Auf einem kleinen Stück Papier wurde vor 500 Jahren ein bilaterales Abkommen zwischen den beiden ältesten Klöstern des Landes, St. Peter und Nonnberg, festgehalten. Kraft dieser so genannten Verbrüderungsurkunde wurde die seit dem Frühmittelalter bestehende Verbindung erneuert. Heute sind St. Peter und Nonnberg mit jeweils einem Alter von über 1.300 Jahren die beiden ältesten ununterbrochen bestehenden Klöster nördlich der Alpen.
Seit der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts war es üblich, dass Klöster Verbrüderungen schlossen und in Urkundenform bestätigten. Der älteste im Original erhaltene Verbrüderungsvertrag wurde im Jahr 800 zwischen den Klöstern St. Gallen und Reichenau geschlossen. Die älteste Verbrüderungsurkunde, die sich in St. Peter im Original erhalten hat, ist hingegen jünger. Sie stammt aus dem Jahr 1261 und wurde vom steirischen Benediktinerkloster St. Lambrecht ausgestellt.[1] Doch St. Peter pflegte auch davor Verbindungen mit anderen Ordenshäusern einzugehen. Sie sind allesamt im berühmten Verbrüderungsbuch von St. Peter dokumentiert. Das Ansehen eines Klosters und die Anzahl der Verbrüderungen hängen eng zusammen. Mit Klöstern von gutem Ruf ging man gerne eine Verbindung ein und vertraute sich ihnen im Gebet an. Je größer ein Ordenshaus, desto mehr Personal konnte für das Gebet eingeteilt werden. Große Ordenshäuser bewältigten im Mittelalter die enormen Gebetsverpflichtungen, die sich aus 200 bis 300 Verbrüderungen ergaben. Selbstverständlich wurden auch Frauengemeinschaften mit einbezogen. Noch heute werden Verbrüderungen zwischen Ordensgemeinschaften abgeschlossen oder erneuert.[2] Ihr Hauptzweck ist das Gebet füreinander und für die Verstorbenen.
Als die Verbrüderung zwischen St. Peter und Nonnberg 1515 erneuert wurde, war St. Peter als Doppelkloster organisiert. Neben der Mönchsgemeinschaft (den „brüedern“) lebten an der Stelle des heutigen Franziskanerklosters die Petersfrauen (die „sbestern“). Männer und Frauen waren streng voneinander getrennt, unterstanden aber gemeinsam dem Abt, der von 1502 bis 1518 Wolfgang Walcher hieß. Er kannte Nonnberg vermutlich sehr gut, schließlich war er bereits um 1490 dort als Beichtvater tätig gewesen.[3] Nonnberg war zu dieser Zeit ein adeliges Frauenstift, das nachweislich nach der Benediktregel lebte und zu mehr als 100 geistlichen Gemeinschaften eine Verbindung unterhielt.[4] St. Peter stand zur selben Zeit nur mit gut 70 Ordenshäusern in Kontakt.[5] Einer der beliebtesten Prediger dieser Zeit war Johannes von Staupitz, der Freund und ehemalige Vorgesetzte Martin Luthers. Staupitz, der 1522 Abt von St. Peter wurde, pflog ein gutes Verhältnis zum Kloster Nonnberg.[6]
Aus der Hausgeschichte lassen sich einige aufschlussreiche Details zum Entstehungsumfeld der Urkunde von 1515 ableiten. Leicht lässt sich der Eindruck gewinnen, dass die Verbrüderung in diesem Fall auch dazu gedient hat, Ursula von Trauner mit dem Abt von St. Peter einen Mentor zur Seite zu stellen. Ursula von Trauner war erst anderthalb Jahre vor Ausfertigung der Urkunde als Äbtissin von Nonnberg eingesetzt worden. „Sie weigerte sich lange, diese Bürde zu übernehmen“[7], schreibt der Nonnberger Chronist P. Franz Esterl. Diese Haltung ist verständlich, denn mit 28 Jahren war Ursula von Trauner für eine Äbtissin noch ziemlich jung. Unterstützung erhielt die junge Ordensobere vermutlich des Weiteren von den Beichtvätern, die St. Peter stellte.[8] Ratschläge für ihre Regierung wird sie wohl auch von ihrem Vater, Gabin von Trauner,[9] erhalten haben, der als Hofrichter von St. Peter nachweisbar ist.
Gute Beratung im richtigen Umgang mit dem Salzburger Erzbischof war mit der Existenzfrage verknüpft, wie einige zeitgenössische Beispiele zeigen: Die Salzburger Bürgerschaft war 1511 durch Erzbischof Leonhard von Keutschach ihrer Privilegien entledigt worden. Erzbischof Matthäus Lang säkularisierte 1519 endgültig das Salzburger Domkapitel.[10] 1583 wurde unter maßgeblicher Mitwirkung des Erzbischofs Johann Jakob von Kuen-Belasy handstreichartig das Petersfrauenkloster aufgehoben. Mit den „sbestern“ von St. Peter hatte Ursula von Trauner rund siebzig Jahre zuvor noch die Verbrüderung abgeschlossen. Die gute Verbindung machte sich in der schweren Stunde der Klosterauflösung bezahlt: Eine Schwester des Petersfrauenklosters, Cordula von Mundtenhaim, fand in Nonnberg Zuflucht und wurde 1600 sogar Äbtissin dieses Klosters.
Der Originaltext der Verbrüderungsurkunde des Stiftes Nonnberg mit St. Peter:
„Wyr Ursula von gottes genaden abbtessyn auf dem Nunburg bechennen fur vns dar wir vnser lebenlang allen brüedern vnd sbestern des wirdigen gotzhauss zw sandt peter wellen haben lasen nach Iren sterben acht niess vnd wir selbs wellen In beten so wir In gesundt seyn syben long vigyl vnd xxx deprofundis myt demissa reverentia[.] vnd zw zeugknus sollichr als war vnd statt zw halten geben wir dise zetel myt vnser hanndt geschriben vnd aufgetruckten secreta verfertigt vnd ist beschechen nach christy vnsers lieben herren geburt da man zalt M D vnd im XV jar an S colmans tag“.
Dorsalvermerk von P. Bernhard Viechter OSB, 18. Jh. „Confoederation mit Nunberg 1515“.
Siegel: Engel mit dem Wappen Nonnbergs (heraldisch rechts) und der Trauner (heraldisch links). Das Nonnberger Wappen taucht erst im 15. Jahrhundert auf und war in Verbindung mit dem jeweiligen Familienwappen stets Bestandteil der Äbtissinnensiegel.[11] Das dargestellte Wappen der Trauner zeigt einen ganzen aufspringen Bock.[12]
[1] Zu den Verbrüderungen allgemein und zu St. Peter im Speziellen siehe Hirtner, 2014 und Hermann, 1968.
[2] Gebetsverbrüderung zwischen St. Peter und Wilten. URL: http://www.erzabtei.at/de/neuigkeiten/detail.asp?id=296&tit=Erneuerung%2520der%2520Gebetsverbruederung%2520mit%2520dem%2520Praemonstratenserstift%2520Wilten%2520in%2520Innsbruck [Stand: 31.8.2015]
[3] Lindner, 1906, 18.
[4] Schmidt-Sommer/Bolschwing, 2002, 218-219.
[5] Hirtner, 2014, 32.
[6] Esterl, 1841, 92-93.
[7] Esterl, 1841, 86.
[8] Lindner, 1906, 301.
[9] Esterl, 1841, 86.
[10] Winkler/Krassnig/Brandes, 2005, 333-336.
[11] Schmidt-Sommer/Bolschwing, 2002, 262.
[12] Vgl. Die Wappen des Adels in Salzburg, 1979, 69 und Taf. 28.