Goldegger Stube

  • Entstehungszeitraum: 1606
  • Entstehungsort: Goldegg
  • Objektart: TĂ€felung
  • Autor/KĂŒnstler: unbekannt
  • Artikel-Autor: Urd Vaelske
  • Material/Technik: Zirben-, Ahorn-, Nuss- und Zwetschkenholz
  • GrĂ¶ĂŸe: 37,52 mÂČ, H. 3,28 m
  • Standort/Signatur: Salzburg Museum, Inv.-Nr. 124-48
  • Physisch benutzbar: nein
  • Literatur:

    Jahres-Bericht des stĂ€dtischen Museum Carolino-Augusteum zu Salzburg fĂŒr 1883. Salzburg 1884, S. VI-VIII.
    Jahres-Bericht des stĂ€dtischen Museum Carolino-Augusteum zu Salzburg fĂŒr 1884. Salzburg 1885, S. II, III.
    Jahres-Bericht des stĂ€dtischen Museum Carolino-Augusteum zu Salzburg fĂŒr 1894. Salzburg 1895, S. IX.
    Jahres-Bericht des stĂ€dtischen Museum Carolino-Augusteum zu Salzburg fĂŒr 1895. Salzburg 1896, S. V, VI.
    Österreichische Kunsttopographie. Bd. XVI: Die Kunstsammlungen der Stadt Salzburg. Wien 1919, S. 297, Nr. XXVII.
    OstmÀrkische Kunsttopographie. Bd. 28: Die KunstdenkmÀler des Landkreises Bischofshofen. Baden bei Wien 1940, S. 101.
    Gesellschaft fĂŒr Salzburger Landeskunde (Hrsg.): Mitteilungen der Gesellschaft fĂŒr Salzburger Landeskunde. 82./83. Vereinsjahr. 1942/1943, S. 59.
    Christa Svoboda: Salzburger WerkstÀtten. Goldegger Stube. In: Albin Rohrmoser (Hrsg.): Meisterwerke aus dem Salzburger Museum Carolino Augusteum. Salzburg 1984, Nr. 88.
    Friederike Zaisberger und Walter Schlegel: Burgen und Schlösser in Salzburg, Pongau, Pinzgau, Lungau. Wien 1978, S. 29f.
    Albin Rohrmoser: Dringk und is Got nit vergis! Die Goldegger Stube als Abbild des göttlichen Heilplans – Versuch einer Deutung. Kunstwerk des Monats. Juni 1988
    Adam Stadler: Chronik der Gemeinde Goldegg im Pongau. St. Margarethen 2008, S. 251f.
    Salzburger Landesarchiv: Grundbuch Goldegg (SLA, Grundbuch Goldegg EZ 67).

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Die Goldegger Stube entstand im Jahr 1606 und stammt aus dem so genannten Judenhof in Goldegg. Dort war sie wahrscheinlich Teil einer prunkvollen Innenstattung. Im Jahr 1883 verkaufte sie der damalige Hofbesitzer Johann Hinterlechner an das StÀdtische Museum in Salzburg. Als Teil der Ausstellung ist die unversehrt erhaltene Wohnstube ein wichtiger Zeitzeuge der gehobenen Wohnkultur am Beginn des 17. Jahrhunderts und damit auch eine der Hauptattraktionen im Museum.

Der Judenhof, in den die Goldegger Stube einst eingebaut war, steht noch heute weithin sichtbar an einem Hang nördlich der Ortschaft Goldegg rechts an der Straße nach Goldeggweng. Das wuchtige, dreigeschossige GebĂ€ude erhebt sich ĂŒber einem annĂ€hernd quadratischen Grundriss. Sein Haupteingang liegt auf der Nordseite. Über einen Mittelflur werden die beiden GebĂ€udehĂ€lften erschlossen. An der dem Tal zugwandten SĂŒdfassade befanden sich einst zwei runde EcktĂŒrme, die im ersten Obergeschoss ansetzten. Sie waren ein typisches Merkmal fĂŒr damalige Ansitze. Nach einem Brand im Jahr 1878 wurden sie auf Erker reduziert, so dass sie heute unter dem Vordach enden. Die Stube, die sich heute im Salzburg Museum befindet, war im ersten Obergeschoss im sĂŒdwestlichen Raum und Erker des GebĂ€udes eingebaut.

Woher die Bezeichnung „Judenhof“ stammt, ist nicht sicher. Die Annahme, das GebĂ€ude sei einst der Sitz jĂŒdischer Kaufleute gewesen oder habe als Handelsstation ebensolcher gedient, ließ sich nicht nachweisen. Auch wurde der Hof mit dem im Pinzgau und Pongau hĂ€ufig vorkommenden Namen „Jud“ in Verbindung gebracht. Beweise dafĂŒr konnten ebenfalls nicht erbracht werden.

Die frĂŒheste bildliche Darstellung des Judenhofs findet sich auf dem ÖlgemĂ€lde „Anbetung der Heiligen Drei Könige“ im Rittersaal des Schlosses Goldegg, das aus dem 16. Jahrhundert stammt.

Die Reihe seiner zahlreichen Besitzer lĂ€sst sich bis in das Jahr 1441 zurĂŒckverfolgen. 1598 erwarb der Berchtesgadener Probst Veit Stöckl zu Schwarzegg den Hof. Er muss der Auftraggeber der Goldegger Stube gewesen sein, denn das Jahr 1606 wurde als Erinnerung unterhalb ihrer Decke in das Holz eingearbeitet. 1619 wurde in einem langen Verfahren entschieden, dass der Hof kein freier adliger Sitz ist. Ab 1628 war er mit allen Abgaben dem Landgericht St. Veit unterstellt. Seine Besitzer waren ab 1632 bĂŒrgerlich und bĂ€uerlich.

Die Goldegger Stube war einst eine Wohnstube. WĂ€hrend ihre grĂ¶ĂŸte FlĂ€che mit Zirbenholz getĂ€felt ist, sind die TĂŒrstöcke sowie die TĂŒren und die rahmenden Pilaster der EinbauschrĂ€nke mit reichen BeschlĂ€gen und bunten Intarsien ausgestattet. Die Einrichtung ist karg und beschrĂ€nkt sich auf die mit der Wand verbundenen BĂ€nke, einen Tisch und den Kachelofen. KĂ€sten und Truhen, die wegen der BĂ€nke nicht aufgestellt werden konnten, wurden in die Wand eingelassen. Der Raum wird von einer gewaltigen Kassettendecke ĂŒberspannt, deren unregelmĂ€ĂŸige Felder sich um ein intarsiertes Mittelfeld anordnen. Die durch reiche, aufgelegte Profilleisten geteilte Decke wird von Engelskopf-Konsolen getragen. Im angrenzenden Erker sind es die Figuren der vier Evangelisten, die die dortige Kassettendecke wie Konsolen stĂŒtzen. In einem kreisrunden, mit Intarsien ausgestatteten Mittelfeld findet sich der Sinnspruch „Dringk und is, Gott nit vergis“.

Diese Devise bringt das Irdische mit dem Überirdischen in harmonischen Einklang und mahnt an ein gottgefĂ€lliges Leben. Ein solches nimmt durch die PrĂ€senz der vier Evangelisten anschauliche Gestalt an. Die Evangelisten und Engel sind als TrĂ€ger der Decke zugleich TrĂ€ger eines imaginĂ€ren Himmels. Mit dem Spiel seiner geometrischen Formen entspricht die Stubendecke exakt den kosmischen Vorstellungen der Renaissance.

Einen besonderen Platz nimmt ein Maskeron ein, eine aus Löwen- und Menschenantlitz gekreuzte und mit Blattwerk gerahmte Fratze. Als zehnte Konsolfigur und als GegenstĂŒck zu den himmlischen Wesen der Engel verkörpert diese Kreatur den Teufel und hat seinen passenden Platz oberhalb des Ofens, der eine Metapher fĂŒr die Hölle ist.

Vom ursprĂŒnglichen Wandbrunnen hat sich nur die original ausgekleidete Nische erhalten. Das dort eingepasste Zinn-Lavabo ist ebenso wie der Ofen, das Lusterweibchen, die bunten Wappenscheiben in den Butzenscheiben-Fenstern und die beiden hochovalen, geschnitzten Holzwappen eine spĂ€tere Zutat. Das linke der beiden Wappen zeigt das des Veit Stöckl zu Schwarzegg und Judendorf, der Auftraggeber der StubentĂ€felung.

Im Jahr 1869, nach dem Tod seiner Mutter Katharina, ĂŒbernahm Johann Hinterlechner die GĂŒter Judenhof und Unterschattau. Die Verpflichtung, die Erbteile seiner sieben Geschwister auszuzahlen, machte ihm schwer zu schaffen. Zwar reprĂ€sentierten die Liegenschaften einen Wert von ca. 14.500 Gulden, dem standen aber laut Grundbuch verbriefte Schulden von ca. 12.000 Gulden gegenĂŒber. Die wirtschaftliche Lage des Hofes war in der zweiten HĂ€lfte des 19. Jahrhunderts demnach nicht gut. Der Verkauf der Goldegger Stube an das StĂ€dtische Museum Carolino Augusteum im Jahr 1883 kann sicher in diesem Zusammenhang gesehen werden und hat fĂŒr den Hofbesitzer Johann Hinterlechner dringend benötigtes Geld gebracht. Im Salzburger Museum sprach man von „betrĂ€chtlichen Ausgaben“, fĂŒr deren Finanzierung sich der damalige BĂŒrgermeister Rudolf Biebl einsetzte. Schließlich bewilligte die Gemeindevertretung zu diesem Zweck eine Geldanleihe. Sogleich wurden die Abnahme und der Transport der TĂ€felung von Goldegg nach Salzburg veranlasst.

1884, ein Jahr spĂ€ter, kam die Goldegger Stube im zweiten Obergeschoss des alten MuseumsgebĂ€udes am Unteren Gries zur Aufstellung. Diese war mit großem Aufwand verbunden, denn das Problem der seit langem bestehenden Raumnot konnte nur durch ein weiteres Zusammenschieben der dort situierten Bibliothek gelöst werden. DarĂŒber hinaus musste ein gemauerter Tragpfeiler entfernt, ein Erker und neue Fenster ausgebrochen werden, ein Unterfangen, das der stĂ€dtische Oberingenieur Dauscher mit großer Sicherheit und in kurzer Zeit bewĂ€ltigte. Zur JubilĂ€umsfeier anlĂ€sslich des 50jĂ€hrigen Bestehens des Museums konnte die Goldegger Stube der allgemeinen Besichtigung ĂŒbergeben werden.

1894, zehn Jahre spĂ€ter, war unter den Neuerwerbungen des Salzburger Museums ein vollstĂ€ndiges Bett aus dem Ende des 16. oder Anfang des 17. Jahrhunderts. Da es dem zeitlichen Rahmen der Goldegger Stube entsprach und ebenfalls mit reichen Intarsien ausgestattet war, wurde es nach umfassenden Restaurierungen im Jahr 1895 „als wirksame ErgĂ€nzung des freundlichen Eindrucks, welchen das ganze Zimmer mit seiner kĂŒnstlerisch durchgefĂŒhrten AusschmĂŒckung gewĂ€hrt,“ aufgestellt.

Im Herbst des Kriegsjahres 1944 war das alte MuseumsgebÀude wÀhrend zweier Luftangriffe weitgehend zerstört worden. Die wertvollsten MuseumsbestÀnde konnten im Zuge einer rechtzeitig vorgenommenen Verlagerung in Sicherheit gebracht werden. Manches musste jedoch an Ort und Stelle bleiben, ging zugrunde oder wurde schwer beschÀdigt. Es kommt einem Wunder gleich, dass die Goldegger Stube unversehrt blieb. Im Juli 1948 nahm Franz Gruber, Museumswerkmeister in Ruhe, die Stube zuerst zeichnerisch auf und trug sie dann gemeinsam mit dem Museumstischler Strasser, dessen Sohn und einigen Hilfsarbeitern ab.

Als das Salzburger Museum Carolino Augusteum 1967 in einem neu errichteten GebĂ€ude am Museumsplatz wieder eröffnet wurde, war die Goldegger Stube wieder fester Bestandteil der Dauerausstellung im zweiten Obergeschoss. Dort war sie 38 Jahre lang, bis Oktober 2005, fĂŒr die Öffentlichkeit zugĂ€nglich. Der Umzug des Museums in die Neue Residenz machte den Abbau und die Lagerung im Depot notwendig. Seit Mai 2016 ist die Goldegger Stube wieder im Salzburg Museum in der Neuen Residenz fĂŒr die Öffentlichkeit zu sehen.