Johann Sebastian Wisinger war einer der bedeutendsten Dekane des Collegiatstifts Mattsee. In den dreiunddreißig Jahren seines Wirkens (1680 – 1713) initiierte der kunstsinnige Geistliche die barocke Umgestaltung des romanisch-gotischen Kirchenraums und stattete das Stift mit kostbarem Liturgischen Gerät, Gemälden und Reliquien aus. Das meiste davon finanzierte er aus eigenen Mitteln. Mattsee erlebte unter ihm eine besondere Blütezeit.
Die – wohl zu Lebzeiten gemalte – Halbfigur (die meisten anderen, eigentümlich steifen Mattseer Dechantenportraits dürften posthum entstanden sein) zeigt Johann Sebastian Wisinger in schwarzer Soutane mit Beffchen und breiten, spitzenbesetzten Manschetten. Sein Blick ist auf den Betrachter gerichtet, das etwas schüttere, schulterlange Haar trägt er akkurat gescheitelt, ein schmaler Oberlippenbart betont den Mund. Seine rechte Hand liegt elegant an der Knopfleiste, während die linke, mit einem Ring geschmückt, ein Buch hält. Der Bildunterschrift ist zu entnehmen, dass das Portrait den damals Sechsundvierzigjährigen im Jahre 1692 zeigt. Das Sterbedatum 1713 wurde nach seinem Tod ergänzt. Der ovale Bildausschnitt umschließt die Darstellung vor einer roten Draperie. Der Rahmen im Empirestil ist jüngeren Datums und überdeckt teilweise die Beschriftung am unteren Rand.
Johann Sebastian Wisinger stammte aus Deggendorf in Bayern. Als Bakkalaureus der Theologie und Magister der Philosophie hatte er eine fundierte Ausbildung. Im Alter von nur vierunddreißig Jahren wurde er 1680 zum Dekan gewählt. Zu Beginn seiner Tätigkeit lag das Ende des Dreißigjährigen Krieges nur wenige Jahrzehnte zurück. In dieser Nachkriegszeit waren die Preise in die Höhe geschnellt, viele Vagabunden und marodierende Gruppen machten das Land unsicher. Um das Stift Mattsee stand es nicht gut. Mängel in der Führung und Bewirtschaftung, über längere Zeiträume verschleppt, begannen sich auszuwirken. Umso wichtiger erschien es dem Mattseer Kapitel, entgegen den Vorgaben aus Passau (Mattsee gehörte ja bis 1807 kirchlich zur Diözese Passau), einen jungen, tatkräftigen Mann an die Spitze zu wählen.
Wisingers Verdienst war es, dass er relativ rasch Ordnung in die Unordnung brachte und den Wirtschaftsbetrieb wieder auf solide Beine stellte. Damals unterstanden dem Stift Mattsee knapp 400 Untertanen. Wisinger erließ Statuten, die alles Weltliche und das geistliche Leben regelten. Unter anderem wurde darin auch die Obsorge für Archiv und Bibliothek festgelegt. Während seiner Amtszeit wurden verschiedene bauliche Maßnahmen getätigt, ein neues Chorherrenhaus errichtet, das Probsteigebäude erweitert und die Kirche von Grund auf saniert.
1685 veranlasste Johann Sebastian Wisinger die Überführung der Gebeine des Hl. Cölestin, eines Märtyrers und Katakombenheiligen von Rom über Einsiedeln nach Mattsee. Im südlichen Querschiff errichtete er dafür einen neuen Altar. Mit diesen Reliquien und deren Verehrung, die bald darauf einsetzte, traf Wisinger offenbar den Nerv der Zeit. Der Leib wurde aufwendig gefasst und in einen vergoldeten und kostbar ausgestatteten gläsernen Sarkophag gelegt. Man ließ Cölestinbildchen drucken und Ablasspfennige prägen. Die besondere Wertschätzung, die man den Reliquien entgegenbrachte, zeigt sich unter anderem darin, dass der damalige Pfleger von Mattsee, Christoph Paurnfeindt von Eiß den Familienschmuck seiner verstorbenen Frau Anna Barbara, einer geborenen Grimming von Niederrain, dem Stift zur Ausstattung des Cölestinaltars übergab.
Johann Sebastian Wisinger begründete 1689 die Maria Trost Bruderschaft und ließ den Altar im nördlichen Querhaus als Bruderschaftsaltar mit dem Altarbild Maria Trost schmücken. Zu diesem Bild scheint er eine besondere Beziehung gehabt zu haben.
1693 musste die mittlere Glocke ausgetauscht werden, so man contra tempestates malignas tempore aestivo [gegen die schweren Gewitter im Sommer] gebraucht, und das Stiftskapitel wandte sich an Erzbischof Johann Ernest Graf Thun, er möchte sie reparieren oder umgießen lassen. Dieser ließ sich schließlich zu einer Spende von 100 fl. bewegen, da der Pfleger berichtet hatte, dass gedachte Wetterglocken denen Untertanen ein großer Trost gewest, in deme durch dero Klang augenscheinliche Zertrennung der schweren Wetter verspürt werden. Die Segnung erfolgte durch den damaligen Salzburger Domdechant (und späteren Erzbischof) Franz Anton Graf Harrach.
Um 1700 ließ Wisinger aus eigenen Mitteln den Kirchenraum über und über mit barockem Stuck ausstatten, trug jedoch Sorge, dass dies auf behutsame Weise geschah. Auch heute noch ist das ursprüngliche Erscheinungsbild der mittelalterlichen Querhausbasilika gut erkennbar, der reiche, vegetabile Stuckdekor fügt sich harmonisch in das Ganze. Zudem stattete Wisinger die Kirche mit kostbaren Liturgischen Geräten aus, dem Kapitelkreuz, der prachtvollen Monstranz des Passauer Silberschmieds Tobias Schuhmann, dem Kreuzpartikelreliquiar, um nur einige zu nennen. Im gleichen Jahr kam eine Kopie des Altöttinger Gnadenbildes nach Zellhof, eine rege Wallfahrt setzte ein.
Johann Sebastian Wisinger starb am 13. Februar 1713 im Alter von 67 Jahren. Sein Epitaph aus Adneter Marmor befindet sich im nördlichen Querhaus der Stiftskirche in unmittelbarer Nähe zum Maria Trost Altar. Das tiefe, überaus qualitätvolle Relief zeigt ihn knieend und betend mit reich gefälteltem Chorrock. Eine stilisierte Säule mit seinem Wappen am Postament, eine Draperie im Hintergrund, Linien, die Bodenplatten andeuten, all das suggeriert einen sakralen Innenraum. Vor ihm erhebt sich eine Altarmensa, auf der sich Wolken türmen, aus denen ihm die Muttergottes als Maria Trost entgegenkommt. Eine lange lateinische Inschrift in der unteren Hälfte des Epitaphs verweist auf seine Verdienste