Nur rund 80 Jahre hatte eine Orgel von Johann Mauracher in der Pfarrkirche Abtenau Bestand. 1939 wurde sie durch eine neue Orgel der Firma Dreher & Flamm ersetzt. An die alte Orgel erinnert noch eine einzelne Fotografie.
Die Geschichte des Marktes Abtenau im Lammertal ist seit dem 12. Jahrhundert eng mit der Benediktinerabtei St. Peter in Salzburg verbunden. Seit 1533 ist die Pfarre dem Kloster St. Peter förmlich inkorporiert. Die Pfarrkirche des hl. Blasius in Abtenau ist ein gotischer Bau, der vor allem durch das steile Schindelsatteldach und den schlanken Spitzgiebelhelm auffällt. Das Kircheninnere beherbergt heute freigelegte gotische Fresken und barocke Altäre, die von Künstlern wie Simon Fries, Johann Friedrich Pereth und Hans Waldburger geschaffen wurden.
Die erste Nachricht einer Orgel in der Abtenauer Pfarrkirche stammt aus dem Jahr 1646, in dem auf Betreiben der Abtenauer Bürger ein Positiv um 164 Gulden für die Pfarrkirche angekauft wurde.
Im Jahr 1858 wurde eine neue Orgel mit Registern von Johann Mauracher um den Betrag von 1503 Gulden hergestellt. In der Österreichischen Kunsttopografie von 1927 wird diese Orgel schlicht als „modern“ bezeichnet und nicht weiter beschrieben. Es handelte sich um eine frühe industriell hergestellte Orgel, die knapp 70 Jahre nach ihrer Aufstellung keiner historischen Notiz würdig schien.
Die Orgelbauer der Tiroler Mauracher-Dynastie begannen als erste in Salzburg mit der fabrikmäßigen Fertigung von Orgeln. Sie schufen oder reparierten eine Reihe von Salzburger Orgeln: Im selben Jahr 1858 wurde beispielsweise die Orgel in der Wallfahrtskirche Maria Kirchental gebaut.[1]
Die elsässisch-neudeutsche Orgelreform rund um den Arzt und Organisten Albert Schweitzer (1875 – 1965) trat in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegen fabrikmäßig hergestellte, romantische Orgeln ein. So verwundert es nicht, dass sich der Orgelbauer Hans Mertel 1937 über die Abtenauer Orgel sehr negativ äußerte und den Einbau einer neuen Orgel vorschlug:
„[…] Der derzeitige Standort der Orgel muss als architektonischer Fehler bezeichnet werden, da dadurch die Länge des Schiffes unterbrochen und den Kirchenbesuchern von beiden Emporen aus der Blick auf den Altar verhindert wird. Nach der heutigen Technik ist es möglich, mit Verwendung des noch brauchbaren Materiales wie Pfeifen, Blasbalg, ein neues und der Kirche entsprechend grösseres Werk auf der linken Seitenemore [sic!] (Zistel) zur Aufstellung zu bringen. Es würde durch die Verwendung dieser Seitenempore und die Entfernung der alten Orgel an Platz gewonnen und nach beiliegender Skizze die Kirche um ein weiteres Schmuckstück bereichert werden. Eine Beeinträchtigung der Akustik ist nach gemachten Erfahrungen nicht zu befürchten. Der Sängerchor und der neue Spieltisch des Werkes können auf den [sic!] unteren Chor verbleiben und werden nur nach links verlegt. […]“.[2]
Nicht nur die Positionierung, sondern auch der Zustand der Orgel wurde Ende der 1930er Jahre schlecht bewertet. Von der alten Orgel existiert heute lediglich die vorliegende undatierte Fotografie: Die Orgel befand sich demnach im Zentrum der unteren Empore und ragte über den oberen Rand der oberen Empore hinaus. Auf der Fotografie sind auch gut die 1939 abgebrochenen linken Seitenemporen zu erkennen.
Für die Neuanlage wurden von zwei Anbietern Angebote vorgelegt, wobei die Pläne der Firma Dreher & Flamm laut Angebot vom 17. Dezember 1938 und Vertrag vom 27. Jänner 1939 – Mozarts Geburtstag – zur Ausführung kamen. Teile der alten Orgel wurden wiederverwendet (siehe den Quellenauszug zur Disposition der Orgel). Dreher & Flamm war eine der Nachfolgefirmen, die nach dem Ersten Weltkrieg aus der Firma Mauracher hervorgegangen waren.[3]
Die neue, elektrische Orgel wurde als Schwalbennestorgel auf der bis dahin freien linken Seitenempore platziert. Der Spieltisch verfügt laut Kostenvoranschlag über zwei Manuale à 56 Tasten und eine Pedalklaviatur mit 30 Tönen. Die Registratur besteht aus 22 Kippern für 19 Register, 6 Koppeln und insgesamt 7 Spielhilfen. Die Gesamtkosten für den Orgel-Neubau beliefen sich auf 9.495 Reichsmark.[4]
Der damalige Domkapellmeister Joseph Messner (1893–1969) nahm am 30. September 1939 die Kollaudierung im Auftrag der Erzabtei St. Peter vor. Er lobte das neue Instrument in Hinblick auf das verwendete Material, die Intonation, die elektrische Traktur und die Positionierung als „herrliches Werk“.[5]
Quellenauszug zur Disposition der Orgel:[6]
1. Manual
1. Prinzipal 8‘ 54 Pfeifen alt, 2 neu Zinn
2. Bourdon 8‘ 54 Pfeifen alt, 2 neu Holz
3. Salizionale 8‘, 12 alt Holz
4. Flöte 4‘, 54 Pfeifen alt, 2 neu Zinn
5. Nasard 2 2/3‘ neu
6. Mixtur 2‘ 4 fach alt und neu
2. Manual
7. Hohlflöte 8‘, C-H alt 12 Stück, 44 Pfeifen neu
8. Gemshorn 8‘, 30 Pfeifen Zink und 38 Stück Zinn
9. Dulciana 8‘ neu, 36 Pfeifen Zink und 32 Stück Zinn
10. Prinzipal 4‘ alt, 14 neu Zinn
11. Nachthorn 4‘ neu, 18 Pfeifen Zink und 50 Stück Zinn
12. Blockflöte 2‘ neu, 6 Pfeifen Zink und 50 Zinn
13. Sesquialtera 2 2/3‘ und 1 3/5‘ neu, 20 Pfeifen Zink und 92 Stück Zinn
14. Cymbel 3 fach neu, 168 Pfeifen
15. Solotrompete 8‘ neu
Pedal
16. Subbass 16‘ alt 18 Pfeifen, 12 Pfeifen aus dem Octavbass 8‘ alt
17. Stillgedackt 16‘
18. Octavbass 8‘ 30 Stück neu Zink
19. Posaune 16‘
[1] Schmeißner, Orgelbau, 335.
[2] Pfarrarchiv Abtenau U10/11, VI, Orgel 1937, nicht zur Ausführung gelangter Kostenvoranschlag der Fa. Hans Mertel, 18.1.1937.
[3] Schmeißner, Orgelbau, 337.
[4] Pfarrarchiv Abtenau, Akt 23, Kostenvoranschlag vom 17. Dezember 1938, Disposition.
[5] Pfarrarchiv Abtenau, Akt 23, Protokoll von Prof. Joseph Messner über die Kollaudierung der Orgel in der Pfarrkirche zu Abtenau, 30.9.1939: „[…] Das beim Neubau verwendete Material entspricht durchwegs dem im Kostenvoranschlag Angebotenen; in manchen Punkten geschah von seiten der Orgelbaufirma Dreher & Flamm noch ein Mehr an Qualität, indem anstelle von altem Material aus der abgebauten Orgel völlig neues verwendet wurde (namentlich an Holzpfeifen). […] Die den akustischen Verhältnissen der Kirche angepaßte Intonation ist in allen Registern meisterlich zu nennen […] der silbrige Klang der Mixturen […] Jedes Register ist für sich eine Klangwelt von besonderem Charakter, alle zusammen ergeben ein volles Werk von edler, unaufdringlicher Pracht. […] Die Anlage der Orgel als „Schwalbennest-Orgel“ und die architektonische Eingliederung in die gotischen Pfeiler muß eine selten glückliche Lösung der Aufstellungsfrage genannt werden und gibt außerdem Raum für Musikchor und Andächtige.“
[6] Pfarrarchiv Abtenau, Akt 23, Kostenvoranschlag vom 17. Dezember 1938, Disposition.