Johann Franz ThaddĂ€us von Kleimayrn (1733 â 1805), Jurist und Spitzenbeamter im zu Ende gehenden Erzstift sowie zur Zeit des KurfĂŒrstentums Salzburg, veröffentlichte im Jahr 1784 als sein bedeutendstes Werk die âNachrichten vom Zustande der Gegenden und Stadt Juvavia vor, wĂ€hrend, und nach der Beherrschung der Römer bis zur Ankunft des heiligen Ruperts und von dessen Verwandlung in das heutige Salzburgâ.
Mit dieser historisch-staatsrechtlichen Publikation trat Kleimayrn den von Bayern gegenĂŒber Salzburg vorgebrachten territorialen und ökonomischen AnsprĂŒchen unter Heranziehung des einschlĂ€gigen Quellenmaterials, vor allem mittelalterlicher Urkunden, erfolgreich entgegen. Nach dem Ende der SelbstĂ€ndigkeit Salzburgs und der Verbringung seiner Archive nach Wien und MĂŒnchen ab 1806 bedeutete die Veröffentlichung dieser Quellen in der âJuvaviaâ bzw. ihren UrkundenanhĂ€ngen, dass die Dokumente in gedruckter Form in Salzburg weiterhin der landesgeschichtlichen Forschung zur VerfĂŒgung standen.
Unter den hervorragenden Persönlichkeiten des zu Ende gehenden Erzstifts Salzburg nimmt Johann Franz ThaddĂ€us von Kleimayrn einen unverrĂŒckbaren Platz ein. Dies gilt sowohl fĂŒr Kleimayrns Rolle als Rechtsgelehrter und als fĂŒhrender Beamter in der politischen Umbruchszeit, die den Hintergrund fĂŒr sein Wirken bildete, als auch fĂŒr seine SchlĂŒsselrolle innerhalb der Salzburger Landesgeschichtsschreibung. Zurecht erinnert eine Gedenktafel an der Ecke Sigmund-Haffner-Gasse / ChurfĂŒrststraĂe an den bedeutenden Zeitgenossen Mozarts.
Johann Franz ThaddĂ€us von Kleimayrn – der Familienname findet sich mitunter auch als Kleinmayrn oder Kleienmayrn geschrieben – wurde am 25. September 1733 in Zell am Ziller in eine Altsalzburger Beamtenfamilie geboren. Sein Vater Ferdinand Cajetan, selbst Pflegrichter im salzburgischen Zillertal, sah fĂŒr den Sohn von vorneherein eine vergleichbare Karriere vor und verhinderte erfolgreich einen beabsichtigten Eintritt in den Kapuzinerorden. Ein zweiter Sohn der Familie, Johann Damazen von Kleimayrn, schlug dagegen eine bedeutende Laufbahn in der Benediktinerabtei Wessobrunn (Bayern) ein.
Johann Franz ThaddÀus besuchte das Gymnasium und dann die UniversitÀt in Salzburg, wo er 1763 das Studium der Rechte mit Auszeichnung abschloss.
Seine darauf folgende Praktikantenzeit am Reichskammergericht Wetzlar sowie an der UniversitĂ€t Göttingen wiesen bereits auf die folgende Karriere hin. Nach Salzburg zurĂŒckgekehrt, stieg Kleimayrn ab 1755 in erzbischöflichen Diensten rasch auf. Nach einer etwa einjĂ€hrigen Verwendung in Zell am Ziller wurde er 1756 in der Hauptstadt mit der Leitung des Archivs betraut, 1758 war er Hofbibliothekar, 1767 Geheimer Rat und Hofrat-Prodirektor. Nach dem Tod Erzbischof Schrattenbachs setzte sich unter dessen Nachfolger Hieronymus Colloredo (1772-1803) seine bemerkenswerte Laufbahn mit der Ernennung zum Hofrat-Direktor 1772 und fĂŒr die Jahre 1796-1799 mit dem Amt des Hofkanzlers weiter fort. In der letztgenannten Funktion findet sich Kleimayrns Unterschrift unter dem Erbschaftsvergleich, den Wolfgang Amadeus Mozart und sein Schwager Johann Berchtold zu Sonnenburg nach dem Tod Leopold Mozarts schlossen. Als Mitglied der Statthalterei verlas Kleimayrn 1803 nach der Flucht Colloredos dessen Abdankungsdekret. Bis zu seinem Tod wirkte er im Dienst von KurfĂŒrst Ferndinand von Toscana als Spitzenbeamter weiter und war in seinem letzten Lebensjahr Mitglied des kurfĂŒrstlichen Staatsrates. Kleimayrn starb am 5. MĂ€rz 1805 in Salzburg.
Johann ThaddĂ€us von Kleimayrn stellte seine ausgeprĂ€gte FĂ€higkeit zu systematischem Denken und strukturierter Vorgehensweise zunĂ€chst im Rahmen seiner TĂ€tigkeit in den Archiven des Erzstifts Salzburg und in der Hofbibliothek unter Beweis. In der Rolle eines VerhandlungsfĂŒhrers trat er im weiteren Verlauf seines Werdegangs mehrfach federfĂŒhrend in StreitfĂ€llen mit Bayern auf, so u.a. im Zusammenhang mit den territorialen Auseinandersetzungen um die Exklave MĂŒhldorf am Inn und die Grenze zwischen Mattsee und dem damals bayerischen Innviertel. Auf wirtschaftlichem Gebiet bezogen sich die damaligen bayerisch-salzburgischen Konflikte auf das Monopol fĂŒr den Handel mit Halleiner Salz, das die bayerischen KurfĂŒrsten fĂŒr sich beanspruchten ohne dass sie bereit waren, die Gewinnspanne mit dem Erzstift zu teilen. Bereits in diesen Verhandlungen erwies es sich als ĂŒberaus hilfreich, alle wichtigen einschlĂ€gigen Urkunden im Druck herauszugeben um darauf aufbauend die eigene Argumentation abzusichern. Damit entstanden die als âSalzkompromissschriftenâ bekannt gewordenen Abhandlungen Kleimayrns aus dem Jahre 1761 in mehreren BĂ€nden. Sie trugen wesentlich dazu bei, dass der Streit schlieĂlich fĂŒr Salzburg einen positiven Ausgang nahm.
Ăber punktuelle StreitfĂ€lle wie den Salzhandel hinaus beanspruchte das KurfĂŒrstentum Bayern im ausgehenden 18. Jahrhundert eine nie nĂ€her definierte Oberhoheit ĂŒber das Erzstift Salzburg. Diese Ambitionen stĂŒtzten sich auf die GrĂŒndung der Kirche von Salzburg als baierisches Bistum, die damals freilich schon ein Jahrtausend zurĂŒcklag. Die bedeutenden Gelehrten der 1759 errichteten Bayerischen Akademie der Wissenschaften formten unter Berufung auf alte Urkunden daraus aktuelle politische AnsprĂŒche. Unter dieser Voraussetzung entstanden die beiden bedeutendsten Werke Johann Franz ThaddĂ€us von Kleimayrn, in denen er neuerlich auf die bereits in den âSalzkompromissschriftenâ gewĂ€hle Vorgangsweise zurĂŒckgriff. 1770 erschien die âUnpartheiische Abhandlung von dem Staate des hohen Erzstifts Salzburg und dessen Grundverfassung zur rechtlich-geschichtssmĂ€Ăigen PrĂŒfung des sogenannten Iuris Regii der Herzoge der Baiern entworfen im Jahr 1765â, 14 Jahre spĂ€ter folgte die noch wesentlich ausfĂŒhrlichere âJuvaviaâ, deren voller Titel âNachrichten vom Zustande der Gegenden und Stadt Juvavia vor, wĂ€hrend und nach der Beherrschung der Römer bis zur Ankunft des heiligen Ruperts und von dessen Verwandlung in das heutige Salzburgâ lautet.
Dieses Werk âbedeutet in seiner Verbindung von Gelehrsamkeit und aktueller Praxis, von Jus und Historie einen Markstein in der Geschichte der Salzburger AufklĂ€rungâ (# Anm. 1, S. 415), zumal es auf einem rationalistisch geprĂ€gten Staats- und VölkerrechtsverstĂ€ndnis beruht. Hier wird eine Ausrichtung deutlich, die im 18. Jhdt. an der Salzburger BenediktineruniversitĂ€t maĂgeblich vertreten war und die vor allem bei der juristischen Ausbildung der spĂ€teren Beamten zum Tragen kam.
Als Archivar, Jurist und Staatsmann stĂŒtzte sich Kleimayrn umfangreich auf Dokumente, die bis in das Mittelalter zurĂŒckreichten, bis zum Ende des Alten Reiches 1806 jedoch geltendes Recht waren. GemÀà dem damals unter Juristen gelĂ€ufigen Grundsatz, dass einem Rechtstitel, je Ă€lter er war, umso mehr Gewicht zukam, untermauerte Kleimayrn seine AusfĂŒhrungen mit umfangreichen AuszĂŒgen aus historischen Dokumenten, die hier zum ersten Mal und in vorbildlicher Form im Druck erschienen. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang daran, dass die Urkundenlehre (Diplomatik) rund ein Jahrhundert frĂŒher als wissenschaftliche Disziplin begrĂŒndet worden war.
Im Vorwort erlÀuterte Kleimayrn seine Intention:
âIch bringe eben nichts neues auf die Bahne. Ich sammle nur, was bey anderen hin und wieder zerstreuet ist. Ich dehne aus, was einige nur in SĂ€tzen, andere ohne Beweise vorbringen, und verdeutliche, was Urkunden, Chroniken und Rechtsgelehrte nur in lateinischer Sprache bekannt machen (âŠ).Damit jedoch der gelehrte Kenner nicht ganz ungesĂ€ttigt bleibe, so habe ich einen Anhang beigefĂŒget, der ganz in einer diplomatischen Urkunden Sammlung und zwar von den Aeltesten, die zu Beleuchtung der âNachrichtenâ dienen bestehe. Die Meiste derselben treten das Erstemal an das Tageslicht âŠâ (# Anm. 4, S. [2])
Die folgenden rund 300 Seiten beinhalten in ihrem ersten und umfangmĂ€Ăig gröĂeren Teil eine Darstellung der Geschichte Salzburgs mit rechtshistorischem Schwerpunkt, die sich von der Römerzeit bis in die Neuzeit erstreckt. Der zweite Abschnitt mit dem Titel âDiplomatischer Anhang von verschiedenen schriftlichen Denkmaalen und Urkunden aus dem VI. VII. VIII. IX. X. und XI. Jahrhundert zur Beleuchtung der vorstehenden Nachrichten vom Zustande Salzburgsâ liefert einen umfangreichen Quellenanhang, mit dem Kleimayrn seine vorausgehende Abhandlung durch die Wiedergabe mittelalterlicher Urkunden sowie weiterer Dokumente stĂŒtzt. Nach den Salzburg betreffenden AuszĂŒgen aus der âVita Sancti Severiniâ des Eugyppius aus dem 6. Jahrhundert werden weiterfĂŒhrend alle wichtigen Urkunden von PĂ€psten, Kaisern und FĂŒrsten herangezogen, die geeignet waren, Salzburgs Existenz als ReichsfĂŒrstentum zu begrĂŒnden.
Als nach 1806 Kleimayrns staatspolitische Argumentationen unter den neuen VerhĂ€ltnissen ihre unmittelbare politische Bedeutung verloren, wurde die âJuvaviaâ, die ja aus dem erzbischöflich-salzburgischen Archiv in seinem unversehrten Zustand geschöpft hatte, zur Grundlage der modernen Salzburger Landesgeschichtsforschung, denn nach den bekannten Verlusten und der Verbringung der Originale nach Wien und MĂŒnchen dienten die umfangreiche Quellenzitate des 1784 erschienenen Werkes in Salzburg als Ersatz und damit als Ausgangspunkt fĂŒr landesgeschichtliche Arbeiten.
Eine Darstellung der âJuvaviaâ wĂ€re daher im höchsten MaĂe unvollstĂ€ndig ohne die Nennung der ergĂ€nzenden Verzeichnisse, die nach ihrem Erscheinen entstanden und die wichtige Hilfsmittel bei der Arbeit mit dem landeskundlichen SchlĂŒsselwerk darstellen. 1802 und damit noch zu Lebzeiten Kleimayrns veröffentlichte Josef Ernst von Koch-Sternfeld sein âHistorisch-geographisches Repertoriumâ. Ăhnlich verfasste Adam Joseph Emmert, Nachfolger Kleimayrns in seiner Funktion als Archivar fĂŒr die BestĂ€nde des ehemaligen Erzstifts Salzburg, ein âUniversal-Repertoriumâ, das 1805 erschien. In Verbindung mit diesem Register zu den Personen- und Ortsnamen sowie den Sachbegriffen der âJuvaviaâ wurde auch der diplomatische Teil des Ausgangswerks Kleimayerns nochmals abgedruckt.
SchlieĂlich verwahrt das Salzburger Landesarchiv auch ein handgeschriebenes âAlphabetisches Verzeichnis der im diplomatischen Anhang zur Juvavia vorkommenden Orteâ aus dem Jahr 1828 und aus der Feder von Augustin Winklhofer, Pfarrvikar von Koppl und spĂ€ter Pfarrer von St. Michael im Lungau, der selbst als bedeutender Kartograph und Autor eines namhaften Werkes ĂŒber den Salzachkreis hervortrat. Dieses Register eines Gelehrten, der aufgrund seiner LebensumstĂ€nde von den groĂen Archiven und Bibliotheken abgeschnitten war, zeigt die Bedeutung von Kleimayrns âJuvaviaâ weit ĂŒber das Ende des ReichsfĂŒrstentums Salzburg hinaus.
Anmerkungen:
- Heinz Dopsch; Hans Spatzenegger (Hrsg.): Geschichte Salzburg: Geschichte Salzburgs. Stadt und Land. Bdd. II,1: Neuzeit bis zum Ende des geistlichen FĂŒrstentums (1803). 2. Aufl. Salzburg. 1995.
- Adam J. Emmert:
Universal-Repertorium zu dem Werke: Nachrichten vom Zustande der Gegenden und Stadt Juvavia vor, wĂ€hrend, und nach der Beherrschung der Römer bis zur Ankunft des heiligen Ruperts und von dessen Verwandlung in das heutige Salzburg Salzburg. 1805 - Johann Franz ThaddĂ€us von Kleimayrn: SalzkompromiĂschriften [d.i.: Kurz gefaĂt- doch grĂŒndlich und Acten-mĂ€Ăige  Geschichtserzehlung von der urspringlichen Beschaffenheit des alt-befreyten Halleinischen Salz-Weesens im hohen Erz-Stift Salzburg⊠sowie fĂŒnf nachfolgende Schriften] . Salzburg. 1761
- Johann Franz ThaddÀus von Kleimayrn:
Nachrichten vom Zustande der Gegenden und Stadt Juvavia vor, wÀhrend, und nach der Beherrschung der Römer bis zur Ankunft des heiligen Ruperts und von dessen Verwandlung in das heutige Salzburg. Salzburg. 1784 - Johann Franz ThaddÀus von Kleimayrn:
Unpartheyische Abhandlung von dem Staate des hohen Erzstifts Salzburg und dessen Grundverfassung zur rechtlich- und geschichtsmĂ€Ăigen PrĂŒfung des sogenannten Iuris Regii der Herzoge in Baiern entworfen, im Jahr 1765. Salzburg. 1770 - Joseph Ernst von Koch-Sternfeld:
Historisch-geographisches Repertorium ĂŒber die unpartheiyische Abhandlung vom Staate Salzburg, ĂŒber Juvavia, und den diplomatischen Anhang des letztern Werkes. Salzburg. 1802 - Fritz Koller:
Salzburgischer Staatsmann der Zeit der Mozarts. In: Unser Land, 2005,Nr. 4. S. 19 - Franz Martin:
Die Familienchronik derer von Kleimayrn. In: Mitteilungen der Gesellschaft fĂŒr Salzburger Landeskunde, 63.1923. S. 67 â 127 - Augustin Winklhofer:
Alphabetisches Verzeichnis der im diplomatischen Anhang zur Juvavia vorkommenden Orte. St. Michael im Lungau. 1828