Erzähl mir ….. den Besuch der Königin: Queen Elizabeth II. zu Besuch in der Mozartstadt 1969

  • Entstehungszeitraum: Mai 1969
  • Entstehungsort: Salzburg
  • Objektart: Foto
  • Autor/Künstler: Johann Barth, Carl Pospesch
  • Artikel-Autor: Werner Friepesz
  • Standort/Signatur: Salzburg Museum Inv.-Nr. Foto 42209/2, 3, 4, 5, 6, 11, 20 und 21
  • Physisch benutzbar: ja
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Die englische Königin wurde heuer 95 Jahre alt. Fast jedem Salzburger ist sie ein Begriff, da kein längerer Zeitraum vergeht, in dem sie nicht im Fernsehen zu sehen oder in Illustrierten abgebildet ist. Viele wissen aber nicht oder haben vergessen, dass sie vor mehr als 50 Jahren hier zu einem offiziellen Besuch in Salzburg war. Ganz nach dem Motto der Ausstellung „Erzähl mir Salzburg“, wo Geschichte durch das Erzählen von Geschichten vermittelt wurde, gilt es über den Besuch der Queen (erneut) zu berichten.

Die hier gezeigten Bilder sind professionelle Arbeiten von Pressefotografen, die schon damals versuchten durch Hartnäckigkeit, Geschick oder vollen körperlichen Einsatz die besten Schnappschüsse für Zeitungen und Illustrierte zu erlangen. Diese Vehemenz bescherte einem Reporter sogar einen zeitweiligen Aufenthalt im „Zeiserlwagen“, wie das Salzburger Volksblatt zu berichten wusste.[1] Die Bilder sind aber auch Momentaufnahmen und dadurch Dokumentation des Ereignisses. Sie sind somit Erzählhilfe für die unzähligen Salzburger die damals dabei waren, um so das mannigfaltige Mosaik der jüngeren Geschichte Salzburgs zu vervollständigen.

Pünktlich um 18Uhr15 am 8. Mai 1969 hielt der Sonderzug am Bahnsteig 3 des Salzburger Hauptbahnhofs, der für diesen Anlass extra neu ausgemalt wurde und mit reichem Blumenschmuck sowie österreichischen, englischen und Salzburger Fahnen ein feierliches Aussehen erhielt. Landeshauptmann Lechner betrat den Salonwagen des österreichischen Bundespräsidenten, um Königin Elisabeth II. von England, die auf ihrer 22. Auslandsreise Station in Salzburg machte, persönlich zu begrüßen. Begleitet wurde diese von ihrem Gatten Prinz Philip, deren Tochter Prinzessin Anne sowie von einer rund 40-köpfigen Entourage, darunter zwei Hofdamen, der Privatsekretär, der königliche Stallmeister, der Hofstallmeister u.v.a. m. Der erste tosende Applaus entbrannte, als die Queen, gefolgt von ihrer Familie, den Zug verließ. Bereits zu diesem Zeitpunkt kam es zur ersten Überraschung, als die Marketenderinnen der Lieferinger Fischerkapelle, welche die Ankunft der Monarchin musikalisch zu untermalen hatte, Prinz Philip unaufgefordert einen Schnaps anboten. Dieser, für seine unkonventionelle Art bekannt, nahm nach einem kurzen Blickwechsel mit seiner Gattin das Angebot der beiden Damen an und leerte das Glas in einem Zug. Die überraschte Menge dankte es ihm mit freudigem Applaus.

Eine kurze Schrecksekunde erlebte die Queen einige Minuten später beim Betreten des Bahnhofvorplatzes. Da sie die deutschen Kommandos der angetretenen Ehrenformationen der Pranger- und Schifferschützen nicht verstand, erschrak sie deutlich beim Donner der Salve. Prinzessin Anne hingegen war auf den bevorstehenden Knall vorbereitet, ließ sie sich doch von ihrem Vater, der aufgrund seiner Abstammung ein ausgezeichnetes Deutsch spricht, das Spektakel vorab erklären. Im Anschluss folgte eine Fahrt vom Hauptbahnhof über den Mirabellplatz, die Staatsbrücke, durch die Innenstadt bis zum Schloss Kleßheim. Auf dieser knapp 10 Kilometer langen Strecke säumten fast 70.000 Schaulustige den Weg der Wagenkolonne, um persönlich einen Blick auf die Staatsgäste zu werfen. In einer offenen Mercedeslimousine stehend, winkten die Queen und ihre Tochter den abertausenden Menschen zu. Salzburg und seine Bevölkerung zeigten sich von der schönsten Seite, was die Queen beim abendlichen Empfang würdigte: „Die Salzburger haben uns einen warmherzigen und freundlichen Empfang bereitet, den wir nie vergessen werden“.[2]

Die Möbelpacker der Bundesmobilienverwaltung hatten Schloss Kleßheim natürlich schon lange verlassen, als die königliche Familie für eine zweistündige Pause vor dem Abendprogramm dort eintraf. So fand sich nun im Schlafzimmer der Queen das weiß-goldene Bett von Erzherzogin Sophie, der Mutter von Kaiser Franz Joseph. Der Salon des Herzogs von Edinburgh war ausgestattet mit einer Louis-seize Garnitur, und für das Zimmer der Prinzessin waren weiß-goldene Möbel aus Schloss Augarten ausgewählt worden. Das Interieur dürfte Gefallen gefunden haben, denn am nächsten Tag wird die Queen mit den Worten „ (…) eine äußerst angenehme Nacht in diesem prachtvollen Schloss“ zitiert werden.

Der weitere Abend hielt einen offiziellen Empfang in der erzbischöflichen Residenz bereit, der um 20Uhr45 im Carabinieri-Saal seinen Anfang nahm. Nach der Besichtigung einiger Prunkräume, nahm man im Audienz-Saal Platz, wo die Ehrentafel für 15 Personen gedeckt war. Während ihrer Tischansprache unterstrich ihre königliche Hoheit die Anziehungskraft der Stadt auf viele Engländer, die sie allein schon wegen der Musik alljährlich besuchten. Auch erinnerte sie an die Neuorganisation des Bistums Salzburg im Jahre 739 durch den Heiligen Bonifatius, der von den britischen Inseln nach Europa gekommen war. Sie selber freue sich sehr auf die Schönheiten dieser berühmten Stadt. Von allen Seiten wurden Toasts ausgesprochen und im Anschluss wandte man sich dem Diner zu. Als sich die Geladenen nach dem Essen aufmachten die restlichen Prunkräume zu bewundern, wandte sich Prinz Philip in seiner ganz persönlichen Weise an die Gäste und verkündete laut: „Alles zurück, das Buffet ist noch nicht leer![3] Das Protokoll wollte es jedoch anders und führte die Königsfamilie weiter bis in die Franziskanerkirche, wo der Domorganist ein Mozart-Andante erklingen ließ. Als man die Residenz schließlich verließ, um mit einer Motorradeskorte der Polizei nach Schloss Kleßheim zurückzufahren, erklang das Glockenspiel und die Stadt mitsamt dem Residenzbrunnen waren festlich erleuchtet.

Der folgende Tag begann für die Royals mit einer Geschenkübergabe in Schloss Kleßheim. Landeshauptmann Lechner und Bürgermeister Bäck überreichten der Queen eine besonders hochwertige Ausgabe des Bildbandes „Salzburg in alten Ansichten“ von Franz Fuhrmann. Prinz Philip erhielt eine Kassette mit Jagdmotiv und einen Hirschfänger, den er augenscheinlich mit großer Freude entgegennahm. Prinzessin Anne schenkte man einen gestickten Trachtenlederrock mit Dirndlbluse, Walkjanker und Strümpfe.   

Von Mozarts Geburtshaus in der Getreidegasse wehte Britanniens Union Jack, als die Queen mit ihrer Familie zum nächsten Programmpunkt des Tages eintraf. Erneut entbrannte lautstarker Jubel von den zahllosen Schaulustigen, denen die 15minütige Verspätung der Ehrengäste offenbar nichts ausmachte. Diese hatten abseits des Protokolls darauf bestanden, noch kurz die morgendliche Sonne am Balkon in Kleßheim zu genießen. Nun jedoch erhielt man bereits wieder eine Führung, nämlich durch das Haus des Genius loci mit dem darin untergebrachten Museum. Im Raum, in dem Mozarts Wiege stand, wurde von Hans Schurich auf dem Hammerklavier des Meisters die Klaviersonate KV 330 wiedergegeben. Wie kunstsinnig und interessiert die Queen ist, zeigte sich auch daran, dass sie, den zeitlichen Zwängen zum Trotz, den Künstler im Anschluss aufforderte, einige Passagen der Sonate zu wiederholen, während sie sich über den Flügel beugte, um den Mechanismus in Augenschein zu nehmen.

Generell glänzte die königliche Familie durch profunde Geschichtskenntnisse, und die Queen interessierte sich während des weiteren Rundgangs besonders für Fragen des Altstadtsanierungsgesetzes. Der weitere Weg führte die Royals durch die Getreidegasse in Richtung Blasiuskirche zum Haus Nr. 25, dann durch den blumengeschmückten Kindlinger-Durchgang zum Grünmarkt, Ritzerbogen, durch die Sigmund-Haffner-Gasse zum Friedhof St. Peter. Auch hier gab das Protokoll einen strengen Zeitrahmen vor. So konnte die Queen zwar kurz am Grab von General Collins verharren, einem entfernten Verwandten von ihr. Dem Wunsch von Prinzessin Anne, dem „guten Geruch“ zu folgen und den Peterskeller zu besichtigen, konnte jedoch nicht nachgekommen werden. Es galt, die bereits letzte Station der Tour zu erreichen.[4] Vom Residenzplatz und dem Neutor ging es über Mülln und die Autobahn nach Seekirchen zum SOS-Kinderdorf, wo Direktor Gmeiner die Gäste begrüßte und 900 Kinder der Queen einen herzlichen Empfang bereiteten. Die Kleinsten überreichten der Queen anlässlich des bevorstehenden Muttertags Blumen, bevor die königliche Familie Zeit hatte, die Häuser anzusehen und sich die Lebensbedingungen der Kinder von den jeweiligen Hausmüttern erklären zu lassen. Für Heiterkeit sorgte erneut der Herzog von Edinburgh mit einer seiner nicht ganz protokollgemäßen Aussagen. Als man ihm während des Besuchs im Kinderdorf Fruchtsaft zu trinken anbot, meinte er: „Gestern gab es nur Schnaps; man brauchte nur hinzusehen, schon hatte man einen.[5]

Große Begeisterung brachten die jungen Mädchen des Kinderdorfs ganz offensichtlich Prinzessin Anne entgegen, die den Kontakt zu den Anwesenden suchte. Hier konnten die Kinder zum einen das erlernte Schulenglisch erstmalig in der Praxis ausprobieren, zum anderen war man auf Armlänge an einer Berühmtheit, deren Gesicht man aus Fernsehen und Illustrierten kannte. Viel Zeit blieb den Jugendlichen jedoch nicht, ihre wohl 1000 Fragen zu stellen, hatte die Queen doch ihren Flieger zu erreichen, der sie und ihre Familie, nach nicht mal 24 Stunden in Salzburg, zum nächsten Reiseziel nach Graz zu bringen hatte.

Eine kurze Bewertung des Besuchs sowie die emotionale Wirkung auf manch älteren Salzburger dieser Zeit, sei dem damaligen Chefredakteur des Salzburger Volksblatt, Hans Menzel, erlaubt: „Im Gemüt der Alten, die Jahre ihre Kindheit noch in der österreichisch-ungarischen Monarchie verlebten, mag etwas vor sich gehen, wenn nunmehr eine Königin zu Staatsbesuch kommt. Dass es die Herrscherin eines Staates ist, der bis vor wenigen Jahren noch das Prädikat Weltreich tragen durfte, macht die Gemütsbewegungen berechtigter, denn wenn eine Majestät in unseren respektlos gewordenen Zeit noch Anspruch auf Achtung erheben kann, dann die der englischen Königin. (…) Die königliche Familie wird in Österreich, wird in Salzburg nicht nur liebenswürdige Neugierde kennenlernen, sondern da und dort jenen Hauch einer Vergangenheit spüren, der auch in unseren Tagen noch viele Bürger dieses Landes, wenn auch nur in der Erinnerung, bewegt.[6]


[1] Salzburger Volksblatt, Nr. 108, 10.5.1969
[2] Salzburger Nachrichten, Nr. 108, 10.5.1969
[3] Salzburger Nachrichten, Nr. 107, 9.5.1969
[4] Salzburger Nachrichten, Nr. 108, 10.5.1969
[5] Salzburger Volksblatt, Nr. 108, 10.5.1969
[6] Salzburger Volksblatt, Nr. 109, 9.5.1969