Das Lexikon für Theologie und Kirche schreibt in seiner 3. Aufl. (ab 1993) zur Hauspostille (Hawßpostill D. Martin Luther, vber die Sontags, vnd der fürnembsten Fest Euangelia, durch das gantze Jar . – Augsburg 1547): Ein Buchtyp, der den Perikopen-Zyklus eines Kirchenjahres und darauf bezogene Auslegungen enthält, meist in Gestalt einer Homilie. Die Verbindung von Bibelwort und Exegese „post illa textus verba“ (nach jenen Worten des Textes) repräsentiert das Prinzip der Wortverkündigung[1].
Solche Postillen gab es schon in der Zeit vor Luther, so erschien etwa 1515 eine aus Predigten des Straßburger Münsterpredigers Johannes Geiler von Kaysersberg. Einen Aufschwung nahm diese Gattung aber zweifellos durch die Reformation und Martin Luther selbst setzte Maßstäbe dabei, 1522 erschien seine Kirchenpostille, 1544 seine Hauspostille, die für den Gebrauch bei häuslichen Andachten bestimmt war und somit die besten Voraussetzungen für die Geheimprotestanten bot.
Unser Exemplar ist ein Druck von Valentin Otmar, Augsburg 1547, der den Betrieb wohl 1541 von seinem Vater übernommen hatte, welcher bereits viel Reformatorisches gedruckt hatte. Auf dem Schmutztitel findet sich der handschriftliche Besitzvermerk: Mir Georg Hopfgartner zu Hag zu St. Veit zue gehärig.
St. Veit dürfte jenes in Defereggen sein, da wir dort auch einen Georg Hopfgartner finden, er wird des Öfteren in den Quellen zur Vertreibung dort genannt, 1693 bereits als Färber in Augsburg.
Wie Dissertori ausführt dürfte die Ausbreitung der „neuen Lehre“ unter den Bewohnern des salzburgischen Teiles des Defreggentals (also dem sog. Äußeren) ihre Hauptursache im Niedergang des Bergbaus haben. Die Bewohner waren gezwungen, sich neue Einkommensquellen zu verschaffen und zogen als Krämer (Hausierer) und Spielleute in die großen Städte Deutschlands. Dort lernten sie nicht nur Menschen evangelischer Konfession kennen, sondern auch die zugehörigen Druckwerke, die sie in ihre Heimat mitbrachten. Dieser Prozess dürfte noch am Ende des 16. Jahrhunderts begonnen haben. Als 1666 an den Matreier Pfleger der Befehl ergangen war, eine Visitation durchzuführen, stellte sich heraus, dass schon der frühere Vikar von St. Veit in seiner Zeit dort eine Hauspostille aufgestöbert hatte. Zu Beginn der Hausdurchsuchungen nach Büchern wird Georg Hopfgartner im Bericht des Pflegers von 1667 genannt. Da die Visitation keinen nennenswerten Erfolge zeigte wurde in den nächsten Jahren nicht viel unternommen, erst durch die Anzeige eines hausierenden Bildschnitzers an den kirchlich zuständigen Erzpriester von Gmünd kam 1680 neue Bewegung in die Causa.1683 erfolgte die erste Ausweisung, was den Widerstand der Deferegger aber keinesfalls erlahmen ließ. Salzburg ordnete 1684 Glaubensverhöre im großen Stil an, die ziemlich viel Widersprüchliches zu Tage förderten. Dies geschah wohl einerseits als Selbstschutz der Talbewohner, es dürfte andererseits aber auch daher rühren, dass es keine lutherischen Lehrer oder Prediger vor Ort gab und die katholischen Vikare nicht gut gebildet und schlechte Prediger waren. [2] Erst als sichtbar wurde, dass die diversen Zwangsmaßnahmen (Ausweisung von Wortführern, verschiedene Verbote etc.) nicht fruchteten entsandte Fürsterzbischof Max Gandolf im Mai 1684 zwei Kapuziner nach St. Veit, um die Deferegger zum „wahren Glauben“ zurückzuführen. Doch konnten sie nichts erreichen, das Volk blieb bei seinen Meinungen. Im Juli sollten drei vermeintliche Rädelsführer verhaftet werden, doch misslang die Aktion und flog auf, woraufhin die Deferegger vor dem Pfleger ein Ansuchen stellten, dass – sollte man sie nicht in Ruhe lassen wollen – sie lieber das Land verlassen. Dazu kam es dann am 13. und 29. Dezember 1684. Im darauffolgenden Jahr verschärfte Salzburg seine Vorschriften und Durchführungen, Anfang September 1685 wird die Zahl der Emigranten mit 568 angegeben. Zu dieser Zeit protestierte das Corpus Evangelicorum scharf. Die evangelischen Fürsten warfen den Behörden des Erzstifts Salzburgs unter anderem den Bruch des Westfälischen Friedens vor, was Max Gandolf mit dem Argument zu umgehen suchte, dass es sich bei den Defereggern um eine neue Sekte und keine anerkannte Konfession handle. Auch nach dem Tod Max Gandolfs 1687 zog sich der Streit zwischen Salzburg und den evangelischen Ständen weiter hin, ein württembergischer Gesandter musste 1688 unverrichteter Dinge aus Salzburg zurückkehren. Schließlich erließ der Kaiser 1690 einen Befehl zu Gunsten der Deferegger, dem sich 1691 auch Fürsterzbischof Johann Ernst von Thun nolens volens anschloss. So konnten die meisten Deferegger kurz zurückkehren, um ihre Kinder zu holen und ihre Besitzverhältnisse vor Ort zu regeln.
Wie das Buch nach der Vertreibung in die Priesterhausbibliothek Salzburg gelangt ist, bleibt unklar, nach jetzigem Wissensstand stellt es das einzige protestantische Buch mit nachvollziehbarem Bezug zur Vertreibung der Deferegger innerhalb der Bestände der Diözesanbibliothek Salzburg dar. Es ist aber in jedem Fall zu erwähnen, dass die Quellen immer wieder von der Verbrennung von bei Defereggern aufgestöberten „lutherischen“ Büchern berichten. Im vierten Band des um 1782 in der Colloredo-Zeit angelegten Bücherkataloges des Fürsterzbischöflichen Priesterhauses in Salzburg ist diese Hauspostille bereits verzeichnet, allerdings ohne Angaben zu deren Provenienz, das diesem Katalog vorausgehende Verzeichnis stammt aus der Zeit vor 1684. Für die Dauer der Ausstellung (28. 10. 2017 bis 4. 3. 2018) Reformation500– Salzburg und der Protestantismus befindet sich das Exemplar im Salzburgmuseum.
[1] Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg im Breisgau 1999, Bd. 8, Sp. 455
[2] Dissertori, Alois: Auswanderung der Defregger Protestanten: 1666 – 1725. – 2., erg. Aufl., Innsbruck: Wagner, 2001 (Schlern-Schriften 235 ) ; Ortner, Franz: Reformation, katholische Reform und Gegenreformation im Erzstift Salzburg. Salzburg: Pustet, 1981, S. 154-165