Das römische Acheloosmosaik vom Mozartplatz

  • Entstehungszeitraum: 200-220 n. Chr.
  • Entstehungsort: Salzburg
  • Objektart: Mosaik
  • Autor/Künstler: unbekannt
  • Artikel-Autor: Wilfried K. Kovacsovics
  • Material/Technik: Stein, Marmor
  • Größe: ARCH 2847 10 (H: 106 cm; B: 68 cm), ARCH 2847 11 (H: 84 cm; B: 87 cm), ARCH 2847 12 (H: 82 cm; B: 84 cm), ARCH 2847 13 (H: 89 cm; B: 84 cm)
  • Standort/Signatur: Salzburg Museum, ARCH 2847 1, ARCH 2847 2, ARCH 2847 4, ARCH 2847 5, ARCH 2847 10, ARCH 2847 11, ARCH 2847 12, ARCH 2847 13
  • Physisch benutzbar: nein
  • Literatur:

    Schumann von Mannsegg: Iuvavia. Eine archäologisch-historische Darstellung der Merkwürdigkeiten der an dem Platze des jetzigen Salzburg einst bestandenen Celten-, Römer- und römischen Colonialstadt (1842) 175ff.
    Heger, Norbert: Salzburg in römischer Zeit. Jahresschrift des Salzburger Museums Carolino Augusteum 19, 1973 (1974) 122ff.
    Jobst, Werner: Römische Mosaiken in Salzburg (1982) 47ff.
    Jobst, Werner: Antike Mosaikkunst in Österreich (1985) 55ff.
    Kovacsovics, Wilfried K.: Zum Salzburger Ringkämpfer-Mosaik vom Mozartplatz. Das Kunstwerk des Monats, Jänner 1989.
    Zum sog. Felicitasmosaik: Günther. E. Thüry, “Hic habitat …” Wohnte am Mozartplatz das Glück?. Das römische Mosaik mit der “Haussegens-Inschrift”. Das Kunstwerk des Monats, November 1994.

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Bei der Errichtung des Mozartdenkmals am Mozartplatz in der Stadt Salzburg wurden im Jahr 1841 zwei römische Villen entdeckt. Bei den Ausgrabungen kamen auch mehrere prächtige Mosaikböden zum Vorschein. Neun dieser Platten sind auch heute noch erhalten.

Zu den großen Leistungen der griechisch-römischen, aber auch der frühchristlichen und byzantinischen Kunst gehören Mosaiken, ornamental und / oder figürlich verzierte Pavimente (befestige Bodenbeläge) aus kleinen und je nach Bedarf verschieden geformten und verschiedenfarbigen Steinen. Die ganze Antike hindurch stellten sie ein wichtiges Dekorelement dar, ein vielfach verwend- und variierbares Instrument im Dienste der Gestaltung höchst anspruchsvoller Architektur.

Neben Stuckaturen und Wandmalerei setzten sie meist auch unverkennbare und eigenwillige, da signifikante Akzente, mit Mosaiken äußerte sich ein der Repräsentation und dem Wohnkomfort verpflichtetes Mittel. In der griechischen Zeit kannte man bloß Mosaikböden, in der römischen Zeit überzog man zusätzlich aufgehende Wände und Deckengewölbe damit. Die ältesten Mosaiken waren aus Kieseln gefertigt und meist recht einfach gegliedert, in spätklassischer Zeit breiteten sich auch Mosaiken mit ersten figürlichen Darstellungen aus.

Prachtvolle Mosaiken liegen aus Alexandria oder aus Sizilien vor, sie sind aus Pergamon und aus Delos bekannt, in hellenistischer Zeit drangen die Mosaiken schließlich verstärkt in Italien ein. In Pompeji haben wir sehr schöne frühe Werke vor uns, wie das berühmte Alexanderschlacht-Mosaik.

In der Kaiserzeit waren die Mosaiken dann in fast allen Gebieten des römischen Reiches verbreitet und nicht zuletzt von einem an Motiven unermesslichen Reichtum geprägt. Man trifft sie sowohl in der öffentlichen als auch in der privaten Architektur, zum Beispiel in den Thermen, den großen Badeanlagen der Stadt Rom. In der Qualität vorzügliche Bilder des 2. Jahrhunderts kennen wir auch aus der Hadriansvilla bei Tivoli östlich von Rom, weitere Bilder, zum Teil auch mit mythologischen Szenen, begegnen in Ostia, in Aquileia, aber nicht nur in Italien selbst, sondern ebenso in jeder anderen größeren Stadt und in jeder Provinz.

Und so verwundert es nicht, wenn wir in Salzburg-Iuvavum, einer in claudischer Zeit (41-54 n. Chr.) zum Municipium erhobenen und im Hinblick auf Verkehr, Wirtschaft und Handel stets florierenden Stadt, ebenso zahlreiche Mosaikböden finden. Iuvavum brachte sogar eine beachtliche Menge an Mosaiken hervor – bis heute sind uns mehr als 80 Böden bekannt –, spätestens ab dem ausgehenden 2. Jahrhundert war in Iuvavum eine eigene Werkstätte tätig, ein Atelier mit weitreichender Ausstrahlung und überregionaler Bedeutung.

Vom Rang dieses Zentrums zeugen nun Mosaiken, die man zum Beispiel 1815 in der palastartigen Villa von Loig, 1817 und 1869 in der Villa suburbana von Glas, 1877 am Waagplatz, oder, wie jetzt mit unserem Beispiel, 1841 am Mozartplatz aufgedeckt hat.

Am Mozartplatz, und damit in der Nähe des ehemaligen Zentrums der römischen Stadt, gab es vom 2. bis in das frühe 4. Jahrhundert zwei große Gebäude, zwei städtische und hauptsächlich für Wohnzwecke eingerichtete Villen.

Auf die Häuser war man gestoßen, als man gerade mit dem Bau bzw. mit den Fundierungsarbeiten am Denkmal für Mozart begann. Dabei wurden mindestens zwölf Räume gefasst, neun davon erwiesen sich auch großzügig mit Mosaiken gestaltet. Ein Raum, der zunächst als Atrium oder Vestibulum (als eine Art Vorraum im Eingangsbereich) und später als Salon oder Tablinum (als Empfangsraum) interpretiert wurde, wies sogar zwei übereinander liegende Mosaikböden auf: das sogenannte Felicitasmosaik, der jüngere, obere Boden (der vom Archäologen Günther E. Thüry auch als „das Mosaik mit der Haussegens-Inschrift“ benannt wurde) sowie das ältere Acheloosmosaik.

Über beide Böden wurde bereits häufig geschrieben. Das Mosaik besteht heute, aufgrund einer lange vernachlässigten und nicht durchgeführten Nachrestaurierung, nur mehr aus wenigen, untereinander nicht mehr anpassenden Feldern. In seiner Gesamtheit ist es uns aber in einer kolorierten Zeichnung aus der Zeit der Auffindung dokumentiert. Über die Zeichnung lässt sich außerdem seine ehemalige Charakteristik erkennen.

Wir sehen ein raffiniert gegliedertes Muster, ein in den Farben Weiß, Schwarz, Rot, Rosa und Braun gehaltenes Ornamentsystem, das aus Hexagonen besteht sowie aus Recht- und Dreiecken, die ihrerseits mit sehr feinteiligen Füllmotiven besetzt sind. Oder anders ausgedrückt einen Rapport, der sich aus der Kombination einzelner und in Symmetrie angeordneter geometrischer Figuren entwickelt und obendrein den Eindruck erweckt, als lägen zahlreiche ineinander übergreifende Zwölfecke vor. Die namengebenden Felder sind dabei zwei noch heute im Original erhaltene und auf Platten montierte Sechsecke, die nicht wie die schwarzen mit sechsblättrigen Rosetten gefüllt sind, sondern ober- und unterhalb des zerstörten Mittelbildes stehen und auf weißem Grund die Köpfe des griechischen Flussgottes Acheloos zeigen. Links und rechts der Bildmitte gibt es (bzw. gab es, da ebenso nicht mehr vorhanden) noch zwei weitere sechseckige Felder, die mit Köpfen gefüllt sind, und zwar von Amazonen, die man wie Acheloos zum Sagenkreis um Herakles rechnet. (Aufgrund dieser Verbindung war man von Beginn an auch zu einer Ergänzung der Bildmitte mit einer Darstellung dieses immerzu siegreichen Helden geneigt).

Acheloos präsentiert sich, auch wenn in Ausführung und Qualität unterschiedlich, in beiden Bildern mit leicht erhobenem Haupt, als besondere Kennzeichen beobachten wir langes Haupt- und Barthaar, mit Locken und Strähnen, ferner, und jeweils über dem linken Auge, ein Horn, sowie eine züngelnde Schlange. Das symbolträchtige Tier lechzt dabei nach dem Blut, das aus der offenen Wunde des (dereinst im Kampf um den Besitz der Deianeira) abgebrochenen rechten Hornes herab strömt.

Beachten wir ferner die drei Bilder, die nachträglich und ohne Rücksicht auf die ursprüngliche Komposition, und daher wohl im Rahmen einer Reparatur eingefügt wurden: die drei Athletenkampfbilder, von denen heute wiederum nur mehr zwei existieren. Das ursprünglich mittlere Bild und das einst linke der Reihe. Dargestellt sind jeweils zwei Ring- oder Faustkämpfer, und somit Figurenpaare, die uns in die Welt der antiken Wett- und Kampfspiele führen.

Domherr Ignaz Schumann von Mansegg (1786-1848) der die Grabungen des Jahres 1841 selbst als Zeitgenosse verfolgte, irrte zwar noch, wenn er meinte, dass hier Gladiatoren vorgeführt seien. Denn Gladiatoren würden nicht nackt, sondern mit Kleidung auftreten und auch mit Rüstung und Bewaffnung dargestellt sein. Seine Beschreibung der Athleten fiel aber ansonsten sehr zutreffend aus, so dass wir seine Worte gern wiederholen:

„Auf dem mittleren Felde sieht man zwey nackte Kämpfer, welche, Faust an Faust geschlossen, so eben mit einander zu ringen beginnen. Auf der dem Zuschauer zur Rechten gelegenen oder heraldisch linken Seite erscheint in einem anderen Quadrate die Fortsetzung des Kampfes. Der Eine Streiter hat sich mit dem anderen auf den Rücken geschwungen, und sucht ihn mit der geballten rechten Faust einen Schlag in das Genick zu versetzen, welchen dieser mit der erhobenen rechten Hand abzuwehren strebt. In dem dritten, heraldisch rechts gelegenen Felde endlich erscheint das Ende des Kampfes. Der Eine hat den anderen schon zu Boden geworfen. Dieser liegt mit in die Höhe gestreckten Füßen; der Sieger aber setzt den rechten Fuß zwischen die zwey emporgehaltenen Füsse des Besiegten auf die Brust desselben, und umschlingt mit der rechten Hand den linken Fuß des Besiegten. Auf jedem der zwey zuerst genannten Vierecke sieht man seitwärts einen Aufsatz in der Form eines Pfeilers oder einer abgehauenen Säule angebracht. Auf dem Einen derselben, dem Anschauenden zur Rechten, ragt der Zweig eines Baumes, vielleicht ein Palmenzweig, heraus. Dann liegt auch auf demselben noch ein Gegenstand, von welchem wieder zwey kleine Quadrate, nach Art eines Packetes oder Amulettes, herabhängen. In dem Vierecke zur Linken des Anschauers hängen von einem höheren Gestelle in der Form eines erhöhten Kastens, zwey sichelartige Messer herab, wie Opfermesser oder die Strigulae, welche die Römer in den Bädern zum Abschaben gebrauchten. Es ist wohl möglich, daß alle diese Dinge Preise für den Sieger vorstellen.“

So die Worte von Schumann von Mansegg, der im Übrigen auch die anderen Ereignisse der Mozartplatz-Grabungen festhielt und obendrein eine für seine Zeit höchst interessante „archäologisch-historische Darstellung“ von Iuvavum mit dem Titel „Iuvavia“ verfasste. In Ergänzung seiner Notizen sind uns aber noch einige Bemerkungen zum Stil, zum Inhalt der Bilder oder zur Datierung des Bodens erlaubt.

Die Datierung des Acheloosmosaiks fällt allgemein in das frühe 3. Jahrhundert, in die Jahre um 200-220 n.Chr., der zeitliche Ansatz der Athletenbilder schwankt jedoch deutlich. Hatte der Archäologe Norbert Heger zunächst für die Reparatur noch die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts ins Auge gefasst, so sprach sich der Archäologe Werner Jobst für die 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts bzw. sogar für das frühe 4. Jahrhundert aus.

Aufgrund der uns heute zur Verfügung stehenden Quellen zur Geschichte und Entwicklung Iuvavums, aber auch aufgrund der Möglichkeit, dass der jüngere Boden, das Felicitasmosaik, ebenfalls noch im 3. Jahrhundert verlegt worden sein könnte (vgl. dazu wiederum die Werke des Archäologen Günther E. Thüry), klinge allerdings auch ein Ansatz in der Mitte bzw. im frühen 3. Viertel des 3. Jahrhunderts plausibel. Doch blicken wir noch einmal auf die Komposition des Mosaiks mit seinem geometrischen und symmetrischen Muster. Mit seinem Hexagonsystem markiert es, typologisch und entwicklungsgeschichtlich, eine bereits späte und weit fortgeschrittene Stufe. Das Hexagonsystem selbst ist zwar mit verschiedenen Varianten seit dem 1. Jahrhundert belegt und auch in Oberitalien mit einer (für Salzburg nicht unwichtigen) Stadt wie Aquileia beliebt, doch lange Zeit nur in einfachster Form und allein auf einfach gegliederten Böden. Unser Mosaik zeichnet sich durch ein vielgliedriges und kompliziertes System aus, und, darüber hinaus, durch reiche Ornamentik und Polychromie (mehrfarbige Gestaltung).

Daher überraschen in diesem Zusammenhang auch die der Mythologie entlehnten Figurenbilder nicht, die in fünf der Sechsecke eingesetzt sind und neben den im Ornament verwendeten Farben zusätzlich Grau, Rotbraun, Ocker und Olivgrün enthalten. Die dekorativen Motive mit Acheloos- und Amazonenbüsten machen sogar den besonderen Reiz des Fußbodens aus.

Ein gewisser Reiz steckt außerdem in den Athletenkampfbildern. Es fällt freilich auf, dass die drei Szenen in keiner Verbindung mit dem Grundschema des Mosaiks stehen. Die Bilder hatte man, wie schon angedeutet, nachträglich und ohne Rücksicht auf die ältere Fassung eingelegt. Das Fehlen einer formalen und inhaltlichen Beziehung verblüfft allerdings. Der fehlende Kontext erklärt sich dennoch, wenn man von fertigen Versatzstücken ausgeht, d. h. vorgefertigte Emblemata sieht, und den Anlass der Aufnahme über die Thematik der Bilder erschließt. Der Ring- und der Faustkampf gehörten seit Beginn griechischer Agone und Spiele zu den bekanntesten Sportarten. In römischer Zeit waren solche Kämpfe auch offizieller Bestandteil des Kaiserkultes und im Amphitheater zur Belustigung und Freude des Volkes aufgeführt worden. Das Thema der Bilder war daher stets populär und parallel dazu ein nicht ungewöhnliches Motiv der bildenden Kunst. Mit der Abbildung im Mosaik vollzog sich sogar die Privatisierung eines zuvor öffentlichen Spektakels. Ob die Salzburger Athleten nun aber etwas über den Status der Hausbesitzer und Auftraggeber aussagen, oder über die Funktion des Raumes, in dem man das Mosaik fand, lässt sich nicht sicher entscheiden.