Ein silberner Lorbeerkranz für den Maler Eduard Gehbe

  • Entstehungszeitraum: 1900
  • Entstehungsort: Salzburg
  • Objektart: Silberkranz
  • Autor/Künstler: Franz Holter ( 1861–1923)
  • Artikel-Autor: Urd Vaelske
  • Material/Technik: Silber, graviert
  • Größe: H. 35,4 cm, B. 29,5 cm
  • Standort/Signatur: Salzburg Museum, Inv.-Nr. 2046-81
  • Physisch benutzbar: ja
  • Literatur:

    Nikolaus Schaffer: Gehbe, Georg Eduard. In: Saur. Allgemeines Künstlerlexikon. Die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. Bd. 51. München – Leipzig 2006, S. 26.

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Der Maler Eduard Gehbe kam 1884 nach Salzburg, bezog 1886 ein Atelier im gerade neu gebauten Künstlerhaus und reüssierte zu den angesehensten Mitgliedern der Salzburger Künstlerschaft. Er war sehr beliebt. Nicht nur zahlreiche Salzburger, sondern auch Kunstliebhaber aus dem gesamten deutschen Sprachraum suchten seine Bekanntschaft. Für den Freundeskreis schienen die Geburtstage des Malers Gehbe gute Gelegenheiten gewesen zu sein, ihm Verehrung und Anerkennung auszusprechen und ihn auch zu beschenken. Das Salzburg Museum bewahrt das Geschenk zum 55. Geburtstag des Künstlers Eduard Gehbe. Es ist ein silberner Lorbeerkranz.

„Salzburg Hotel Schiff / Gehbe Festfeier“. Mit dieser Adresse und diesem Betreff ging am 30. März 1900 ein Telegramm im Hotel „Zum Goldnen Schiff“ am Salzburger Residenzplatz ein (Abb. 1). Der Schriftsteller Anton Breitner hatte es an jenem Tag aus Mattsee abgesetzt. Er schrieb: „Durch Flockentreiben und Sturm / herzsinnigen Gruss vom Scheffelthurm / stolz fühlt sich heut Salzburg mit Gehbe / der Meister und Freund / er lebe = Breitner Scheffelthürmer“. Es war nicht das einzige Glückwunsch-Telegramm, das an diesem Tag in dem Salzburger Hotel ankam. Aus Burghausen, Linz, Wien, Pozsony (heute Bratislava), Leipzig, Karlsruhe und Remscheid gratulierten Freunde und Verehrer Eduard Gehbe zum 55. Geburtstag. Ihnen war es anscheinend nicht möglich gewesen, zu der oben erwähnten Festfeier anzureisen, die das Hotel „Zum Goldnen Schiff“ an jenem Freitag im März 1900 ausrichtete.

Der Maler und Zeichner Georg Eduard Gehbe wurde am 30. April 1845 im thüringischen Meiningen geboren. Er studierte bei Friedrich Preller d. Ä. in Weimar und lebte danach in Berlin, Paris und in der Schweiz. In den Jahren von 1870 bis 1872 war Gehbe Schüler von Albert Zimmermann und Hans Canon in Wien. Nach einem Aufenthalt in Ungarn kehrte er nach Wien zurück. 1884 kam Gehbe dauerhaft nach Salzburg und bezog 1886 ein Atelier im neu erbauten Künstlerhaus. Er gehörte nun zu den angesehensten und produktivsten Mitgliedern der Salzburger Künstlerschaft (Abb. 2). Sein Wirken charakterisierte Nikolaus Schaffer wie folgt: „Die Vielseitigkeit und der konservative Grundzug seines Schaffens lassen Gehbe als typischen Vertreter des ‚salonbürgerlichen‘ Realismus erscheinen. Seine Landschaftsauffassung wurzelt in der etwas trockenen, klassizisierenden Preller-Schule, lockerte sich aber vor allem nach der Jahrhundertwende in Richtung einer betont koloristisch-dekorativen Stimmungsmalerei. Statt detailgenauer Durchbildung gab er in späteren Jahren einer betont flüssigen Malweise den Vorzug und malte z.B. skizzenhafte Veduten im Kabinettformat. Neben Gebirgs- und Waldlandschaften umfasst sein Oeuvre vor allem Porträts, Tierstücke, Stillleben und Genrebilder. Die größten Erfolge erzielte er mit Jagdstücken …“.

Eduard Gehbe beging seinen 55. Geburtstag also im Hotel „Zum Goldnen Schiff“. Die lokalen Zeitungen erachteten dieses Ereignis als nicht erwähnenswert. Der Ablauf des Festes lässt sich dennoch erahnen, weil es nicht die erste Feier für Gehbe war, die in diesem Hotel veranstaltet wurde. Sieben Jahre zuvor, am 25. März 1893, hatte genau an diesem Ort die Verleihung der großherzoglich sächsischen goldenen Medaille an den Maler und das Fest für seinen vorgezogenen 48. Geburtstag stattgefunden. Diesem feierlichen Akt räumte das Feuilleton der Salzburger Zeitung am 28. März 1893 allerdings einen großen Raum ein. Der Artikel berichtet von launigen Reden und Lobgesängen, und er erwähnt einen Lorbeer, der „von zarten Händen zum Kranze gefügt“ worden war. Außerdem ereignete sich Folgendes: „Alles in Allem: Es war ein lieber, wirklich ‚gemütlicher‘ Abend, der ehrlicher Freundessinn dem wackeren Künstler und lieben Freunde gewidmet hat. Der engere Kreis unter seinen Verehrern hat beschlossen, das Andenken daran durch Ankauf eines reizenden Gehbe’schen Oelbildes ‚Waldpartie am Dürnberg‘ nach der Natur gemalt, festzuhalten, welches zu Ehren des Künstlers unserem Salzburger Museum geschenkt werden wird“.

Tatsächlich überreichte eine „Anzahl Gönner des Museums“ die „Alte Mühle am Dürrenberge von Gehbe, Oelgemälde in breitem Rahmen“ noch im Jahr 1893 dem Museum (Jahres-Bericht des städtischen Museum Carolino-Augusteum zu Salzburg für 1893, S. 59) (Abb. 3). Ist diese Waldlandschaft ein Erinnerungsstück an die Feier von 1893, so ist dem Salzburg Museum von dem Geburtstagsfest im Jahr 1900 ein Relikt ganz anderer Art geblieben. 1893 war, wie oben bereits erwähnt, ein Lorbeer „von zarten Händen zum Kranze gefügt“ worden. 1900 griff die Festgesellschaft diese Idee wieder auf, setzte sie diesmal aber mit einem weitaus größeren Aufwand um. Dem Salzburger Gold- und Silberarbeiter Franz Holter wurde der Auftrag erteilt, einen Lorbeerkranz aus Silber zu schmieden. Nach dem Fest muss Eduard Gehbe ihn in das Atelier im Künstlerhaus mitgenommen haben. Über seinen Tod im Jahr 1920 hinaus blieb der Kranz dort, bis das Künstlerhaus ihn 1981 als Schenkung an das Salzburg Museum übergab (Abb. 4).

Franz Holter, 1861 geboren, war aus Prag nach Salzburg gekommen und hatte seine Gold- und Silberwerkstätte am Platzl. In der Stadt an der Salzach genoss er große Anerkennung und erntete für seine Arbeit öffentliches Lob. Holter stellte Schmuck und kunstgewerbliche Gegenstände her, die er auch auf Ausstellungen präsentierte (Abb. 5). Ein einträgliches Geschäft muss die Produktion von Ehrenzeichen gewesen sein. Als der Salzburger Bicycle-Club am 8. September 1886 sein erstes Gründungsfest feierte und eine „Corsofahrt“ mit anschließendem Straßenrennen veranstaltete, erhielten die Gewinner vergoldete und silberne Medaillen „… vom Herrn Franz Holter in gewohnt geschmackvoller Weise ausgeführt und vom Herrn C. Leskier ebenso so schön gravirt …“ (Salzburger Volksblatt, 13.9.1886). Mit derartigem Renommee ausgestattet, war Holter geradezu dafür prädestiniert, ein für den beliebten Maler Eduard Gehbe adäquates Geburtstags- und Erinnerungsgeschenk zu schaffen.

Der silberne Lorbeerkranz wurde dem Jubilar in einer großen, rechteckigen Holzkassette überreicht. Der Vorgang, wie Gehbe sie voller Spannung öffnete und dann den Inhalt betrachtete, lässt sich noch heute leicht nachvollziehen. Auf rotes Seidenfutter gebettet, liegen dort, durch ein schmales Band aus Messing zu einem Kranz zusammengehalten, zwei der Natur exakt nachempfundene silberne, mit Lorbeerblättern und -beeren dicht besetzte Zweige. Auf der Innenseite des Kassettendeckels steht golden geprägt „F. Holter Salzburg“, und auch einer der beiden Zweige weist die Punze „FH“ auf. Allein diese Marke war Ausdruck höchster Qualität und die Garantie dafür, dass die Freunde keine Mühe gescheut hatten, Gehbe eine wunderbare Überraschung zu bereiten. Doch wie persönlich dieses Geschenk tatsächlich gemeint war, wird er erst bei näherer Betrachtung bemerkt haben. Das Band und jedes einzelne der 37 Blätter sind fein graviert beschriftet. „Dem Maler Eduard Gehbe / Zum 55 t Geburtstag / 30.3.1900 von Freunden und Verehrern“ heißt es auf dem Band, und auf den Blättern sind die Namen von 56 Gratulanten und Gratulantinnen zu lesen.

Ein Großteil der Inskribierten lässt sich heute, 117 Jahre später, identifizieren und durch ihre beruflichen Tätigkeiten näher charakterisieren. Sie gehörten der gehobenen Salzburger Gesellschaft an oder waren durch ihren Beruf in irgendeiner Weise mit der Kunst verbunden. Viele waren Mitglieder des Salzburger Kunstvereins und allein dadurch mit dem Maler Eduard Gehbe näher bekannt, der nicht nur ein Atelier im Künstlerhaus gemietet hatte und dort zahlreiche Ausstellungen mit Gemälden bestückte, sondern auch in den Ausschüssen des Vereins tätig war. So finden sich auf einem Lorbeerblatt die Namen von Ludwig Schmederer und dem Ehepaar Leo und Maria Reiffenstein vereint (Abb. 6). Schmederer war Mitbegründer und Präsident des Kunstvereins sowie Ehrenbürger der Stadt Salzburg. Leo Reiffenstein war akademischer Maler und arbeitete wie Gehbe in den Ausschüssen des Kunstvereins. Diesen gehörten im Jahr 1900 auch Anton Aicher, Bildhauer und Gründer des Salzburger Marionettentheaters, Jacob Forster, k.u.k. Hof- und Dekorationsmaler, Karl Mell, k.k. Professor an der Staats-Gewerbeschule Salzburg, und Hans Müller, städtischer Baurat, an. Unter Gehbes Maler-Freunden steht der Salzburger Josef Mayburger an prominenter Stelle (Abb. 7). Auch viele Buch- und Kunsthändler ließen sich auf dem Kranz eintragen. Unter ihnen ist k.u.k. Hofbuchhändler Heinrich Dieter, der im Feuilleton der Salzburger Zeitung über das Fest im Jahr 1883 berichtet hatte. Zu den Gratulanten gehörten auch der Fotograf Fritz Würthle mit Gattin, der Schriftsteller Anton Breitner mit Gattin, der seine Glückwünsche zusätzlich per Telegramm aus Mattsee ausgerichtet hatte, der Komponist Theodor Streicher und der Architekt Carl Demel mit Gattin. Der Name des österreichischen Bibliothekars und Schriftstellers Richard Ritter von Strele-Bärwangen steht allein auf einem Blatt. Und auch der Apotheker Carl Hinterhuber, Besitzer der Engel-Apotheke in der Linzer Gasse, ließ sich allein auf einem Blatt verewigen. Des Weiteren ehrten drei Herren, die in höheren Verwaltungsbehörden tätig waren, den Jubilar mit ihren Namen: Hofrat Dr. Victor Lawatschek, Josef Kollmann und Ober-Ingenieur Franz Drobny. Lawatschek arbeitete in der Finanzdirektion, Kollmann war Fischereidirektor der k.k. Landwirtschafts-Gesellschaft in Salzburg und Leiter der Fischzucht-Anstalt Hintersee, Franz Dobry war damals Stadtbaudirektor. Noch viele weitere der 56 Freunde und Verehrer könnten derart aufgezählt werden.

Auf jeden Fall muss der Lorbeerkranz, der dem Maler Gehbe an seinem Festtag überreicht wurde, auf große Begeisterung gestoßen sein. Die Idee, die Blätter mit Gravuren zu versehen, war so gut, dass Franz Holter sie ein Jahr später wieder aufgriff. Im Salzburg Museum befand sich ein ganz ähnlicher, heute verschollener Lorbeerkranz. In der November-Dezember-Ausgabe der Salzburger Museumsblätter 1939 werden die Neuerwerbungen des Vorjahres aufgezählt. Dort heißt es: „Ein Erinnerungsstück besonderer Art ist auch ein silbervergoldeter, fast einen halben Meter hoher Lorbeerkranz, welcher der Gesangslehrerin Fräulein Marie Meingast (1847–1918) zum 25jährigen Berufsjubiläum 1901 von ihren Schülern und Schülerinnen gewidmet wurde. Unter den auf den 91 Blättern eingravierten Namen finden wir durchwegs bekannte Salzburger. Die Goldschmiedearbeit machte F. Holter.“

Die Geste, einen Lorbeerkranz zu überreichen, hat eine lange Tradition. Ihr Ausgangspunkt liegt in der griechischen Antike, wo der immergrüne Lorbeer vor allem kultische Bedeutung besaß und eng mit dem Gott Apollon verbunden war. Doch wurde er auch bei den Pythischen und Olympischen Spielen als einzige Anerkennung für einen errungenen Sieg an Sportler verliehen. Das antike Rom übernahm diese Funktion der Auszeichnung, setzte den Lorbeer aber vornehmlich bei der Ehrung von militärischen Erfolgen ein. Die italienische Renaissance nahm den antiken Brauch wieder auf. Nachdem ein römischer Senator Francesco Petrarca 1341 mit dem Lorbeer gekrönt und zum „poeta laureatus“ gekürt hatte, wurden die Dichterkrönungen zu einer Institution der Zeit des Humanismus. Bis heute verkörpert der Lorbeerkranz Sieg und Frieden, Leistung und Ruhm und gilt als ein Synonym für diese Eigenschaften. Sein Abbild wird in diesen Bedeutungen in den verschiedensten Bereichen verwendet.

Am 29. März 1915, ein Tag vor seinem 70. Geburtstag, ehrte die Zeitung „Salzburger Wacht“ den Maler Eduard Gehbe in einem langen Artikel. Ob das Fest wieder im Hotel „Zum Goldnen Schiff“ gefeiert wurde und welches Geschenk sich die Freunde und Verehrer diesmal ausdachten, davon wird nichts berichtet.