Die Heiligsprechung von Bischof Virgil

  • Entstehungszeitraum: 1. Oktober 1200
  • Entstehungsort: Rom
  • Objektart: Urkunde
  • Autor/Künstler: unbekannt
  • Artikel-Autor: Wolfgang Neuper
  • Material/Technik: Pergament
  • Größe: H: 18,7 cm; B: 21,6 cm
  • Standort/Signatur: Archiv der Erzdiözese Salzburg/AT-AES 6.2.U3.I
  • Physisch benutzbar: ja
  • Literatur:

    Doppler, Adam: Die ältesten Original-Urkunden des f.e. Consistorial-Archives zu Salzburg (1200­–1350), in: MGSL 10 (1870).
    Dopsch, Heinz u. Juffinger, Roswitha (Hg.): Virgil von Salzburg. Missionar und Gelehrter. Beiträge des Internationalen Symposiums vom 21.–24. September 1984 in der Salzburger Residenz, Salzburg 1985.
    Dopsch, Heinz: Kleine Geschichte Salzburgs. Stadt und Land, 2. Aufl. Salzburg 2009, S. 23–32.
    Eder, Petrus u. Kronbichler, Johann (Hg.): Hl. Rupert von Salzburg 696–1996 (Sonderschau des Dommuseums zu Salzburg 20.1), Salzburg 1996.
    Kammerhofer-Aggermann, Ulrike: Märkte, in: Haslinger, Adolf u. Mittermayr, Peter (Hg.): Salzburger Kulturlexikon, Salzburg u.a. 2001, 285–286.
    Kramml, Peter F.: Rupert, in: Haslinger, Adolf u. Mittermayr, Peter (Hg.): Salzburger Kulturlexikon, Salzburg u.a. 2001, 232.
    Kramml, Peter F.: Virgil, in: Haslinger, Adolf u. Mittermayr, Peter (Hg.): Salzburger Kulturlexikon, Salzburg u.a. 2001, 532.
    Meiller, Andreas von: Regesten zur Geschichte der Salzburger Erzbischöfe Conrad I., Eberhard I., Conrad II., Adalbert, Conrad III. und Eberhard II., Wien 1866.
    Schulz, Winfried: Heiligsprechung, in: LThK 4, Sp. 1328–1331.
    Wolfram, Herwig: Die Zeit der Agilolfinger – Rupert und Virgil, in: Dopsch, Heinz: Geschichte Salzburgs. Stadt und Land, Band I/1, Salzburg 1981, 121–156.
    Zarl, Josef: Patrozinienbuch der Kirchen und Meßkapellen der Erzdiözese Salzburg mit den Berufspatronen im Anhang, Salzburg 1987.

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Am 24. September feiert das Land Salzburg jedes Jahr seine Landespatrone Rupert und Virgil. Seit dem Mittelalter wurde an diesem Tag Jahrmarkt gefeiert. Dabei ist die Prozession von der Erzabtei St. Peter in den Dom, bei der in besonderen Jahren die Reliquien von Virgil und Rupert mitgetragen werden, der kirchliche Höhepunkt. In Kriegs- und Seuchenjahren wurde kein Markt gehalten. 1896 hob der Salzburger Gemeinderat den Jahrmarkt auf. Seit 1976 wird der „Rupertikirtag“, das Domkirchweihfest, wieder jährlich in der Stadt Salzburg gefeiert.

Eine Heiligsprechung war ein komplexer Vorgang. In der Urkunde vom 1. Oktober 1200 beauftragt Papst Innozenz III. die Bischöfe Wolfker von Passau und Otto II. von Freising sowie die Äbte Conrad II. von Raitenhaslach und Baldewin von Viktring die Voruntersuchung zur Heiligsprechung des Bischofs Virgil von Salzburg einzuleiten.

Bayernherzog Theodo forcierte seit dem späten 7. Jahrhundert die durchgreifende Missionierung seines Volkes. Zu diesem Zweck wandte er sich an den Wormser Bischof Rupert (Hrodbert), der sein Bistum verließ und Theodo in Regensburg angeblich taufte. Die missionarische Tätigkeit Ruperts verlangte großes diplomatisches Geschick, denn durch die Mission sollte der Ausgriff des bayerischen Herzogtums nach Süden und Osten vorbereitet werden. Dafür erhielt Rupert von Theodo für die Mission die unumschränkte Vollmacht. Rupert begab sich zunächst nach Lorch, doch kehrte er aufgrund einer drohenden Awarenoffensive um und gelangte über Seekirchen in die alte Römerstadt Iuvavum, das ihm neben den Quellesalinen von Reichenhall übertragen wurde.

Rupert, der Apostel der Bayern, wurde zum Gründer der Salzburger Kirche. Er gründete ein Kloster zu Ehren des Apostel Petrus, errichtete eine stattliche Kirche, gründete die Maximilianszelle in Bischofshofen und unterstütze den Herzogsohn Theodbert bei der Gründung eines Frauenklosters (713/15 Nonnberg). Kurz vor seinem Tod begab sich Rupert an seinen früheren Bischofssitz nach Worms, wo er vermutlich 716 oder bald darauf verstarb.

Virgil war Abt in Mittelirland und kam über Quierzy in Frankreich zu Herzog Odilo nach Bayern. 746/747 übernahm Virgil die Leitung der Salzburger Kirche und wurde selbst erst 749 zum Bischof geweiht. In Salzburg kämpfte er um die Rechte der Salzburger Kirche, setzte sich für den Bau zahlreicher Kirchen ein und setzte Missionare in Karantanien ein. Virgil führte mit dem letzten agilolfingischen Bayernherzog Tassilo III. erfolgreich den Ausgriff Bayerns nach Süden durch. 767 begann Virgil an der Stelle der rupertinischen Peterskirche mit dem Bau eine Domes, der 774 geweiht wurde und unter Umständen von Tassilo III. als Krönungskirche für ein künftiges Königtum der Agilolfinger vorgesehen war. Unter Virgil wurde Salzburg zum „bedeutendsten Zentrum von Kunst und Kultur im Ostalpenraum“ (Heinz Dopsch). Zu erwähnen sind hier nur der Tassilokelch, die führende Rolle Salzburgs in der Buchmalerei, das Verbrüderungsbuch von St. Peter und Virgils Rolle als Dichter und Literat. Als Virgil am 27. November 784 verstarb, hinterließ er Salzburg als das reichste und leistungsfähigste Bistum in Bayern.

Heiligsprechungen
Ausgehend von der frühchristlichen Verehrung der Märtyrer dehnte sich der Kult der Heiligenverehrung in der zweiten Hälfte des 4. Jh. auf Persönlichkeiten aus, die zu Lebzeiten als heilig galten und deren Heiligkeit nach ihrem Tod durch ein Wunder bestätigt wurde, etwa bei großen Bischöfen oder Lehrern, die als confessores gegen Irrlehren kämpften. Zu diesen Bekennern wurden bald bedeutende Einsiedler, Koinobiten, Asketen, Mönche und Missionare hinzugezählt. Führ die Heiligsprechung ist neben der Verehrung als Seliger zeitig nach der Seligsprechung ein in einem getrennten Verfahren zu belegendes Wunder erforderlich. Anschließend obliegt es ausschließlich dem Papst, ob er die Kanonisation vornimmt. Äußere Zeichen der Anerkennung waren die Wiederbeisetzung der Gebeine in einem Altar und die Verlesung des Lebenslaufs (vita) des Heiligen.

Bischof Virgil überführte am 24. September 774 die Reliquien von Rupert von Worms nach Salzburg und weihte den neuen Dom zu seinen Ehren. Obwohl Rupert formell nie heilig gesprochen wurde, wird er seit dem 8. Jahrhundert als Heiliger verehrt und ist Salzburger Landespatron.

Papst Innozenz III (1198–1216) beauftragte mit der Urkunde vom 1. Oktober 1200 die Bischöfe von Passau und Freising sowie die Äbte von Raitenhaslach und Viktring, die Voruntersuchungen zur Kanonisation des Bischofs Virgil von Salzburg einzuleiten. Wolfker war Bischof von Passau (1191–1204) und Otto II Bischof von Freising (1183–1220). Baldewin stand dem Zisterzienserkloster Viktring vor und starb am 10. November 1200. Nicht eindeutig zu klären ist, wer das Kloster Raitenhaslach Anfang Oktober 1200 leitete. Abt Richer verstarb 1200 und es ist wahrscheinlich, dass sein Nachfolger Konrad II. die Urkunde entgegennahm. Vielleicht waren es die Ableben der beiden Äbte Baldewin und Richer, vielleicht auch die Folgen der damaligen Zerwürfnisse in Betreff der deutschen Krone, dass die von Papst Innozenz III. angeordnete Voruntersuchung erfolglos blieb. Dreißig Jahre später erteilte Papst Gregor IX. am 21. September 1230 an Bischof Heinrich III. von Brixen und einige Äbte der Diözese Passau erneut den Auftrag zu Untersuchung und Berichterstattung. In Folge dieser Relation wurde Virgil am 10. Juni 1233 heilig gesprochen. Erzbischof Eberhard von Salzburg erhielt vom Papst eine Bulle vom 18. Juni 1233, in der er über die vollzogene Heiligsprechung in Kenntnis gesetzt wurde.

Die Verehrung von Rupert und Virgil als Landespatrone
Trotz seiner großen Leistungen geriet Rupert bald in Vergessenheit und erst nach der Überführung seiner Gebeine durch Bischof Virgil anlässlich der Domweihe am 24. September 774 setzte eine bis heute dauernde Verehrung ein. Er wurde neben Petrus zum zweiten Salzburger Schutzheiligen und schließlich zum Landesheiligen, der nie formell kanonisiert, sondern durch die formelle Anerkennung seines Kultes unter die Heiligen der katholischen Kirche aufgenommen wurde. Der 24. September, der Tag der Reliquientranslation, ist Landesfeiertag.

Während Rupert der adelige Gründungsbischof war, so verdankt Salzburg Virgil den kulturellen Aufstieg und den Aufstieg zum Erzbistum unter seinem Nachfolger Arn(o) 798. Das Andenken an Virgil wurde bald unterdrückt, da die irische Mission mit der karolingischen Kirchenreform des frühen 9. Jahrhunderts zu Ende ging und er zu eng mit dem 788 gestürzten Bayernherzog Tassilo III. zusammengearbeitet hatte. Die Auffindung seiner Gebeine beim Neubau des Domes 1181 führte zur Verehrung und auch zur Heiligsprechung 1233. Virgil, der mit dem Dom als Attribut dargestellt wird, ist neben Rupert (Salzfass) der zweite Schutzheilige Salzburgs. Allerdings ist Rupert die stärkere Heiligengestalt und die Verehrung Virgils bleibt fast gänzlich in seinem Ausstrahlungsbereich. Virgil wurde zweiter Patron im Salzburger Dom und für die Erzdiözese beziehungsweise vierter nach den beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus sowie Rupert.

Die Heiligsprechung Virgils 1233 führte zur Errichtung von Virgilkirchen, darunter das Chorherrenstift Virgilienberg in Friesach oder die Pfarrkirchen in Rattenberg oder Radstadt. Rupertpatrozinien fanden bzw. finden sich im österreichischen und süddeutschen Raum bis Worms und Konstanz sowie in Brixen, Trient, Aquileia, Slowenien, Ungarn und den USA (Newburgh). In der Erzdiözese Salzburg sind ihm unter anderem der Dom, die Stiftskirchen St. Peter und Seekirchen, das Missionshaus St. Rupert in Bischofshofen oder die Pfarrkirchen Wagrain, Uttendorf, Muhr und Dorfgastein geweiht.

Nachdem in den 1950er und 1960er Jahren auf die bisherigen Rupert- und Virgilfeste verzichtet wurde, wurde „Herbstruperti“ mit dem Rupertikirtag und der „Rupertitag“ am 24. September zum Fest beider Heiligen.

[Transkription]
Die Litterae (Briefe) sind die häufigste Form der Papsturkunde. Der gesamte Text vom Papstnamen bis zur Datierung wird in einem einzigen Schriftblock in einer frühgotischen Minuskel geschrieben. Das für die Papsturkunde typische Bleisiegel (Bulle) ist das einzige Beglaubigungsmittel. Auf der Bulle finden wir auf der Vorderseite den Papstnamen Innocentius PP [PaPa] III, auf der Rückseite die Köpfe der Apostel Petrus (SPE für Sancti Petri) und Paulus (SPA für Sancti Pauli). Hier liegt eine einfache Littera vor, die Littera cum filo canapis (Brief mit der Hanfschnur), die nur eine große, geschwärzte Initiale als Zierelement aufweist. Der Beschreibstoff der Urkunde ist Pergament.

Erster Oktober 1200

Papst Innozenz III. beauftragt die Bischöfe von Passau und Freising sowie die Äbte von Raitenhaslach und Viktring, die Voruntersuchung zur Kanonisation des Bischofs Virgil von Salzburg einzuleiten.

1 Innocentius episcopus seruus seruorum dei. Venerabilibus fratribus.. Patauiensi.. Frisingensi Episcopis et dilectis filiis..
2 de Reitenhaslach et.. de Victoria Abbatibus. Salutem et apostolicam benedictionem. Habet hoc proprium apostolica sedes, ut
3 ad inquirendam plenissime ueritatem ne fucato decipiatur errore: com multa grauitate procedat. quati
4 nus quod ipsius fuerit deliberatione statutum: ratum et stabile perseueret. Cum ergo Salzeburgensis ec
5 clesia nobis humiliter supplicarit. ut sancte recordationis. Virgilium quondam episcopum suum quem piis
6 operibus floruisse fatetur in uita certisque post mortem miraculis claruisse. sanctorum ascriberemus cathalogo
7 uenerandum. nos in tanto iudicio diligentiam cupientes omnimodam adhibere. discretioni uestre de
8 qua plene confidimus per apostolica scripta precipiendo mandamus. quatinus auctoritate nostra suffulti. tridu
9 anum ieiunium per Salzeburgensem diocesim sollempniter indicatis. ut uniuersi fideles orantes. et erogantes
10 ab eo qui est uia ueritas et uita postulent et implorent. aperiri uiam inueniendi super hoc ueritatem
11 ad uitam. ac deinde non solum per testimonia sed per testes. per famam quoque uulgatam et scripturam au
12 tenticam de uirtute morum et uirtute signorum. operibus uidelicet et miraculis certitudinem inquiratis.
13 cunctaque fideliter conscribentes. sub testimonio sigillorum uestrorum per uiros idoneos qui fidem etiam super
14 hiis nobis faciant. in presentia nostra iurati. ad sedem apostolicam destinetis. ut per inquisitionem uestram
15 sufficienter instructi ad diuini nominis gloriam et catholice fidei firmamentum. securius in ipso negotio pro
16 cedere ualeamus. Quod si omnes hiis exequendis nequiueritis interesse. tres uestrum ea nichilominus exequantur.
17 Datum Lateran. Kalend. Octobr. Pontificatus nostri anno Tertio.

Sigill. plumb. Innocentii PP. III.