Am 22. August 1920 fand die Premiere von Hugo von Hofmannsthals Theaterstück „Jedermann“ in der Inszenierung Max Reinhardts in Salzburg statt. In diesem Schreiben vom 16. Juli 1920 wandte sich Max Reinhardt an Fürsterzbischof Ignaz Rieder (1918–1934), um diesem den Plan für seine Inszenierung persönlich vorzustellen und für dessen Unterstützung zu danken.
Die Geburtsstunde der Salzburger Festspiele
Mit der „Jedermann“-Premiere im August 1920 erlebten die Salzburger Festspiele ihre Geburtsstunde. Seitdem wird das Stück jedes Jahr mit großem Erfolg in Salzburg aufgeführt, ja mit der Stadt und ihren Festspielen identifiziert.
Bereits die Uraufführung des „Spiels vom Sterben des reichen Mannes“, das Hofmannsthal nach dem Vorbild mittelalterlicher Mysterienspiele gestaltet hatte, wurde 1911 von Max Reinhard in Berlin an einem bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts unüblichen Spielort – einem Zirkus – in Szene gesetzt. Damit wurde der Idee der Großrauminszenierung ein entscheidender Impuls verliehen. Theaterreformer wie Reinhardt waren bestrebt, die szenische Funktion des Raumes neu zu bestimmen und eine Alternative zum konventionellen Theaterbau zu finden. Auf einer freien Agora konnte dem Publikum – anders als bei der Guckkastenbühne – eine durchdachte, die theatralischen Effekte betonende Massenregie geboten werden, durch die es auch selbst in das Geschehen einbezogen wurde. Für den Salzburger „Jedermann“ wählte Reinhardt in Ermangelung eines Festspielhauses erneut einen außergewöhnlichen Spielraum – den Platz vor dem Salzburger Dom.
Der Domplatz als BĂĽhne
In dem hier vorgestellten Schreiben vom 16. Juli 1920 wandte sich Max Reinhardt an Fürsterzbischof Ignaz Rieder, um ihm seine Ideen für die Inszenierung des „Jedermann“ darzulegen und für das Wohlwollen zu danken, mit dem der Salzburger Erzbischof der Aufführung vor dem Dom – „diesem ganz besonders dafür geeigneten Platz“ – zugestimmt hatte. Erzbischof Rieder genehmigte außerdem für die Dauer der etwa eineinhalb Stunden umfassenden Spielzeit, das Glockenläuten der umliegenden Kirchen weitgehend einzustellen, um die Darbietung der Schauspieler nicht zu stören. Reinhardt betonte besonders die „wohltätigen Zwecke“, welche die Festspielhaus-Gemeinde mit der Vorstellung verfolgte. Er unterließ es aber auch nicht, sein eigenes künstlerisches Interesse an der Wiederbelebung mittelalterlicher Kirchenspiele hervorzuheben, die er dem Erzbischof gleichzeitig als „vornehmste Aufgabe“ des „bischöflichen Salzburg“ präsentierte.
Bis heute ist Hofmannsthals „Jedermann“ „Wahrzeichen und Symbol“ der Salzburger Festspiele geblieben. An Max Reinhardts ursprünglichem Inszenierungskonzept orientierten sich viele Regisseure im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Die Wahl des Domplatzes als Spielstätte trug dabei nicht unwesentlich zu diesem nachhaltigen Erfolg bei.