend berücksichtigt. Die Ursache dürfte wohl darin zu sehen sein, dass sich der Zeichner mehr am im Hintergrund sichtbaren Raster, denn an der Natur orientierte.

Der Plan bietet eine Raumnummerierung und eine Zuordnung einzelner Bereiche zu bestimmten Personen oder Institutionen. Am Plan für den 2. Stock wurde auch die verwendete Maßeinheit – nämlich „Klafter“ – angegeben. Ein Kästchen des Rasters entspricht dabei einem „Klafter“, also 1,896 Meter. Da die Einheit „Meter“ als verbindliches Längenmaß in der Monarchie erst am 1. Jänner 1876 eingeführt wurde, muss der Plan also davor angefertigt worden sein. Die Stadtverwaltung dürfte damals zahlreiche Abzüge der Pläne bestellt haben, da sich im Stadtarchiv Salzburg ähnliche Grundrisse erhalten haben. Gedruckt wurden die Pläne in der Lithographischen Anstalt von Norbert Kränzl (1829–1877) in der Griesgasse Nr. 330 (heute Nr. 29) in der Stadt Salzburg

Der Plan des Parterres gibt zusätzlich die Länge und die Breite des Schlosses an – ebenso wurden in einigen Zimmern die Maße angegebenen. Die Breite des Schlosses wurde mit 35 (Wiener) Klafter und die Länge mit 42 Klafter 5 Fuß angeführt. Umgerechnet würden sich für die Breite bei der Gartenseite somit 66,37 Meter ergeben – tatsächlich sind es 73 Zentimeter mehr. Die historische Längenangabe ergibt 81,23 Meter – tatsächlich beträgt die Länge aber 82,39 Meter. Der Messfehler von fast einem Meter könnte auf die Gartenmauer zurückzuführen sein, die auf dieser Seite bis ans Gebäude reicht. Neben der Gebäudegröße zeigen die Pläne, dass nahezu jeder Raum mittels eines Ofens beheizt werden konnte. Weniger rosig war die sanitäre Situation: Im Erdgeschoss existierten – vermutlich seit Mitte der 1880er-Jahre – vier Toiletten für acht Mieter sowie die Militärbehörden. Ergänzt wurden diese durch eine WC-Anlage mit drei Toiletten im nordöstlichen Eck des Schlosses. Luxuriöser hatten es die adeligen Mieter des 1. Stocks. Hier teilten sich drei Mieter fünf Toiletten. Im 2. Stock hingegen war die Lage wieder angespannter; für zehn Nutzer gab es nur sechs WCs

Es kann davon ausgegangenen werden, dass die Pläne den Stand der Mietverhältnisse an einem unbekannten Stichtag rund um das Jahr 1886 wiedergeben sollen. Ob der Plan seinerzeit allerdings fehlerfrei beschriftet wurde – also alle Mieter richtig vermerkt wurden – lässt sich heute nicht mehr überprüfen.

Wenn wir unseren Rundgang im Erdgeschoss beginnen, so sticht hier gleich eine Arztordination ins Auge: Im südwestlichen Eck des Parterres (in Richtung Mirabellgarten) hatte der „Spezialarzt für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten und Electrotherapie“, Dr. Josef Halbeis (1849–1943), seine Ordinationsräumlichkeiten. Für die Ordination, sie war täglich von 10 bis 12 Uhr geöffnet, hatte Dr. Halbeis 400 Gulden Jahresmiete zu bezahlen. Der aus Tirol stammende Halbeis ordinierte aber nicht nur im Schloss, sondern er wohnte auch im Schloss und zwar im 2. Obergeschoss. Hierfür waren weitere 420 Gulden fällig. Von 1894 bis 1909 war Halbeis auch Präsident der Salzburger Ärztekammer.

Eine Wohnung zu ebener Erde hatte Barbara Schmidt (k.k. Hofgärtnerswitwe; 1807–1896), die hier auch starb. Das Erdgeschoss war – da hier auch die Miete je Quadratmeter niedriger war – in weiblicher Hand. So wohnten noch Amalie Seitner (k.k. Landesforstinspektorswitwe; 1833–1905), Johanna Urban und Wilhelmine Zeppezauer im Parterre. Auf der Südseite des Hofs befanden sich einige Militärbehörden. Ebenfalls im Erdgeschoss war die Hausmeisterwohnung, sowie ein Lager des k.k. Hofantiquars Albert Pollak (1833–1921). Pollak erhielt 1873 als erster Jude das Salzburger Bürgerrecht und zählte zu den alteingesessenen Nutzern des Schlosses.

Wesentlich elitärer waren die Mieter des 1. Stock – der Beletage. Die mit Abstand größte Fläche im ganzen Gebäude stand Marie Mathilde Fürstin von Schwarzburg-Sondershausen (1814–1888) zur Verfügung. Die Fürstin hatte Räumlichkeiten in drei Stockwerken angemietet. Sie wohnte gemeinsam mit ihrer Tochter, Prinzessin Marie (1837–1921), sowie der langjährigen Hofdame und Obersthofmeisterin Hyacinthe Auguste Gräfin von Topor-Morawitzky (1841–1907), von 1874 bis zu ihrem Tod im Juni 1888 in Schloss Mirabell. Wie damals üblich wurde sie nach ihrem Tod in ihrer Wohnung aufgebahrt – in ihrem Fall war dies der Marmorsaal. Übrigens hatte die Fürstin stolze 1.700 Quadratmeter Wohnfläche angemietet. So viel Wohnraum hatte auch damals schon seinen Preis: Die Fürstin zahlte 4.350 Gulden Jahresmiete

Ebenfalls eine größere Wohnung hatte der Obersthofmeister von Erzherzog Ludwig Viktor von Österreich (1842–1919), der zu dieser Zeit bereits in Schloss Klessheim wohnte. Obersthofmeister Franz Cajetan Freiherr von Wimpffen (1829–1922) hatte seit den 1860er-Jahren Räumlichkeiten im Schloss gemietet. Waren es anfangs nur Abstellräume im Erdgeschoss so bewohnte er später eine große Wohnung im 1. Stock. Hier residierte er mit seiner Frau Bertha Antonia (1839–1908), einer geborenen Gräfin Kottulinsky. Die beiden waren seit 1859 verheiratet und hatten gemeinsam zwei Söhne und drei Töchter, die alle noch im Schloss Klessheim, dem früheren Wohnsitz der Familie, zur Welt kamen. Vermutlich wohnten damals noch sein jüngerer Sohn Karl Rudolf (*1869) und seine jüngste Tochter Adelheid Ernestine (*1870) im selben Haushalt. Letztere sorgte 1906 durch ihre Hochzeit mit dem Lungauer Bezirkshauptmann Dr. Karl Freiherr Dückher von Haßlau (1870–1923) in der Kapelle von Schloss Mirabell für Schlagzeilen.

Im Vergleich zu den adeligen Mietern wohnte Regierungsrat Ludwig Johann Sauter (1834–1904) wesentlich bescheidener. Sauter bewohnte jenen Gebäudeteil im 1. Stock der damals noch „Zimmerwärter-Stöckl“ bezeichnet wurde. Heute befindet sich im Erdgeschoss dieses Trakts ein italienisches Bistro. Der Regierungsrat lebte gemeinsam mit seiner Ehefrau Natalie (geb. Freiin von Weiß) (*1847), der Tochter des ehemaligen Landesgerichtspräsidenten, auf rund 160 Quadratmeter. Vor seiner Übersiedlung nach Salzburg war er Pongauer Bezirkshauptmann (1878–1883), ehe er Salzburger Bezirkshauptmann wurde. Bis zu seiner Pensionierung brachte er es noch bis zum Hofrat der Salzburger Landesregierung.

Und schließlich führt uns unser Rundgang noch ein Stockwerk höher ins 2. Obergeschoss: Auch hier hatte Fürstin Sondershausen einige Räumlichkeiten angemietet. Angrenzend an die fürstlichen Gemächer wohnte – in Richtung des Mirabellgartens – im südwestlichen Eck Rudolf Freisauff von Neudegg (1848–1916). Freisauff war Redakteur und später Chefredakteur des Salzburger Volksblatts. Dem Redakteur und Schriftsteller dürfte die Miete von 420 Gulden allerdings zu hoch gewesen sein, denn bis Miete 1882 stieg sein Mietrückstand kontinuierlich auf rund 100 Gulden an. Freisauff erwarb sich vor allem durch seine Sagensammlung Verdienste.

Die Wohnung zwischen Freisauff und dem bereits erwähnten Dr. Halbeis bewohnte Freifrau von Helmreich. Im Nordtrakt – mit Blick in den Kurgarten – wohnte Anna Edle von Schmelzing und Werstein (geb. Schattenfroh) (1818–1895). Frau von Schmelzing war zum Zeitpunkt der Planerstellung bereits verwitwet. Ihr Ehemann war k.k. Landesgerichtsrat Josef Ritter von Schmelzing und Werstein gewesen. Anlässlich des Todes von Frau von Schmelzing wurde ihr verstorbener Ehemann am Sebastiansfriedhof exhumiert und gemeinsam mit seiner Frau am Kommunalfriedhof beigesetzt.

Die Eckwohnung bewohnte Frau Anna Taux (1819–1907). Taux hatte von ihrer Wohnung einen Blick auf den Kurgarten und auf den Mirabellplatz. Die aus Prag stammende Sängerin Anna Taux wurde als Anna Freiin Dubsky von Wittenau geboren und heiratete 1850 den früh verstorbenen Kapellmeister und Direktor des „Dom-Musik-Verein und Mozarteum“ Alois Taux (1817–1861). Frau Taux war also auch schon verwitwet. In den Plänen wurde sie daher als „Domkapellmeisters-Witwe“ bezeichnet, ihren Lebensunterhalt verdiente sie am Theater. Von den acht gemeinsamen Kindern lebten damals nur mehr vier.

Gleich nebenan wohnte Oberingenieur Josef Dauscher (1830–1889), der Leiter des städtischen Bau- und Wasseramts. Unter Dauschers Leitung wurde der Salzburger Kommunalfriedhof geplant und ausgeführt. Der Witwer Dauscher verstarb im März 1889 nach kurzer Krankheit im Schloss Mirabell.

Sein direkter Nachbar war August Eggendorfer. Eggendorfer war am k.k. Landesgericht Salzburg beschäftigt und trug den Titel eine k.k. Oberlandesgerichtsrat. Er war einer der langjährigsten Mieter des Schlosses und wohnte bis 1893 im Schloss. Sein Nachbar, der pensionierte k.k. Finanzrat Karl Wolf (1810–1889) verstarb im Jänner 1889 in seiner Wohnung.

Und schließlich gab es im 2. Stock noch die Dienstwohnung für Stabsoffiziere mit ihren regen Mieterwechsel. Stolze 217 Quadratmeter Wohnfläche mit Blick auf den Mirabellgarten und die Festung waren inbegriffen.