Eine Mozartstatue für Salzburg

  • Entstehungszeitraum: 1840
  • Entstehungsort: München
  • Objektart: Modell
  • Autor/Künstler: Ludwig M. Schwanthaler
  • Artikel-Autor: Nikolaus Schaffer
  • Material/Technik: Statue: Gips, patiniert; Sockel: Holz, gefasst; patinierte Tonreliefs
  • Größe: Höhe der Statue: 65cm/Standfläche: 23,5x24,5cm; Höhe des Sockel: 42,5cm/30x31cm
  • Standort/Signatur: Salzburg Museum Inv.-Nr. 5178/49
  • Physisch benutzbar: nein
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Der bayrische Künstler Ludwig M. Schwanthaler wurde mit dem Entwurf einer Mozartstatue für Salzburg beauftragt. Das Modell dieser Statue ist heute ein Teil der Sammlung des Salzburg Museum und die Statue wurde am 9. September 1842 feierlich enthüllt.

Das Privileg, öffentliche Plätze in Form von Standbildern zu besetzen, wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein ausschließlich Regenten und siegreichen Feldherren zugestanden. Das Bedürfnis, auch Männer des Geistes aufs Podest zu heben, entstand zugleich mit einem demokratischen Verständnis von Bildung und Humanität und der Überzeugung von deren kultureller Mission, die von der Aufklärung ihren Ausgang nahm. An der Wiege des modernen Denkmalbegriffes stand somit der Glaube an den geistigen Fortschritt der Menschheit, als dessen Kronzeugen die erlauchtesten Vertreter der Künste und Wissenschaften aufgerufen waren. Ihnen kam unter den damaligen Verhältnissen nicht zuletzt auch die Rolle nationaler Integrationsfiguren zu.

Schon während des 18. Jahrhunderts hatten Privatmänner ihren profanen Idolen vereinzelt Weihestätten errichtet, die rein der persönlichen Erbauung dienten, und denen ein ausgesprochen statuarischer Charakter noch fehlte. Der vorbildhafte Anspruch verlangte jedoch nach einer sowohl monumentalen als auch leibhaftigen Vergegenwärtigung der Ideenträger. Dies leistete das plastische Ideal des Klassizismus mit seinem Vertrauen in die Würde und Kraft der menschlichen Erscheinung, die keines äußeren Beiwerks mehr bedurfte.

Der Ruf nach für die Allgemeinheit bestimmten Standbild-Denkmälern nahm vor allem seit den 1820er-Jahren die Breite einer Bewegung an, in der sich auch das Erstarken des bürgerlichen Selbstbewusstseins manifestierte. Luther war der erste „Zivilist“, der mit einem Einzeldenkmal unter freiem Himmel in Deutschland geehrt wurde (1819 in Wittenberg, entworfen vom preußischen Bildhauer Johann Gottfried Schadow), in diesem Fall noch gegen beträchtlichen Widerstand der Obrigkeit. Es dauerte dann noch ein Jahrzehnt, bis 1837 in Nürnberg mit Albrecht Dürer dem ersten Künstler ein solches Monument gesetzt wurde (entworfen von Christian Daniel Rauch). Chronologisch folgten dann die Denkmäler für Gutenberg in Mainz (1836 entworfen vom dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen), Schiller in Stuttgart (1839 entworfen vom dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen), Gutenberg in Straßburg (1839 entworfen vom französischen Bildhauer David d´Angers), Jean Paul in Bayreuth (1841 entworfen von Ludwig Michael Schwanthaler), Beethoven in Bonn (1945 entworfen vom deutschen Bildhauer Ernst Julius Hähnel) und Lessing Braunschweig (1849 entworfen vom deutschen Bildhauer Ernst Friedrich August Rietschel). Waren die ersten Denkmalsetzungen noch engagierte Taten von politischer Reichweite, so nahmen sie allmählich inflationäre Ausmaße an und zeugten, zum städtischen Dekor entwertet, hauptsächlich vom Renommiergehabe der Bürgerschaft.

Salzburg wurde schon sehr früh von der Denkmalwelle erfasst und hatte wahrlich allen Grund dazu. Die Erkenntnis, mit Mozart ein singuläres Genie hervorgebracht zu haben und diesem zu Lebzeiten einiges schuldig geblieben zu sein, hatte zu dieser Zeit schon weite Kreise erfasst, die es nun an ihre „heiligste Pflicht“ zu erinnern galt. Bereits 1792 hatte der Grazer Kunst- und Musikalienhändler Franz Deyerkauf d. Ä. (1750-1826) zu Ehren Mozarts in seinem Garten einen freskengeschmückten Tempel errichtet (der heute noch existiert), und auch in Rovereto (Trentino-Südtirol) hatte 1837 ein Musikfreund – der Wiener Bankier und Tenor Giuseppe Antonio Bridi (1763-1836) – Mozarts Büste aufstellen lassen.

In Salzburg brachte der Reiseschriftsteller Julius Schilling (1800-1870) mit seinem am 12. August 1835 in der „Kaiserl. König. privilegierten Zeitung“ publizierten Aufruf den Stein ins Rollen. Aufgegriffen und propagiert wurde diese Initiative mit großem Engagement vom literarisch-geselligen Verein „Museum“, einem typischen Honoratiorenklub und einzigem kulturellen Treffpunkt von Bedeutung im damaligen Salzburg.

War anfangs nur an ein bescheidenes Monument gedacht, so legte der Anklang, den die Spendenappelle im In- und Ausland fanden, ein Projekt großen Stils nahe. Aus verschiedensten Städten langten ansehnliche Kollekten ein, eine Reihe von Musikern stellte sich mit Benefizvorstellungen unentgeltlich in den Dienst der Sache. Wien und Prag, wo man sich ebenfalls mit Denkmal-Gedanken trug, wurden als Mozart-Städte aus dem Rennen geschlagen. Das Spekulieren mit steigenden Besucherzahlen, die man sich von einem solchen attraktiven Projekt erhoffte, war schon damals ein nicht unwesentlicher Gesichtspunkt der Denkmaldebatte, wird jedoch angesichts des Tiefstandes, den Salzburgs Bedeutung damals erreicht hatte, nur allzu verständlich.

Bayerns liberaler König Ludwig I. (1786-1868), der in München ein ehrgeiziges architektonisches-plastisches Programm realisierte, steuerte nicht nur die ansehnlichste Summe bei und spendierte den Marmorsockel, sondern machte auch künstlerisch seinen Einfluss geltend. Er empfahl dem Denkmalkomitee „ein dem Auge sich sogleich selbst bemerkbar machendes Denkmal im Freyen“ und dürfte auch seine Hand dabei im Spiel gehabt haben, dass sein bevorzugter Bildhauer Ludwig Michael Schwanthaler (1802-1848) den Auftrag erhielt.

In der Frage des Aufstellungsortes fiel die Entscheidung zwischen Hannibal-(Makart)platz und Michaels-(Mozart)platz wegen „seiner Lage in der Mitte der Stadt u. landschaftlichen Umgebung“ zugunsten des letzteren aus. Hier musste der Brunnen mit der barocken Michaelsstatue (heute im Garten des Mutterhauses der Barmherzigen Schwestern in Mülln aufgestellt) das Feld räumen, was den Volksmund zu dem Reim „Michl marschier´, der Mozart ist hier“ inspirierte und den neuen Platzhalter in den Augen mancher Bevölkerungskreis als heidnisches Götzenbild erscheinen ließ.

Dem Schöpfer des Denkmals wiederum war das Zwiebeltürmchen inmitten der ruhigen Fassaden der umliegenden Gebäude der Michaelskirche ein Dorn im Auge, „welches von gewißen Ansichten die Statue fast erdrückt“, wobei er sogar dessen Abriss zur unerlässlichen Bedingung machen wollte; eine nur mehr aus der damals vorherrschenden Aversion gegen den Barockstil begreifbare Überempfindlichkeit.

Mitte 1840 lieferte Schwanthaler das Modell nach Salzburg, wo es vom 13. bis 15. Juni in den Vereinsräumen des „Museums“ besichtigt werden konnte. Es ist dasselbe Modell, das nur kurze Zeit später als Geschenk des Komitees an das neugegründete städtische Museum (später: Carolino Augusteum; heute: Salzburg Museum) kam und sozusagen zu dessen Urbestand gehört.

Den Guss nahm der bewährte Johann Baptist Stiglmaier (1791-1844) in seiner Münchner Erzgießerei vor versammelter Hofgesellschaft am 18. Juli 1841 vor. Unvorhergesehenerweise musste die Statue noch über ein Jahr auf ihre Enthüllung warten, da man während der Fundamentierungsarbeiten auf hochinteressante archäologische Funde, vor allem zwei Mosaikfußböden, gestoßen war. Es blieb nichts anderes übrig, als die ursprünglich zur 50. Wiederkehr von Mozarts Tod anberaumten Feierlichkeiten auf 1842 zu verschieben. Bedauerlicherweise verschied währenddessen Mozarts Witwe Konstanze Nissen (1762-1842), deren letzte Wohnung sich genau gegenüber dem geplanten Denkmal befand. An die Enthüllungsfeierlichkeiten am 9. September 1842 schloss sich ein ausgiebiges Veranstaltungsprogramm an, das mehrere Festkonzerte, einen nächtlichen Fackelzug um das Denkmal, Ausflüge nach Hellbrunn und Hallein, ein Volksfest um das Schloss Leopoldskron und einen Festball enthielt und am vierten Tag mit einem Scheibenschießen und einem Pferderennen endigte. Salzburgs Bedeutung als Musikstadt nahm von diesem Augenblick an einen kontinuierlichen Aufstieg.

Schwanthalers Mozart ist weit entfernt von der theatralischen Attitüde, aber auch von der vorgeblichen Lebens-Unmittelbarkeit, wie sie von der nachfolgenden Denkmalkunst oft in aufdringlicher Weise angestrebt wurde. Die gewichtige Erscheinung ergibt sich allein aus dem schlichten Stehen, der einfachen Drapierung. „Imposant, aber anspruchslos“, hatte sich der Künstler nach seinen eigenen Worten dieses „Ruhmesdenkmal“ vorgestellt. Standmotiv, Blickwendung, Mantelwurf sind die Kriterien, deren beziehungsvolles Zusammenspiel über die bedeutsame Wirkung entscheidet. Gerade Schwanthalers Denkmalschöpfungen zeigen, dass er dieses lapidare Grundschema immer wieder signifikant abzuwandeln verstand.

Kompositorischer Leitgedanke beim „Mozart“ ist das angehobene, auf einem Felsstück aufruhende linke Bein, das dem Standmotiv etwas besonders Hoheitsvolles gibt. Es ist bereits in einer ersten Entwurfsskizze voll ausgebildet, die sich noch in wesentlichen Zügen vom ausgeführten Modell unterscheidet. Erst da ist durch die veränderte Stellung des Kopfes und der Arme ein deutlicher Bezug zur Aufstellung auf einem Platz genommen. Zugleich mit der stärkeren Öffnung zum umgebenden Raum tritt die Figur sichtlich aus einer momentanen Pose in eine mehr zeitentrückte Dimension. Ganz in diesem Sinn hat der Künstler auch die flatternden Mantelkragen fallengelassen und stattdessen einen antikisierenden Umhang gewählt, um das Zeitkostüm des 18. Jahrhunderts gewissermaßen zu neutralisieren. Ideeller und historischer Anspruch durchdringen sich auch in dem Mozart-Kopf, der zwar ausdrücklich nach authentischen Vorlagen modelliert wurde, aber auf eine Stilisierung ins Apollinische nicht ganz verzichten konnte. Der Blick ist allerdings nicht „zu den Sternen erhoben“ (Ernst Hintermaier), sondern eindeutig zum benachbarten Dom hin ausgerichtet. In ähnlicher Weise versinnbildlicht das angedeutete Felsstück nicht etwa den Musenberg Parnass (Gebirge in Griechenland), wie es einer noch barocken Denkweise entsprechen würde, sondern „die Heimat“, kehrt also den lokalen und nationalen Aspekt hervor.

Wie bei Schwanthaler stets hinter strenger klassizistischer Formgesinnung die Seele eines Romantikers zum Vorschein kommt, so wird erst recht der „Raffael der Tonkunst“ (so der Salzburger Schriftsteller und Journalist Ludwig Mielichhofer; 1814-1892) seine empfindsame Seite angesprochen haben. Sein Mozart wird zur romantischen Verkörperung begnadeten Schöpfertums schlechthin, das sich nur mit Schreibfeder und Notenblatt auszuweisen braucht. Der Lorbeerkranz zu seinen Füßen fehlt auf dem Modell noch und war eine letzte Zutat, die sich fast erübrigt.

Mozarts Schaffen wird durch vier Sockelreliefs allegorisch erläutert. Den Ehrenplatz an der Vorderseite nimmt ein Engel mit Orgelpositiv ein, der für die Kirchenmusik steht. Links und rechts veranschaulichen Figurengruppen die lyrisch-konzertante bzw. dramatische Seite von Mozarts Musik. Auf der Rückseite gibt ein Adler auf einer Lyra einen allgemeinen Hinweis auf den Genius Mozarts. Der halb emblematische, halb szenische Darstellungsstil ist äußerst verknappt und geht dennoch in reinster Anschaulichkeit auf. Der weiche, musikalische Wohllaut vergleichbare Linienfluss trägt diese äußerst zart gearbeiteten Reliefs so sehr, dass sie freiplastisch vom Sockel abzuheben und zu schweben scheinen. Dennoch bilden die tektonisch-abstrakte Gestalt des Sockels und die eigentlich bildhauerischen Elemente eine formale und geistige Einheit, in die selbst die Lettern der Inschrift integriert sind.

Ein weiches Flair, das auf die Wirksamkeit des Gefühls verweist, liegt auch über dem Standbild selbst, seine blockhafte Massivität mildernd, alle Formbezüge ins Schmiegsame, Gleitende, sich Rundende abtönend. Was die Reliefs mit bezaubernder Innigkeit erfüllt, das kommt hier, wo erhabene Monumentalität im Vordergrund steht, nur als Anflug von Sentiment zum Tragen. Dabei geht es nicht an, Schwanthaler vorzuwerfen, „die Atmosphäre und die Epoche W.A. Mozarts (…) falsch interpretiert“ und zu sehr in Schubert-Nähe gerückt zu haben (Frank Otten). Was für eine Interpretation, wenn nicht eine romantische (und ganz sicher keine historisch-kritische) kann man sich von einem Zeitgenossen des Malers Moritz von Schwind (1804-1871) wohl sonst erwarten? Gerade den Zwiespalt zwischen formeller Repräsentation und schwärmerischer Intuition hat Schwanthaler bewundernswert und ohne die Entgleisung späterer Mozart-Portraitisten gelöst. „Verfälschung“ schlägt in diesem Fall nur als Gewinn zu Buche.